rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Vorprägung des Ermessens bei Antrag auf Erlass von vorsätzlich hinterzogener Tabaksteuer. Beachtung der Antstrengungen zur Abtragung hinterzogener Steuerschulden

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Entscheidung über den Erlass von Tabaksteuer ist wegen Ermessensdefizits rechtswidrig, wenn das FA keine Ermessensabwägungen unternimmt, weil es im Falle der Verurteilung aufgrund Zigarettenschmuggels zu einer Freiheitsstrafe eine Erlasswürdigkeit verneint.

2. Bei der vom FA auch bei vorsätzlicher Steuerhinterziehung im Rahmen eines Erlassantrags zu unternehmenden Gesamtabwägung aller Umstände kommt der Häufigkeit der Zuwiderhandlungen und dem dadurch eingetretenen Steuerschaden ein ganz erhebliches Gewicht zu. Ein mehrjähriges, bereits in der Haftzeit begonnenes Bemühen des Steuerschuldners, die aus den Schmuggeltaten entstandenen Rückstände abzutragen, welches erst mit dem Beginn des dauernden Erhalts von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt eingestellt wird, ist jedoch in die Ermessensabwägungen einzubeziehen.

 

Normenkette

AO §§ 227, 5, 370; TabStG § 21; FGO § 102

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10. März 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. November 2007 verpflichtet, über den Erlassantrag der Klägerin betreffend die im Einfuhrabgabenbescheid vom 14. Mai 1998 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 14. September 2005 festgesetzte Tabaksteuer in Höhe von 45.816,87 EUR erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin schmuggelte zwischen März und Oktober 1997 unversteuerte und unverzollte Zigaretten von … aus in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein, indem sie ihr mit Schmuggelverstecken präpariertes Fahrzeug anlässlich regelmäßig durchgeführter Schmuggelfahrten in … mit Zigaretten befüllen ließ, die sie ohne entsprechende Zollanmeldung und Gestellung in das Bundesgebiet verbrachte, wo sie die Zigaretten an unbekannt gebliebene Dritte auslieferte. Das Landgericht … verurteilte sie wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels in 103 Fällen mit insgesamt 618.000 Stück unversteuerten und unverzollten Zigaretten unter Einbeziehung einer anderen Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, die die Klägerin teilverbüßte.

Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 14. Mai 1998 Einfuhrabgaben i.H.v. 645.719,23 DM gegen die Klägerin für insgesamt 2.618.000 Stück unversteuerte und unverzollte Zigaretten fest. Im Zuge eines dagegen gerichteten Einspruchs setzte der Beklagte die Einfuhrabgaben mit Änderungsbescheid vom 14. September 2005 auf nunmehr 77.934,81 EUR, von denen 45.816,87 EUR auf die Tabaksteuer entfiel, für 618.000 Stück unversteuerte und unverzollte Zigaretten fest.

Die zeitweilig inhaftierte Klägerin zahlte in den Jahren 2001 bis 2004 monatliche Raten in Höhe von zuletzt 65 EUR zur Tilgung der Abgabenschuld. Die letzte Zahlung erfolgte im Dezember 2004. Seit dieser Zeit war die Klägerin mit Ausnahme einer kurzen Unterbrechung als Verkäuferin in einem Imbiss in den Monaten September und Oktober 2007 arbeitslos und erhielt durchgängig, teils ergänzende, Leistungen nach dem SGB II.

Die Klägerin beantragte am 3. Januar 2006 im Hinblick auf ihre Arbeitslosigkeit und den Empfang von Leistungen nach dem SGB II den Erlass der Tabaksteuer. Der Beklagte lehnte den Erlass mit Bescheid vom 10. März 2006 ab. Persönliche Billigkeitsgründe lägen nicht vor. Die Klägerin sei weder erlassbedürftig noch erlasswürdig. Im Hinblick auf ihre schwierige wirtschaftliche Lage sei die Erlassbedürftigkeit zu verneinen. Der Erlass werde nicht zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation führen. Im Übrigen sei sie nicht erlasswürdig, denn sie sei wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung verurteilt worden.

Den am 23. März 2006 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 27. November 2007 zurück. Zur Begründung machte er geltend, die Klägerin sei jedenfalls erlassunwürdig. Sie habe in eindeutiger Weise gegen Interessen der Allgemeinheit verstoßen, indem sie eine vorsätzliche Steuerhinterziehung begangen habe. Insofern müsse nicht weiter aufgeklärt werden, ob sie erlassbedürftig sei. Aus den von ihr bislang beigebrachten Erklärungen und Unterlagen ergebe sich jedenfalls keine Erlassbedürftigkeit.

Die Klägerin hat am 27. Dezember 2007 Klage erhoben. Sie macht geltend, der Beklagte würdige die Umstände des Einzelfalls nur unzureichend. Die Existenzgefährdung folge daraus, dass sie nur über geringe Einkünfte verfüge. Sie sei nicht einmal in der Lage, die laufenden Zinsen der offenen Steuerforderung zu entrichten, geschweige denn Leistungen auf die Hauptforderung erbringen...

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