rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung der Kosten eines Bevollmächtigten im Einspruchsverfahrens durch die Familienkasse bei widersprüchlicher Bescheidlage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Drängt die Familienkasse den Kindergeldberechtigten ohne ausreichende Anhörung und Sachverhaltsermittlung hinsichtlich der Voraussetzungen der weiteren Kindergeldgewährung für ein volljähriges Kind in ein Einspruchsverfahren, muss sie die sich daraus ergebenden Kosten tragen.

2. Belastet die Familienkasse den Kindergeldberechtigten durch eine widersprüchliche Bescheidlage in verfahrensrechtlicher Hinsicht mit erheblichen Unsicherheiten, hat sie auch die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten zu tragen, da dessen Zuziehung zur Einlegung und Begründung des Einspruchs notwendig war.

 

Normenkette

EStG § 77 Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 2, § 70 Abs. 2; AO § 91 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Kostenentscheidung vom 23. Oktober 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 18. November 2008 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Klägers einschließlich der Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten für erstattungsfähig zu erklären.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist wegen der dem Kläger zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 EUR, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 EUR, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten eines Einspruchsverfahrens (Vorverfahrens) wegen der Aufhebung von Kindergeld.

Der Kläger (Kl) ist libanesischer Staatsbürger. Er wohnt mit seiner Ehefrau und den sechs gemeinsamen Kindern, unter denen sich auch die am 10. August 1989 geborene Tochter X. befindet, seit 1990 in Deutschland. Die Tochter X. besuchte im Schuljahr 2007/2008 das Berufseinstiegsjahr in der Klasse „…” der …schule in A…

Der Kl reichte am 24. Juli 2008 bei der für ihn zuständigen beklagten Familienkasse (der Beklagten – Bekl –) einen Antrag auf Kindergeld für seine sechs Kinder ein. Dem Antrag fügte er die erforderlichen Unterlagen einschließlich einer Haushaltsbescheinigung für alle Kinder und einer Schulbescheinigung für die Tochter X. vom 11. Juni 2008 bei, aus der sich ergab, dass der Schulbesuch der Tochter „voraussichtlich am 23.07.2008” enden werde.

Bei Bearbeitung dieses Antrags nahm die Bekl Verbindung mit dem Regionalen Job-Center Z. des Landkreises A. (Job-Center) auf. Grund hierfür war, dass der Kl seit 2005 Grundsicherung für Arbeitssuchende gemäß §§ 7 ff. des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) bezog und dem Job-Center daher unter Umständen Erstattungsansprüche gegen die Bekl aufgrund seiner an den Kl bereits erbrachten Vorleistungen zustanden. Im Zuge der Prüfung dieser Ansprüche teilte die Sachbearbeiterin des Job-Centers, Frau V…, am 21. August 2008 der Sachbearbeiterin der Bekl telefonisch mit, dass sich die Tochter des Kl X. derzeit auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle befinde.

Mit Bescheid vom gleichen Tage, zur Post gegeben am Folgetag, dem 22. August 2008, setzte die Bekl ab Mai 2008 Kindergeld für die sechs Kinder des Kl – unter ihnen auch für die Tochter X. – in Höhe von 999 EUR monatlich fest. Mit weiterem Bescheid vom 21. August 2008, zur Post gegeben ebenfalls am Folgetag, hob die Bekl die Festsetzung des Kindergelds für die Tochter X. unter Berufung auf § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetztes (EStG) ab August 2008 auf und führte zur Begründung an, dass das Kind die Schule beendet habe, sich somit nicht mehr in Ausbildung befinde und daher – da es zudem volljährig sei – mangels Erfüllens der besonderen Anspruchsvoraussetzungen nicht mehr berücksichtigt werden könne. Daneben versandte die Bekl ebenfalls am 22. August 2008 ein gleichfalls auf den 21. August 2008 datiertes Schreiben an den Kl, demzufolge über dessen Anspruch auf Kindergeld ab August 2008 für das Kind X. noch nicht bzw. noch nicht endgültig entschieden werden könne, weil noch bestimmte Unterlagen – nämlich eine Mitteilung laut Vordruck über ein Kind ohne Ausbildungs- und Arbeitsplatz und Nachweise über eigene Bemühungen um einen Ausbildungsplatz ab August 2008 – fehlten. Dieses Schreiben enthält daneben die Bitte um Erledigung bis zum 30. September 2008 und den Hinweis, dass der Antrag auf Kindergeld abgelehnt werden müsse, wenn eine ausreichende Antwort des Kl auf diese Bitte nicht rechtzeitig eingehe.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten – eines Rechts...

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