Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinterziehungszinsen bei verschwiegenen Einkünften aus umsatzsteuerpflichtiger Vermietung. hinterzogene Steuer als Bemessungsgrundlage. keine Kürzung der hinterzogenen Einkommensteuer aufgrund der Abführung von Umsatzsteuer in späteren Veranlagungszeiträumen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hinterzogene Steuer i. S. v. § 235 AO ist die Steuer, welche das FA bei zutreffender Kenntnis der Sachlage festgesetzt hätte. Der Steuerbescheid ist insoweit kein Grundlagenbescheid; vielmehr ist für Zwecke der Berechnung der Hinterziehungszinsen die materiell zutreffende Steuer zu ermitteln.

2. Im Rahmen der Überschusseinkünfte ist die abgeführte Umsatzsteuer gem. § 11 EStG erst zum Zeitpunkt ihrer Zahlung als Werbungskosten abzugsfähig; für eine Berücksichtigung als „fiktive Werbungskosten” in einem früheren Veranlagungszeitraum besteht keine Rechtsgrundlage.

3. Eine Rückstellung für hinterzogene Steuern darf erst in dem Zeitraum gebildet werden, in dem mit einer Rückforderung ernsthaft gerechnet werden muss.

4. Die vorgebliche „doppelte” Verzinsung sowohl der Einkommensteuernachzahlung als auch der Umsatzsteuernachzahlung aufgrund der Hinterziehung stellt eine sachgerechte und systemimmanente Abschöpfung der Zinsvorteile aufgrund der Hinterziehung dar.

 

Normenkette

AO § 235; EStG §§ 21, 11 Abs. 2, § 4 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 12.04.2018; Aktenzeichen IX B 123/17)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Höhe der festgesetzten Hinterziehungszinsen für die Veranlagungszeiträume 2002 sowie 2004-2008.

Die Klägerin wurde in den Streitjahren mit ihrem zwischenzeitlich geschiedenen Ehemann gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Mit Selbstanzeige vom 23. Oktober 2010 erklärten die Eheleute Einkünfte aus einer umsatzsteuerpflichtigen Vermietung für die Jahre 2002 und 2004-2008 nach. Der Beklagte erließ daraufhin entsprechend der nacherklärten Einkünfte geänderte Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide. Die sich aufgrund der Selbstanzeige ergebenden Umsatzsteuernachzahlungen in Höhe von insgesamt 53.813 EUR zahlten die Eheleute in den Jaher n 2010 und 2011.

Mit Bescheid vom 28. Januar 2015 setzte der Beklagte Hinterziehungszinsen auf die hinterzogenen Steuern fest. Bei der Ermittlung der hinterzogenen Steuern ermittelte der Beklagte die Höhe der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung von § 11 Einkommensteuergesetz (EStG). Die Umsatzsteuernachzahlung ließ er dementsprechend sowohl bei der Ermittlung der Höhe der Einkünfte und der so hinterzogenen Steuer (insoweit unstreitig zutreffend) als auch bei der Ermittlung der Höhe der Hinterziehungszinsen unberücksichtigt.

Gegen den Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 28. Januar 2015 erhob die Klägerin mit Schreiben vom 1. Februar 2015 Einspruch, mit dem sie – soweit jetzt noch streitgegenständlich – vortrug, bei Ermittlung der Höhe der festzusetzenden Hinterziehungszinsen müsse auch die im jeweiligen Veranlagungszeitraum hinterzogene Umsatzsteuer, welche erst in den Jahren 2010/2011 gezahlt worden sei, einkünftemindernd als Werbungskosten berücksichtigt werden. Anderenfalls käme es zu einer doppelten Festsetzung von Hinterziehungszinsen sowohl auf die hinterzogene Umsatzsteuer als auch auf die hinterzogene Einkommensteuer. Hinterziehungszinsen hätten jedoch keinen Strafcharakter, sondern sollten lediglich unberechtigte Zinsvorteile gegenüber steuerehrlichen Bürgern abschöpfen. Im Übrigen käme es bei einer Nichtberücksichtigung der Umsatzsteuer zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber gewerblichen Einkünften mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG, bei denen die Umsatzsteuer als Rückstellung gewinnmindernd zu berücksichtigen sei. Zur Unterstützung ihrer Auffassung berief sich die Klägerin insbesondere auf das Urteil des BFH vom 28. März 2012 II R 39/10.

Mit Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2015 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zu dem nun noch streitrelevanten Vortrag führte der Beklagte aus, dass die Berechnung der hinterzogenen Steuern der Rechtslage, insbesondere § 11 EStG, entspreche. Das von der Klägerin zitierte Urteil des BFH sei nicht einschlägig, da in diesem Urteil die Steuer tatsächlich herabgesetzt worden sei.

Mit ihrer hiergegen am 18. Juli 2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin unter Wiederholung ihrer Rechtsauffassung ihr Interesse weiter.

Mit Gerichtsbescheid vom 14. August 2017, auf den wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat der Senat die Klage als unbegründet zurückgewiesen.

Hierauf hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 6. September 2017 mündliche Verhandlung beantragt und mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2017 in Hinblick auf die Gründe des Gerichtsbescheides ihre Rechtsauffassung erneut eingehend dargelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen vom 28. Januar 2015 in Gestalt der Einspru...

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