Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung der in Restaurantbetrieben erzielten Umsatzerlöse. Ordnungsmäßigkeit einer Kassenbuchführung. Aufbewahrungspflichten in Zusammenhang mit einer elektronischen Registrierkasse. Kein Ansatz der Nachkalkulation eines Steuerpflichtigen. Ausforschungsbeweis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für eine formell ordnungsgemäße Kassenbuchführung ist erforderlich, dass entweder die Kasseneinnahmen täglich nur in einer Summe in das Kassenbuch eingetragen und das Zustandekommen dieser Summe durch Aufbewahrung der angefallenen Kassenstreifen, Kassenzettel und Kassenbons nachgewiesen wird oder die Einnahmen und Ausgaben anhand eines Kassenberichts nachgewiesen werden, in dem sie mit dem Anfangs- und Endbestand der Kasse abgestimmt werden. Im letzten Fall brauchen die Kassenstreifen, Kassenzettel und Kassenbons nicht aufbewahrt zu werden.

2. Zu den gem. § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO aufzubewahrenden Organisationsunterlagen gehören auch die Bedienungsanleitung und die Dokumentation der Programmierung von Registrierkassen.

3. Wählt das Finanzamt als Methode zur Schätzung von Umsatz und Gewinn eines Restaurants die Nachkalkulation durch Ermittlung des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatzes, setzt dies eine Aufteilung des Wareneinsatzes in mehrere unterschiedlich preiskalkulierte Warengruppen voraus.

4. In Fällen, in denen Aufzeichnungen unrichtig geführt und insbesondere die notwendigen Belege nicht vorgelegt werden können, sind eigene, erst lange nach den streitigen Zeiträumen gefertigte Kalkulationen des Steuerpflichtigen ungeeignet, auch grobe Schätzungen des Finanzamts zu entkräften.

5. Einer beantragten Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachten zur Überprüfung der Richtigkeit der Kalkulation des Steuerpflichtigen und des Nachweises der Fehlerhaftigkeit der Kalkulation des Finanzamts bedarf es nicht, wenn keine Tatsachen benannt werden, deren Richtigkeit durch die beantragte Beweiserhebung erwiesen werden soll, so dass der Beweisantrag als Ausforschungsbeweis unzulässig ist. Mit der Richtigkeit der eigenen Nachkalkulation ist keine dem Beweis zugängliche Tatsache benannt.

 

Normenkette

AO § 162 Abs. 2 S. 2, §§ 158, 146 Abs. 1 S. 2, § 147 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 76 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Die geänderten Bescheide über Umsatzsteuer vom 09.04.2001 über Umsatzsteuer 1995 und 1996, vom 17.05.2001 über Umsatzsteuer 1990 bis 1992, vom 31.05.2001 über Umsatzsteuer 1997 sowie vom 10.07.2001 über Umsatzsteuer 1993 und 1994 und die Einspruchsentscheidung vom 11.01.2002 werden dahingehend geändert, dass der Besteuerung Mehrumsätze zu Grunde zu legen sind, die durch den Ansatz eines Rohgewinnaufschlagsatzes für den Teilbetrieb C von 280 v. H., für den Teilbetrieb D von 310 v. H. sowie für den Teilbetrieb E von 295 v. H. und die Abrundung der so ermittelten Beträge auf volle DM 10.000 zu ermitteln sind. Die Berechnung der festzusetzenden Umsatzsteuer wird dem Beklagten übertragen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 80 v. H. und der Beklagte 20 v. H..

Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Streitig ist die Höhe der in den Restaurantbetrieben der Klägerin erzielten Umsatzerlöse.

Die Klägerin, eine in Liquidation befindliche OHG der Gesellschafter A und B, betrieb in den Streitjahren das im Jahre 1989 eröffnete italienische Restaurant C und die im Folgejahr eröffnete Pizzeria D. Nachdem das C im Jahre 1996 verlegt worden war, wurde in den bisherigen Räumlichkeiten des C für zwei Jahre das Restaurant E betrieben. Mit Wirkung zum 31.12.1999 wurde die Klägerin aufgelöst. Der Gesellschafter B übernahm das C, der Gesellschafter A das D.

Der Beklagte entdeckte im Zuge einer Betriebsprüfung für den Prüfungszeitraum 1995 bis 1997 Unregelmäßigkeiten bei der Kassenführung. Im Rahmen eines eingeleiteten Strafverfahrens wurden Durchsuchungen durchgeführt und Geschäftsunterlagen beschlagnahmt. Ferner wurde der Prüfungszeitraum auf die Veranlagungszeiträume 1989 bis 1994 erweitert. Ihren Abschluss fand die Prüfung durch den Betriebsprüfungsbericht vom 20.03.2001 und den Steuerfahndungsbericht vom 04.05.2001. Die Steuerfahndungsstelle verfasste ferner am 28.08.2001 einen Strafbericht. Nach den Berichten nahmen die Gesellschafter der Klägerin in erheblichem Maße Kassenmanipulationen vor und vernichteten Belege.

Für die zunächst benutzte mechanische Kasse wurden weder Registrierkassenstreifen, Kassenzettel noch Tagesendsummenbons vorgelegt. Für die im C ab 1995 geführte elektronische Kasse, deren Programm speziell auf die Bedürfnisse der Klägerin zugeschnitten war, wurden keine Organisationsunterlagen vorgelegt. Es wurden keine Inventu...

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