Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahme einer wirtschaftlich einheitlichen Kapitalmaßnahme des Gesellschafters bei anfänglicher Minderung der Darlehensforderung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Verzichtet ein Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft im Hinblick auf das Gesellschaftsverhältnis auf eine Forderung, die er dieser gegenüber hat, so ist die dadurch bei der Kapitalgesellschaft entstandene Vermögensmehrung nur in Höhe des Teilwerts der Forderung als gewinnneutrale Einlage des Gesellschafters zu bewerten.
  2. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Hingabe und Verzicht ändert nichts am Fremdkapitalcharakter des Gesellschafterdarlehens und kann daher nicht die Annahme einer wirtschaftlich einheitlichen Maßnahme mit dem Ziel der Zuführung von Eigenkapital rechtfertigen.
 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1; KStG § 8 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2000

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 02.08.2006; Aktenzeichen I B 35/06)

 

Tatbestand

Alleinige Anteilseignerin der Klägerin ist seit dem 19.06.2000 die „J-AG”. Diese gewährte der Klägerin am 21.06.2000 ein Darlehen über 450.000 Schweizer Franken sowie am 28.09.2000 ein weiteres Darlehen über 150.000 DM, jeweils befristet bis zum 31.03.2001. Konkrete Rückzahlungsmodalitäten wurden nicht vereinbart. Mit Beschluss vom 20.12. bzw. 21.12.2000 verzichtete die „J-AG” auf die Rückzahlung der Darlehen. Die Klägerin behandelte den Darlehensverzicht als Einlage in Höhe des Nennwerts der Darlehen. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung durch den Beklagten für die Jahre 1998 bis 2000 stellte der Prüfer fest, dass im Zeitpunkt des Darlehensverzichtes der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag rund 570.000 DM betrug. Bei einem Eigenkapital von 300.000 DM wies die Bilanz der Klägerin zum 31.12.2000 einen Verlustvortrag von 375.757,92 DM und einen Jahresfehlbetrag von 494.854,20 DM aus. Nach Ansicht des Prüfers war die eingelegte Darlehensforderung wegen bilanzieller Unterdeckung bei der Klägerin ohne Wert. Er vertrat daher die Auffassung, die durch den Darlehensverzicht verursachte Gewinnerhöhung von 715.425 DM würde durch die Einlage im Wert vom 0 DM steuerlich nicht kompensiert. Der Beklagte änderte der Auffassung des Prüfers folgend die angefochtenen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AbgabenordnungAO – stehenden, Bescheide. Den Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23.03.2004 als unbegründet zurück.

Mit der dagegen erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die der Auffassung des Beklagten zugrunde liegende Bundesfinanzhof – BFH-Rechtsprechung sei unzutreffend, weil dieser ein Denkfehler zugrunde liege. Eine Verbindlichkeit sei im Gegensatz zu einer Forderung immer werthaltig. Die Werthaltigkeit des Passivpostens werde durch die steuerliche Erfassung einer entsprechenden Vermögensmehrung im Verzichtsfalle dokumentiert. Im Gegensatz zu den bisher entschiedenen Fällen, in denen eine Forderung seit vielen Jahren bestanden habe, lägen im Streitfall die Darlehensgewährung und der Forderungsverzicht zeitlich sehr eng beieinander. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs sei die Darlehensgewährung mit anschließendem Forderungsverzicht als wirtschaftlich einheitliche Kapitalmaßnahme anzusehen. Zu einer unmittelbaren Zuführung von Mitteln in eine Kapitalrücklage bestehe wirtschaftlich im vorliegenden Fall kein Unterschied. Die BFH-Rechtsprechung werde dem Streitfall bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht gerecht und dürfe vorliegend nicht angewendet werden. Des Weiteren sei die Forderung nicht wertlos gewesen. Zwar habe die Klägerin in der Vergangenheit erhebliche Verluste erlitten. Mit dem Eintritt der neuen Gesellschafterin habe sich jedoch das Umfeld für die Klägerin gravierend geändert. Aufgrund einer deshalb verbesserten Ertrags und Finanzprognose sei eine Darlehensrückzahlung keinesfalls aus wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen gewesen.

In der mündlichen Verhandlung am 17.01.2006 ist u.a. die Gewinnentwicklung bei der Klägerin Gegenstand der Erörterung gewesen. Der Geschäftsführer der Klägerin hat angegeben, die „J-AG” habe für sämtliche Anteile einen Kaufpreis von 1 DM entrichtet.

Die Klägerin beantragt,

die Körperschaftsteuerveranlagung 2000, die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2000, den Gewerbesteuermessbetrag 2000 und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.03.2004 dahingehend abzuändern, dass die Änderung gemäß Punkt 2.2 des Betriebsprüfungsberichts vom 28.03.2003 aufzuheben sind und die Gewinnerhöhung von 715.425 DM nicht angesetzt wird,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Berücksichtigung einer Werthaltigkeit der Darlehensforderung mit 144.812 DM abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die BFH-Rechtsprechung sei auch dann anzuwenden, wenn die Darlehensforderung des Gesellschafters von Anfang an im Wert geminder...

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