rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzungsverjährung bei Steuerhinterziehung durch unterlassene Angabe der in Höhe des Ertragsanteils steuerpflichtigen Erwerbsunfähigkeitsrente

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die bewusste Nichtangabe vermeintlich steuerfreier Einnahmen entgegen einer insoweit bestehenden Verpflichtung und trotz Nachfrage durch das Finanzamt kann im Einzelfall zum Vorwurf einer bedingt vorsätzlichen Steuerhinterziehung führen.

2. Eine zur Straffreiheit führende Selbstanzeige gemäß § 371 AO hindert die Festsetzung hinterzogener Steuern und Nebenleistungen für die straffreien Jahre nicht.

3. Eine Einstellung des Strafverfahrens aus strafprozessualen Gründen ist für die im Besteuerungsverfahren eigenständig zu klärende Frage nach dem Vorliegen einer Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO unerheblich.

4. Die strafrechtliche Verjährung beeinflusst die abgabenrechtliche Festsetzungsverjährung für hinterzogene Steuern gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nicht.

 

Normenkette

AO § 169 Abs. 2 S. 2, §§ 370-371

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 1994, 1995 und 1996 Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Der Kläger (-Kl-) wurde (u.a.) in den Jahren 1993 bis 2001 gemäß § 26b Einkommensteuergesetz (-EStG-) antragsgemäß zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kl bezog mit Wirkung ab dem 01. Januar 1993 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, erklärte eine solche im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen 1993 und der Folgejahre indes nicht. Er und seine Ehefrau machten zum Bezug einer Rente weder Angaben in den Steuererklärungsvordrucken als solchen, noch in den für 1993 und 1994 beigefügten Anlagen E.

Die Erläuterungen auf den Vorderseiten der Anlagen E wiesen darauf hin, dass "diese Anlage Bestandteil der Einkommensteuererklärung wird und wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen auszufüllen ist." Weiter, dass "Erwerbsbezüge nicht nur die steuerpflichtigen Einkünfte sind, sondern auch steuerfreie Einnahmen und Bezüge sowie Einkommensteile, die bei der Ermittlung des Einkommens abzuziehen sind, aber zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs verwendet werden können." Schließlich, dass "das Finanzamt bestimmte Erwerbsbezüge der Einkommensteuererklärung entnimmt, z. B. den nichtsteuerbaren Teil von Renten" und dass "die übrigen Erwerbsbezüge umseitig anzugeben sind".

Der Kl und seine Ehefrau erklärten in den Anlagen E 1993 und 1994 ausdrücklich im Wege des Ankreuzens, Erwerbsbezüge seien im jeweiligen Kalenderjahr nicht zugeflossen. In 1995 fügten sie die Anlage E nicht bei und gaben zur Begründung hierfür wiederum an, "weil keine ... Erwerbsbezüge zugeflossen sind".

Die Steuererklärungen der Jahre 1993, 1994 und 1995 sind in dem dafür vorgesehenen Feld auf der ersten Seite jeweils mit einem Posteingangsstempel des Finanzamts, des Beklagten (-Bekl-), einschließlich Datumsangabe versehen. Die Erklärungen wurden danach eingereicht für 1993 am 25. Oktober 1994, für 1994 am 01. November 1995 und für 1995 am 02. Oktober 1996.

Die Einkommensteuererklärung 1996 trägt als Eingangsvermerk an der vorbezeichneten Stelle lediglich einen Datumsstempel (07. April 1997) mit einem Handzeichen. Eigene Angaben der Steuerpflichtigen über den Bezug einer Rente enthielt die Erklärung wiederum nicht. In den mit abweichendem Stift geschriebenen Bearbeitungsvermerken des Sachbearbeiters findet sich auf Seite 4 des Mantelbogens der handschriftliche Hinweis "Arbeitsunfall - Unfallrente § 3 (1) EStG".

Die Steuererklärungen der Jahre 1997 bis 2000 tragen jeweils einen Posteingangsstempel des Finanzamtes mit Datumsangabe. Danach wurden sie für 1997 am 17. Dezember 1998 eingereicht und für 1998 am 05. Mai 1999. Angaben zur Rente enthalten die Steuererklärungen wiederum nicht.

Die Steuererklärung 2001 trägt erneut lediglich einen Datumsstempel mit Handzeichen. In der erstmals auch wieder für den Kl beigefügten Anlage N machten die Steuerpflichtigen keine eigenen Angaben. In der Rubrik "Angaben über Zeiten und Gründe der Nichtbeschäftigung" findet sich der handschriftliche Hinweis des Sachbearbeiters "kein AL-Geld e.t.c., es besteht kein Anspruch".

Sämtliche vorbenannten Jahre veranlagte der Bekl entsprechend den Erklärungen ohne Berücksichtigung einer Rente. Die Bescheide wurden bestandskräftig.

Am 21. März 2003 erschien die Ehefrau des Kl wiederum persönlich beim Bekl, um die Einkommensteuererklärung 2002 abzugeben. Im Zusammenhang mit der als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Behinderung des Kl von 50 v.H. fragte der zuständige Sachbearbeiter bei der Ehefrau nach, ob der Kl eine Rente beziehe, was die Ehefrau bejahte. Sie wurde aufgefordert, den Rentenbescheid des Jahres 2002 nachzureichen. Eine Kopie des Rentenbescheides 2002 ging beim Bekl ausweislich des Eingangsstempels am 28. März 2003 per Post ein. Die Einkommensteuer 2002 wurde sodann unter Berücksichtigung der Rente veranlagt.

Mit Schreiben vom 11. Juni 2003 forderte der Bekl den Kl und dessen Ehefrau ...

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