Entscheidungsstichwort (Thema)

Umwegfahrten aufgrund von Krankheit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Mehrkosten, die durch einen Umweg bei der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verursacht werden gehören zu den Werbungskosten, auch wenn der Umweg durch Krankheit verursacht wird.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin aufgrund einer Krankheit (Höhenangst) gezwungen ist, bei der arbeitstäglichen Fahrt zu ihrer Arbeitsstätte einen Umweg zu fahren und ob die Kosten für die Umwegfahrt beruflich veranlasst sind.

Die Klägerin hat ihren Wohnsitz in Hamburg-... und arbeitet bei einem Arbeitgeber in A, Kreis Elmshorn. In ihrer Einkommensteuererklärung 2000 erklärt sie Aufwendungen für 233 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit einer einfachen Entfernung von 86 km.

Im Einkommensteuerbescheid 2000 vom 13.06.2001 erkannte der Beklagte für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur die Kosten an, die bei einer einfachen Entfernung von 62 km entstehen, weil dies laut Tourenplaner die kürzeste Entfernung für den Arbeitsweg der Klägerin sei. Bei der Anzahl der zu berücksichtigenden Arbeitstage setzte der Beklagte, ohne es zu begründen, 223 Tage an.

Dagegen legten die Kläger am 10.07.2001 Einspruch ein, weil eine Fahrt durch die Hamburger Innenstadt auf allen möglichen Routen mit einem zusätzlichen Zeitaufwand von mindestens 30 Minuten verbunden sei. Mit Schreiben vom 16.01.2002 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er ginge ebenfalls davon aus, dass die von der Klägerin gewählte Fahrstrecke verkehrsgünstiger sei, halte aber eine Fahrt durch den Freihafen statt über Maschen für zumutbar. Man sei jedoch bereit, im Wege der Einigung eine Fahrstrecke von 67 km einfacher Fahrt zu berücksichtigen (FG-Akte Bl.14).

Mit Einspruchsentscheidung vom 23.01.2002 wurde der Einspruch zurückgewiesen. Seit Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 1966 komme es für die Berücksichtigung von Werbungskosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht mehr auf die verkehrsgünstigste Strecke, sondern nur noch auf die kürzeste Strecke an.

Mit der Klage vom 11.02.2002 (Eingang beim Finanzgericht am 14.02.2002) wenden sich die Kläger weiterhin gegen den vom Beklagten gewählten Kilometeransatz. Die Strecke über den Freihafen bringe keine wesentliche Zeitersparnis, weil morgens und abends auf der A 7 und der A 255 häufig Staus entstünden und dadurch Wartezeiten in Kauf genommen werden müssten. Zudem sei in der "dunklen Jahreszeit" der X-Weg für alleinfahrende Frauen keine akzeptable Alternative. Außerdem leide die Klägerin unter Höhenangst und könne deshalb die Köhlbrandbrücke nicht benutzen. Der Beklagte müsse zumindest eine Fahrtstrecke von 76 km, wie in den Vorjahren auch, anerkennen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 13.06.2001 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 23.01.2002 in der Weise zu ändern, dass bei den Werbungskosten der Klägerin für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Kosten für arbeitstägliche Fahrten mit einer einfachen Entfernung von 76 km berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung und sein Schreiben vom 29.11.2002. Die Benutzung der kürzeren Strecke sei der Klägerin durchaus zumutbar. Das Vorliegen einer Höhenangst werde bestritten.

Der Vorsitzende des Senats hat am 03.06.2002 die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens darüber erbeten, ob die Klägerin "derart unter Höhenangst leidet, dass ihr nicht zugemutet werden kann, über Brücken zu fahren."

Der Forensisch-Psychiatrische Gutachterdienst, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (FPG) hat am 07.08.2002 ein Gutachten über die Klägerin erstellt. Auf das Gutachten wird Bezug genommen. Der FPG kommt zu dem zusammenfassenden Ergebnis:

"Es handelt sich bei Frau F um eine heute 42-jährige, verheiratete Bürokauffrau, bei der eine Akrophobie vorliegt und die daher die Überfahrt über eine hohe Brücke zu ihrem Arbeitsplatz vermeidet. Daher kann ihr auch nicht zugemutet werden, sich täglich dieser Belastung auszusetzen. Bei Frau F ist von einer krankheitsbedingten Vermeidung der Köhlbrandbrücke auf dem Arbeitsweg auszugehen. Eine Simulation liegt nicht vor. Daher ist derzeit, aufgrund der Ängste und des subjektiven Leidens, die Überfahrt über die besagte und ähnliche Brücken der Probandin nicht zuzumuten."

Der Beklagte geht auch nach Vorliegen des Gutachtens davon aus, dass für die Berechnung der Werbungskosten gemäß § 9 Abs.1 Nr.4 EStG nicht die von der Klägerin angegebene Verbindung zugrunde zu legen ist, sie sei nicht offensichtlich verkehrsgünstiger.

Unabhängig davon handele es sich bei den Kosten, die durch die Differenz zur grundsätzlich zumutbaren Strecke entstünden, nicht um Werbungskosten sondern um Krankheitskosten, hier in Höhe von 5.816 DM, die aber nicht über der Grenze der zumutbaren Eigenbelastung gemäß § 33 Abs.3 EStG lägen u...

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