Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Niederlassungsfreiheit. Grenzüberschreitende Umwandlung einer Gesellschaft. Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes einer Gesellschaft ohne Verlegung des tatsächlichen Sitzes. Ablehnung der Löschung im Handelsregister. Nationale Regelung, die die Löschung im Handelsregister davon abhängig macht, dass die Gesellschaft am Ende eines Liquidationsverfahrens aufgelöst wird. Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Schutz der Interessen der Gläubiger, der Minderheitsgesellschafter und der Arbeitnehmer. Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken

 

Beteiligte

POLBUD – WYKONAWSTWO

POLBUD – WYKONAWSTWO

 

Tenor

1. Die Art. 49 und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass die Niederlassungsfreiheit für die Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat gilt, durch die diese unter Einhaltung der dort geltenden Bestimmungen ohne Verlegung ihres tatsächlichen Sitzes in eine dem Recht dieses anderen Mitgliedstaats unterliegende Gesellschaft umgewandelt werden soll.

2. Die Art. 49 und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die die Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat, durch die sie unter Einhaltung der dort geltenden Bestimmungen in eine dem Recht dieses anderen Mitgliedstaats unterliegende Gesellschaft umgewandelt werden soll, von der Auflösung der ersten Gesellschaft abhängig macht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Najwyższy (Oberster Gerichtshof, Polen) mit Entscheidung vom 22. Oktober 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Februar 2016, in dem Verfahren auf Antrag der

Polbud – Wykonawstwo sp. z o.o., in Liquidation,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidenten T. von Danwitz, J. L. da Cruz Vilaça, A. Rosas, J. Malenovský und E. Levits, der Richter E. Juhász, A. Borg Barthet und D. Šváby, der Richterinnen M. Berger und K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie des Richters M. Vilaras,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Polbud – Wykonawstwo sp. z o.o., vertreten durch A. Gorzka-Augustynowicz, radca prawny,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und M. Hellmann als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und B. Trefil als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo und F. de Figueiroa Quelhas als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls, L. Malferrari und J. Hottiaux als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 4. Mai 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 und 54 AEUV.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Klage der Polbud Wykonawstwo sp. z o.o. (im Folgenden: Polbud) gegen die Entscheidung, mit der ihr Antrag auf Löschung im polnischen Handelsregister, den sie nach der Verlegung ihres Gesellschaftssitzes nach Luxemburg gestellt hatte, abgelehnt wurde.

Polnisches Recht

Gesetzbuch über die Handelsgesellschaften

Rz. 3

Art. 270 des polnischen Kodeks spółek handlowych (Gesetzbuch über die Handelsgesellschaften, im Folgenden: KSH) vom 15. September 2000 in geänderter Fassung (Dz. U. 2013, Nr. 1030) bestimmt:

„Die Gesellschaft wird aufgelöst durch:

Rz. 2.

einen Beschluss der Gesellschafter über die Auflösung der Gesellschaft oder über die Verlegung des Sitzes der Gesellschaft ins Ausland, der durch ein notariell erstelltes Protokoll bestätigt wird;

…”

Rz. 4

Art. 272 KSH lautet:

„Die Auflösung der Gesellschaft erfolgt nach Durchführung der Liquidation mit der Löschung der Gesellschaft im Register.”

Rz. 5

Art. 288 KSH sieht vor:

„§ 1 Nach der Genehmigung der Abschlussbilanz durch die Gesellschafterversammlung (Liquidationsbericht), wobei als Stichtag der Tag vor der Verteilung des nach der Befriedigung oder Absicherung der Gläubiger verbleibenden Vermögens zwischen den Gesellschaftern gilt, und nach der Beendigung des Liquidationsverfahrens geben die Liquidatoren diese Bilanz am Sitz der Gesellschaft bekannt und legen sie dem Registergericht zusammen mit dem Antrag auf Löschung der Gesellschaft vor.

§ 3 Die Bücher und Unterlagen der aufgelösten Gesellschaft werden einer im Gesellschaftsvertrag oder in einem Gesellschafterbeschluss benannten Person zur Verwahrung übergeben. Wurde keine Person benannt, bestimmt das Registergericht den Verwahrer.

…”

Rz. 6

Die Art. 551 bis 568 KSH bet...

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