vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung verjährter vorrangiger Kindergeldansprüche aus dem EU-Ausland – Fehlende Angaben zur ausländischen Beschäftigung im Kindergeldantrag

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein fiktiver, aus Verjährungsgründen nicht ausgezahlter Kindergeldanspruch in dem nach Art. 68 Abs. 1 der VO 883/2004 aufgrund einer dort ausgeübten Beschäftigung vorrangig zuständigen Staat (Niederlande) ist nicht auf den nachrangigen inländischen Kindergeldanspruch anzurechnen (Anschluss an Urteile des FG Münster vom 05.08.2016 4 K 3115/14 Kg, juris, und des FG Nürnberg vom 15.02.2017 3 K 1601/14, juris).
  2. Dies gilt auch dann, wenn die Weiterleitung des Kindergeldantrages an die Familienkasse des anderen vorrangig zuständigen Staates (Art. 68 Abs. 3 der VO 883/2004) deshalb unterblieben ist, weil der Steuerpflichtige pflichtwidrig keine Angaben zu seiner dort ausgeübten Beschäftigung gemacht hat.
  3. Eine solche Anrechnung kommt nur in Betracht, wenn die Antragstellung im anderen Mitgliedstaat missbräuchlich unterlassen wurde.
 

Normenkette

VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 11 Abs. 3 a; VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 67, 68 Abs. 1-3; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 2 b), § 63 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.12.2020; Aktenzeichen III R 31/18)

 

Tatbestand

Die mit ihren Kindern A, geb. .94, und B, geb. .97, in Deutschland lebende Klägerin hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie war seit mindestens Januar 2010 in den Niederlanden nichtselbständig tätig und entrichtete dort Sozialversicherungsbeiträge. Dem deutschen Kindergeld entsprechende Leistungen hat sie in den Niederlanden weder beantragt noch bezogen.

In ihren Anträgen auf Kinderzuschlag und Kindergeld gab sie an, nicht berufstätig zu sein. In einem 2004 gestellten Antrag beantwortete sie die Frage, ob sie im Ausland als Arbeitnehmerin tätig sein, mit nein, ebenso in einem Antrag vom 23.01.2012. Sie wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass sie verpflichtet sei, Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen anzugeben.

Sie erhielt Kindergeld für A bis März 2012 und für B bis September 2015 in der sich nach dem EStG ergebenden Höhe.

Erstmals im September 2015 gab die Klägerin an, ab Januar 2010 bis heute in den Niederlanden nichtselbständig tätig gewesen zu sein.

Mit Bescheid vom 20.10.2015 hob der Antragsgegner die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2010 gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf, soweit ein Anspruch in den Niederlanden bestehe und forderte € 8.760,34 überzahltes Kindergeld zurück. Im Einspruchsverfahren wurde dieser Bescheid vom 05.01.2017 aufgehoben.

Die von der Beklagten über diesen Sachverhalt informierte Soziale Verzekeringsbank zahlte niederländisches Kindergeld nur für das Kind B für den Zeitraum Juli 2014 bis September 2015. Weil die Beschäftigung in den Niederlanden erst am 11.08.2015 bei der deutschen Kindergeldstelle gemeldet worden sei, stehe der Zahlung weiterer Beträge die Verjährung des Anspruchs entgegen.

Die Familienkasse erließ einen weiteren Bescheid vom 05.01.2017. Die Festsetzung des Kindergeldes wurde für die Kinder A und B ab Januar 2010 in Höhe des in den Niederlanden zustehenden Kindergeldes aufgehoben. Gleichzeitig wurde für den Zeitraum von Januar 2010 bis September 2015 zuviel gezahltes Kindergeld in Höhe von 8049,34 Euro zurückgefordert. Aus der beigefügten Anlage zum Bescheid ergibt sich, dass die Kindergeldfestsetzung für A für Mai 2010 bis März 2012 und für B für Mai 2010 bis September 2015 aufgehoben wurde. Auch gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 02.06.2017, abgesandt am 06.06.2017, wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat am 07.07.2017 Klage erhoben.

Sie trägt vor, der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid sei zu Unrecht ergangen. Sie habe ihre Erwerbstätigkeit in den Niederlanden nicht verschwiegen. Zudem erhebe sie die Einrede der Verjährung.

Sie beantragt,

den Bescheid vom 05.01.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.06.2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Zulassung der Revision.

Sie gehe davon aus, dass die Klägerin vorsätzlich falsche Angaben zu ihrer Berufstätigkeit gemacht habe. Folglich betrage die Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO zehn Jahre, weshalb keine Verjährung eingetreten sei. Zudem sei die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 AO zu beachten.

Da die Klägerin in den Niederlanden erwerbstätig gewesen sei, habe sie in Deutschland nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nur Anspruch auf Kindergeld in Höhe des Differenzbetrages zwischen niederländischen Familienleistungen und dem Kindergeld in Deutschland. Entgegen dem Berichterstatter- Beschluss vom 06.12.2017 7 V 1891/17 A(Kg) in der Aussetzungssache der Beteiligten sei unter Geltung der neuen VO EG 883/2004 anders als unter Geltung der bisherigen VO EG 1408/71 das EUGH -Urteil in der Rechtssache „Schwemmer” mit der Folge, dass ein nur potenzieller Anspruch den Anspruch auf deutsches Kindergeld...

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