Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksame Bekanntgabe trotz Rücksendung des Bescheids durch den nicht mehr Bevollmächtigen an das FA; Wiedereinsetzung; inhaltsgleiche Bekanntgabe an die Steuerpflichtigen als Änderungsbescheid nach § 68 FGO; Bindungswirkung nach § 351 Abs.1 AO 1977 des Erstbescheids bei inhaltsgleichem Zweitbescheid; Zufluss beim beherrschenden Gesellschafter; rückwirkend gezahlter Auslagenersatz als vGA

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein an den Zustellbevollmächtigten übersandter Verwaltungsakt ist auch dann wirksam bekanntgegeben worden, wenn der Bevollmächtigte bereits einen Tag später den Bescheid mit dem Hinweis an das FA zurückschickt, er vertrete den Mandant nicht mehr; erfährt das FA erst nach der Bekanntgabe von der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses, ändert das an der Wirksamkeit der Bekanntgabe nichts. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Einspruchsfrist kommt aufgrund des den Steuerpflichtigen zuzurechnenden Verschuldens ihres früheren Bevollmächtigten nicht in Betracht.

2. Der Bescheid wird ohne eine ausdrückliche Erklärung des FA mit Außenwirkung nicht etwa dadurch aufgehoben und unwirksam, dass der Veranlagungsbeamte des FA intern von einer "Stornierung" ausgeht, bei der Finanzkasse eine Stornierung der zum Soll gestellten Steuer veranlasst und den Bescheid inhaltsgleich, ohne Hinweise auf die Zusendung an den früheren Bevollmächtigten, der neuen Bevollmächtigten der Steuerpflichtigen bekanntgibt. Der nicht weiter begründete "Zweitbescheid" hat als sog. wiederholende Verfügung Verwaltungsaktcharakter und ist damit ein Änderungsbescheid i.S. von § 68 FGO.

3. Ist aber vor der Bekanntgabe des inhaltsgleichen Zweitbescheids der nicht angefochtene Erstbescheid mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist bereits bestandskräftig geworden, so ist die Klage gegen den Zweitbescheid aufgrund der Bindungswirkung des Erstbescheids nach § 351 Abs.1 AO 1977 unzulässig; ein späterer, weiterer Änderungsbescheid kann daher nicht wirksam nach § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden.

4. Weiter unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende, nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderte Bescheide können uneingeschränkt angegriffen werden; § 351 Abs. 1 AO 1977 findet insoweit keine Anwendung.

5. Von einer - nicht zahlungsunfähigen - GmbH ihrem beherrschenden Gesellschafter geschuldete Beträge fließen diesem bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs zu.

6. Ein dem beherrschenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft im nachhinein ohne Einzelnachweis gezahlter, pauschaler Aufwendungsersatz (Porto, Fahrtkosten usw.) ist mangels einer klaren und im voraus getroffenen Vereinbarung als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln.

 

Normenkette

AO 1977 § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 124 Abs. 1 Sätze 1-2, § 80 Abs. 1 S. 4, § 124 Abs. 2, § 164 Abs. 2; FGO § 42; AO 1977 § 110 Abs. 1 S. 3, Abs. 3, § 351 Abs. 1; EStG § 11 Abs. 1; KStG § 8 Abs. 3 S. 2; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.10.2004; Aktenzeichen VIII R 9/03)

BFH (Urteil vom 05.10.2004; Aktenzeichen VIII R 9/03)

BFH (Urteil vom 06.11.2002; Aktenzeichen XI R 85/00)

 

Gründe

Die Kläger sind Eheleute und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Diplom-Ökonom. Das Diplom wurde ihm zu DDR-Zeiten von der Handelshochschule Leipzig verliehen.

Im November 1990 schlossen der Kläger sowie Herr Diplom-Ingenieur Jürgen A…, Herr Diplom-Ingenieur Architekt B…. und Herr Bürgermeister Karl-Heinz C…. – dieser handelnd für die Gemeinde L… – einen Gesellschaftervertrag, durch den sie die L… Bau- und Entwicklungs GmbH (GmbH) errichteten. Die Gesellschafter bestellten den Kläger zum Geschäftsführer. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug 50.000,00 DM. Der Kläger war mit 25.500,00 DM (= 51 %) an diesem Stammkapital beteiligt. Gegenstand des Unternehmens der GmbH war nach § 2 des Gesellschaftsvertrages im Wesentlichen der Erwerb und der Handel mit Grundstücken sowie die Bebauung einschließlich der Betreuung der Bauvorhaben.

Am 31.01.1991 fassten die Gesellschafter den Beschluss, dass der Kläger für seine Tätigkeit ein monatliches Honorar in Höhe von 10.500,00 DM + 14 % Mehrwertsteuer erhalten solle. In dem Protokoll der Gesellschafterversammlung heißt es hierzu weiter, der Kläger werde diese Beträge dem Unternehmen in Rechnung stellen. Die Auszahlung erfolge, sobald das Unternehmen dazu wirtschaftlich in der Lage sei. Zwischen den Gesellschaftern bestehe Einigkeit darüber, dass 80 % der Zahlung für Planungsleistungen und 20 % für Vertriebsleistungen + 14 % Mehrwertsteuer veranschlagt würden. Die über den Rahmen geleisteten Tätigkeiten würden von dem Kläger ebenfalls mit Rechnung belegt. Die Grundlage dazu bilde der Beschluss. Ebenfalls am 31.01.1991 kam es zu einer Vereinbarung zwischen der GmbH und dem Kläger. In § 1 dieser Vereinbarung heißt es, der Kläger organisiere und koordiniere im Rahmen seiner Gesellschaftertätigkeit die GmbH als Geschäftsführer. Weiterhin wurde vereinbart, dass der Kläger für diese Leist...

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