Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Gleichbehandlung beim Zugang zu Leistungen der sozialen Sicherheit. Aufenthaltsrecht. Nationale Regelung, die Kindergeld und die Steuergutschrift für Kinder den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, die sich nicht rechtmäßig im Inland aufhalten, verweigert

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Art. 4; Richtlinie 2004/38/EG

 

Beteiligte

Kommission / Vereinigtes Königreich

Europäische Kommission

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 27. Juni 2014,

Europäische Kommission, vertreten durch D. Martin und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch M. Holt und J. Beeko als Bevollmächtigte im Beistand von J. Coppel, QC,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs A. Tizzano in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richter F. Biltgen und E. Levits, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) sowie des Richters S. Rodin,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juni 2015,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Oktober 2015

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland mit dem Erfordernis, dass Personen, die Kindergeld oder eine Steuergutschrift für Kinder beantragen, ein Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich haben müssen, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, Berichtigung im ABl. 2004, L 200, S. 1) verstoßen hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 883/2004

Rz. 2

Art. 1 Buchst. j und z der Verordnung Nr. 883/2004 enthält folgende Definitionen:

„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

j) ‚Wohnort’ den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person;

z) ‚Familienleistungen’ alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I.”

Rz. 3

Art. 3 Abs. 1 Buchst. j dieser Verordnung sieht vor:

„1.

Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

j) Familienleistungen.”

Rz. 4

Art. 4 „Gleichbehandlung”) der genannten Verordnung bestimmt:

„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.”

Rz. 5

In Art. 11 Abs. 1 und 3 der Verordnung heißt es:

„(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

e) jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats.”

Rz. 6

Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 bestimmt:

„Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. …”

Verordnung (EG) Nr. 987/2009

Rz. 7

Die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2009, L 284, S. 1) sieht in Art. 11 „Bestimmung des Wohnortes”) vor:

„(1) Besteht eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Trägern von zwei oder mehreren Mitgliedstaaten über die Feststellung des Wohnortes einer Person, für die die Grundverordnung gilt, so ermitteln diese Träger im gegenseitigen Einvernehmen den Mittelpunkt der Interessen dieser Person und stützen sich dabei auf eine Gesamtbewertung aller vorliegenden Angaben zu den einschlägigen Fakten, wozu gegebenenfalls die Folgenden gehören können:

  1. Dauer und Kontinuität des Aufenthalts im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats;
  2. die Situation der Person, einschließlich

    i) der Art und der spezifischen Merkmale jeglicher ausgeübten Tätigkeit, insbesondere des Ortes, ...

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