Entscheidungsstichwort (Thema)

Stromsteuerbefreiung bei dezentralen Anlagen: Funktionsbezogener Anlagenbegriff – Addition der Nennleistung an unterschiedlichen Standorten – Unionsrechtlicher Grundsatz der Gleichbehandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Stromsteuerentlastung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG vom 22.06.2019 (StromStG n.F.) ist in Anwendung des funktionsbezogenen Anlagenbegriffs auch für die Stromerzeugung aus Blockheizkraftwerken an unterschiedlichen Standorten zu gewähren, wenn deren zentrale Steuerungsmöglichkeit durch einen Betreiber sowie die ganz überwiegende Versorgung eines bestimmten Abnehmerkreises die Zusammenrechnung der Stromerzeugungseinheiten zu einer Anlage mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als zwei MW gebieten.
  2. Der Begriff der Anlage in § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG n.F. und in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG ist unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung einheitlich dahin auszulegen, dass bei in einem solchen Funktionszusammenhang stehenden Stromerzeugungseinheiten an unterschiedlichen Standorten die Summe der elektrischen Nennleistungen der einzelnen Einheiten als elektrische Nennleistung einer Anlage gilt.
 

Normenkette

StromStG § 9 Abs. 1 Nrn. 1, 3; StromStV § 12b Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1; RL 2003/96/EG Art. 15 Abs. 1 Buchst. b); GG Art. 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin sammelt ...Reste ein und entsorgt diese. Die nach der Zerkleinerung der ...Reste entstehende Biomasse wird zu Biogasanlagen verbracht, welche die Klägerin an den Standorten W., Q., P., V. und Y. betreibt. Durch die Vergärung der Biomasse gewinnt die Klägerin Biogas, das sie zur Erzeugung von Strom verwendet. Hierzu betreibt sie an den fünf Standorten jeweils zwei Blockheizkraftwerke in Modulbauweise. Diese Anlagen hatten in den Kalenderjahren 2018 und 2019 folgende elektrische Nennleistungen:

W.

…kW

 P.

…kW (bis 24.06.2019) bzw.…kW (ab 25.06.2019)

 Y.

…kW

 Q.

…kW

 V.

…kW

Die Klägerin entnahm den von ihr erzeugten Strom an dem jeweiligen Standort ihrer Anlagen zum Selbstverbrauch. Ferner leistete sie den Strom an Letztverbraucher, die den Strom auf dem Betriebsgelände der jeweiligen Anlage dem dort von ihr unterhaltenen Netz entnahmen. Darüber hinaus speiste die Klägerin den überschüssigen Strom im Wege der Direktvermarktung in das allgemeine Versorgungsnetz ein. Die Klägerin erhielt von der K. AG in den Kalenderjahren 2018 und 2019 die Marktprämie nach § 20 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 21.7.2014 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I 2014, 1066), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 13.10.2016 (BGBl. I 2016, 2258) (EEG 2017), ausgezahlt.

Nach der Anzeige der Stromerzeugung durch die Klägerin ging der Beklagte nach den §§ 1a Abs. 7, 2 Abs. 3, 3 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes vom 31.5.2000 (BGBl. I 2000, 794), zuletzt geändert durch Art. 4 der Verordnung vom 2.1.2018 (BGBl. I 2018, 84, 154) (Stromsteuerverordnung - StromStV - a.F.), seit dem 1.1.2018 von dem Bestehen einer Erlaubnis als Versorgerin aus. Ferner erteilte der Beklagte der Klägerin mit Wirkung ab dem 1.7.2019 die Erlaubnis, nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Stromsteuergesetzes vom 24.3.1999 (BGBl. I 1999, 378), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22.6.2019 (BGBl. I 2019, 856) (StromStG n.F.), von der Steuer befreiten Strom sowie an ihren Standorten in W., P. und Y. nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG n.F. von der Steuer befreiten Strom entnehmen zu dürfen. Darüber hinaus erteilte der Beklagte der Klägerin mit Wirkung ab dem 1.7.2019 die Erlaubnis, Strom aus erneuerbaren Energieträgern als Betreiberin der Anlagen in Q. und V. am Ort der Erzeugung zum Selbstverbrauch nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG n.F. steuerfrei entnehmen zu dürfen.

Die Klägerin meldete am 31.5.2019 beim Beklagten die Strommengen an, die sie ihrer Ansicht nach im Kalenderjahr 2018 steuerfrei entnommen und geleistet hatte. Für das Kalenderjahr 2019 gab sie am 2.6.2020 beim Beklagten eine Steueranmeldung ab, in der sie die ihrer Ansicht nach steuerfrei entnommenen und geleisteten Strommengen angab.

Der Beklagte folgte den Anmeldungen der Klägerin nicht. Er setzte gegen die Klägerin mit Steuerbescheid vom 17.12.2020 für das Kalenderjahr 2018 Stromsteuer von…€ fest. Dabei berücksichtigte er eine Menge von…MWh von der Klägerin entnommenen Strom sowie eine Menge von…MWh von ihr geleisteten Strom, mithin insgesamt…MWh, den sie nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Stromsteuergesetzes i.d.F. vom 27.8.2017 (StromStG a.F.) als steuerfrei angesehen hatte. Ferner berücksichtigte der Beklagte eine Menge von…MWh von der Klägerin entnommenen und eine Menge von…MWh von ihr geleisteten Strom, insgesamt…MWh (rechnerisch richtig:…MWh), den sie nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG a.F. als steuerfrei angesehen hatte.

Nachdem der Beklagte gegen die Klägerin mit Bescheid vom 22.7.2020 für das Kalenderjahr 2019 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung…€ Stromsteuer festgesetzt hatte, setzte er die Steuer mit Bescheid vom 19.3.2021 auf…€ neu fest. Dabei be...

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