Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Mindestbemessungsgrundlage bei ordnungsgemäß durchgeführter Lieferung zwischen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die in § 10 Abs. 4 und 5 UStG enthaltene Regelung zur Mindestbemessungsgrundlage weicht von der in Art. 11 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Regelung der Besteuerungsgrundlage ab. Diese Abweichung ist auf der Grundlage des Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zulässig. Danach kann der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von der Richtlinie 77/388/EWG abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder Steuerumgehungen zu verhindern (Anschluss an EuGH-Urteil vom 29.5.1997, Rs. C-63/96, Skripalle, Slg. 1997, I-02847).

2. Bei ordnungsgemäß durchgeführter Lieferung zwischen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen besteht objektiv keine Gefahr einer Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung. Der Steuerentstehung auf der Seite des Lieferers steht die entsprechende Vorsteuerabzugsberechtigung auf Seiten des empfangenden Unternehmers gegenüber, so dass unabhängig von der Höhe der Bemessungsgrundlage immer ein Ausgleich von Steuer und Vorsteuer hergestellt wird. Aus diesem Grunde ist ein durch Geschäftsbeziehung oder Beteiligungsstruktur begründeter Einfluss in der Unternehmerkette für die Umsatzbesteuerung unerheblich. Die Regelung zur Mindestbemessungsgrundlage ist deshalb bei einer Grundstückslieferung einer Personengesellschaft an eine vorsteuerabzugsberechtigte nahestehende Person nicht anwendbar.

 

Normenkette

UStG § 10 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 1; EWGRL 388/77 Art. 11, 27 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.01.2008; Aktenzeichen V R 39/06)

 

Tenor

Unter Änderung des Bescheides vom 20.02.2001 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 19.06.2003 wird die Umsatzsteuer 1995 auf ./. 35.960,18 EUR (./. 70.332,00 DM) festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu erstattenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Beschluss:

Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt einen Großhandel mit technischen Artikeln. In den Jahren 1994/1995 bebaute sie ihr Grundstück in L… mit einem Geschäftshaus. Die Herstellungskosten des Gebäudes betrugen 4.248.977,31 DM. Die Investitionsbank des Landes Brandenburg gewährte einen Zuschuss von 767.300 DM, den die Klägerin buchhalterisch als Minderung der Herstellungskosten erfasste. Mit notariellem Vertrag vom 14.12.1995 übertrug die Klägerin das bebaute Grundstück auf die X… GbR. Die Gesellschafter dieser GbR sind identisch mit den Gesellschaftern der X… GmbH & Co. KG in M…, die wiederum alleinige Kommanditistin der Klägerin ist. Den Kaufpreis berechnete die Klägerin gegenüber der GbR gemäß Rechnung vom 30.11.1995 mit insgesamt 3.964.677,31 DM zuzüglich ausgewiesener Umsatzsteuer, wobei auf das Gebäude ein Kaufpreisanteil von 3.481.677,31 DM entfiel, was den Herstellungskosten nach Abzug des Zuschusses entsprach.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung beurteilte der Prüfer diesen Vorgang als Lieferung an eine nahestehende Person, für die die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) anzuwenden sei. Diese entspreche gemäß § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG den Kosten, die 4.248.977,31 DM betragen hätten. Die sich daraus ergebende Umsatzsteuererhöhung betrage 115. 095 DM. Auf Ziffer C. I. des Prüfungsberichts vom 20.11.2000 wird Bezug genommen.

Am 21.04.2000 erteilte die Klägerin der GbR eine berichtigte Rechnung, in der sie den Kaufpreisanteil für das Gebäude mit 4.248.977,31 DM ansetzte.

Gegen den entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1995 legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie sich gegen den Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage und gegen die Zinsfestsetzung wandte. Im Wesentlichen trug sie vor, das vereinbarte Entgelt sei unter Zugrundelegung der einschlägigen Immobilienpreise marktüblich gewesen, außerdem komme die Mindestbemessungsgrundlage zwischen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen nicht zur Anwendung. Die Zinsfestsetzung sei EG-rechtswidrig, da der Besitz einer Rechnung mit Steuerausweis nicht Entstehungsvoraussetzung, sondern lediglich Ausübungsvoraussetzung für den Vorsteueranspruch sei. Da nach Art. 17 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie Umsatzsteuer und Vorsteuer zum gleichen Zeitpunkt entstünden, könne es nicht zu einer Verzinsung der Umsatzsteuer kommen, ein Liquiditätsvorteil sei nicht eingetreten.

Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück und führte im Wesentlichen aus, es erscheine nicht glaubhaft, dass das marktübliche Entgelt genau den um den Zuschuss geminderten Herstellungskosten entspreche. Zudem habe die Klägerin eine geänderte Rechnung ausgestellt, der die Auffassung de...

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