rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Vorläufigkeit eines Bescheides

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei Ungewissheit über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm hat der darauf abzielende Vorläufigkeitsvermerk im Zweifel zur Folge, dass alle sachlich damit zusammenhängenden Rechtsfolgen offen gehalten werden sollen.

 

Normenkette

AO § 165 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 3, Abs. 2 S. 1; EStG § 10 Abs. 3 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.02.2004; Aktenzeichen XI R 50/03)

BFH (Urteil vom 26.02.2004; Aktenzeichen XI R 50/03)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Auslegung des Inhalts von sog. Vorläufigkeitsvermerken i.S. von § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), die der Beklagte auf den inzwischen bestandskräftigen Ausgangs-Einkommensteuerbescheiden 1994 bis 1996 hinsichtlich der steuerlichen Berücksichtigung der sog. Vorsorgeaufwendungen der Kläger beigefügt hatte.

Die Kläger sind Eheleute, die vom Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Klägerin erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger, von Beruf Bankkaufmann, war ab 1. März 1994 Vorstandsmitglied einer Bank mit Sitz in Berlin und bezog als solches unstreitig nicht sozialversicherungspflichtige Dienstbezüge. Für seine vorhergehende Angestelltentätigkeit bei einer anderen Bank, die bis zum 28. Februar 1994 dauerte, betrug der Arbeitgeberanteil am Gesamtversicherungsbeitrag im Kalenderjahr 1994 noch 1 953,20 DM. In den unter Mitwirkung von Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellten Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre ließ er die Zeilen in der Anlage N, die in den amtlichen Vordrukken mit "Ergänzende Angaben zu den Vorsorgeaufwendungen" überschrieben sind, unausgefüllt. Er hat damit nicht erklärt, in den Jahren 1994 bis 1996 habe keine gesetzliche Rentenversicherungspflicht und "auch keine Anwartschaft auf Altersversorgung oder eine Anwartschaft nur aufgrund eigener Beitragsleistung" bestanden (in den Einkommensteuerklärungen ab 1997 hat der Kläger das Bestehen einer Anwartschaft auf Altersversorgung ausdrücklich verneint). Die Kläger bezogen im Streitjahr 1994 Bruttoeinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt ... DM zuzüglich einer nicht sozialversicherungspflichtigen Einmalzahlung seitens des ursprünglichen Arbeitgebers des Klägers in Höhe von ... DM.

Der Beklagte kürzte in den Einkommensteuerbescheiden für 1994 bis 1996 den Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - i.d. Fassung der Streitjahre [künftig: EStG]) um jeweils 12 000 DM auf 0 DM. Die Bescheide ergingen nach § 165 Abs. 1 AO 1977 teilweise vorläufig. In den maschinell erstellten Erläuterungen zu den Festsetzungen heißt es u.a.: "Die Steuerfestsetzung ist im Hinblick auf anhängige Verfassungsbeschwerden bzw. andere gerichtliche Verfahren vorläufig hinsichtlich ... der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 EStG) ...".

Mit Schreiben vom 17. März 1999 beantragte der Kläger, unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1994 bis 1996 die Kürzung des Vorwegabzugs auf den Teil zu beschränken, der auf die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit entfiel. Er sei seit 1. März 1994 Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft und stehe als solches nicht in einem sozialversicherungspflichtigem Beschäftigungsverhältnis. Der Beklagte lehnte der Antrag mit Schreiben vom 28. Januar 2000 ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg und wurde vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2000 als unbegründet zurückgewiesen.

Im Rahmen ihrer Klage weisen die Kläger darauf hin, dass zwischen den Beteiligten unstreitig sei, dass das Beschäftigungsverhältnis des Klägers als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft ab 1. März 1994 hinsichtlich der Durchführung des sog. Vorwegabzugs bei den Vorsorgeaufwendungen der Kläger in den bisherigen Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre objektiv unzutreffend bewertet worden sei. Der Beklagte hätte das in der Zeit ab dem 1. März 1994 bezogene Gehalt des Klägers wie das Einkommen eines Selbständigen behandeln müssen. Dieser Fehler könne aber trotz des Eintritts der formellen Bestandskraft der fraglichen Bescheide noch korrigiert werden, weil die Einkommensteuerfestsetzungen bei Auslegung des Inhalts der Vorläufigkeitsvermerke nach dem sog. Empfängerhorizont (Hinweis auf § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) noch änderbar seien. Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. November 1996 X R 20/95, Sammlung der amtlich veröffentlichten Entscheidungen des BFH - BFHE - 183,348, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1997,791 ergebe sich nichts anderes, weil dieser Entscheidung einer anderer Sachverhalt zugrunde gelegen habe (Vorläufigkeitsvermerk des Finanzamts ohne Gesetzeszitat).

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Einkommensteuer 1994 bis 1996 unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 28. Januar Januar 2000 in Gestalt der E...

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