Leitsatz

1. Die Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde ist materiell-rechtliche Abzugsvoraussetzung für die Begünstigung nach § 7h EStG und Grundlagenbescheid. Sie ist objektbezogen auszustellen.

2. Die Bindungswirkung der Bescheinigung erstreckt sich auf die in § 7h Abs. 1 EStG genannten Tatbe­standsmerkmale.

3. Der Regelungsinhalt der Bescheinigung ist im Wege der Auslegung unter ergänzender Heranziehung der Auslegungsregeln des BGB zu ermitteln.

4. Auch Aufwendungen für eine Eigentumswohnung, mit der neuer Wohnraum geschaffen wurde, können materiell-rechtlich begünstigt sein, wenn und soweit sie sich auf den Altbaubestand beziehen und die Voraussetzungen des § 7h Abs. 1, 2 EStG erfüllen. Es ist unerheblich, ob und mit welchem Anteil die begünstigten Aufwendungen das Sondereigentum oder das Gemeinschaftseigentum betreffen.

 

Normenkette

§ 7h, § 7, § 7i, § 10f EStG, § 162 Abs. 5, § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 180 Abs. 2 AO, VO zu § 180 Abs. 2, § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO, § 177 BauGB, § 1, § 3, § 5 Abs. 2, § 8 WEG, § 3, § 4 FördG

 

Sachverhalt

Die Kläger erwarben 2009 eine ETW, die Teil eines umfassenden Modernisierungsprojekts in einem Sanierungsgebiet war. Die ETW wurde als Penthouse auf die vorhandene Altbausubstanz neu aufgebaut. Das zu der Wohnung gehörende Gemeinschaftseigentum gehörte zur Altbausubstanz. Die Gemeinde stellte eine Bescheinigung gemäß § 7h bzw. § 10f EStG aus, in der u.a. bestätigt, wurde, dass die anteilig durchgeführten Modernisierungsaufwendungen im Gebäude zu nachgewiesenen begünstigten Bruttobauaufwendungen i.S.d. § 7h bzw. § 10f EStG i.H.v. circa 30.000 EUR geführt hätten. Das FA stellte gemäß § 180 Abs. 2 AO i.V.m. der VO zu § 180 Abs. 2 AO und § 7h, § 10f EStG für 2008 bis 2011 für die Kläger keine Bemessungsgrundlage für § 7h, § 10f EStG fest.

Nach erfolglosem Einspruch hat das FG die Klage abgewiesen. Die Aufwendungen der Kläger seien nicht begünstigt, da es sich um Anschaffungskosten für einen Neubau handele. Eine Begünstigung der anteilig zu tragenden Modernisierungskosten an der im Gemeinschaftseigentum stehenden (denkmalgeschützten) Gebäudesubstanz nach § 7h EStG sei nicht möglich. Die Anschaffungskosten des ­Sondereigentums einerseits und des Miteigentumsanteils am Gemeinschaftseigentum andererseits könnten nicht aufgespalten werden, da ein einheitliches Wirtschaftsgut "Eigentumswohnung" vorliege (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.2.2016, 5 K 11194/13, Haufe-Index 9691573, EFG 2016, 1591).

 

Entscheidung

Die Revision der Kläger hatte aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen Erfolg.

 

Hinweis

1. Zunächst bestätigt der BFH in diesem Urteil erneut die Bindungswirkung der gemeindlichen Bescheinigung, mit der die Voraussetzungen des § 7h Abs. 1 EStG für das Gebäude und die Maßnahmen nachgewiesen werden. Sie ist materiell-rechtliche Abzugsvoraussetzung für die Begünstigung des § 7h EStG und Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.

Die Bindungswirkung der Bescheinigung erstreckt sich auf die in § 7h Abs. 1 EStG benannten Tatbestandsmerkmale, nämlich auf die Feststellung, ob das Gebäude in einem Sanierungsgebiet gelegen ist, ob Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S.d. § 177 BauGB bzw. Maßnahmen i.S.d. § 7h Abs. 1 Satz 2 EStG durchgeführt und ob Zuschüsse aus Sanierungs- oder Entwicklungs­fördermitteln gewährt worden sind. Allein die ­Gemeinde prüft, ob Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S.d. § 177 BauGB durchgeführt wurden, und entscheidet nach Maßgabe des BauGB, wie die Begriffe "Modernisierung" und "Instandsetzung" zu verstehen sind und ob darunter auch ein Neubau in bautechnischem Sinne zu subsumieren ist.

2. Das bedeutet: Hat die Bescheinigungsbehörde nach Maßgabe dieser Auslegung eine bindende Entscheidung über eine der in § 7h Abs. 1 EStG genannten Voraussetzungen getroffen, hat das FA diese im Besteuerungsverfahren ohne weitere Rechtmäßigkeitsprüfung zugrunde zu legen, es sei denn, sie wäre nach § 125 AO nichtig und deshalb unwirksam. Hat die Behörde über eine der Voraussetzungen des § 7h Abs. 1 EStG hingegen keine bindende oder keine Entscheidung getroffen, führt dies nicht zu einem Heimfall der Prüfungsbefugnis an das FA, sondern bedeutet lediglich, dass die in § 7h Abs. 2 EStG geforderte Bescheinigung nicht vorliegt.

3. Die eigentliche Bedeutung dieses Besprechungsurteils liegt m.E. in den Ausführungen des BFH zu den gemäß § 7h EStGförderungsfähigen Aufwendungen für Eigentumswohnungen. Diese Aussagen sind zwar streng genommen obiter dicta, der BFH sieht sie aber als so wichtig an, dass er sie in den 4. Leitsatz aufgenommen hat.

BFH ermöglicht die Begünstigung von Investitionen, die ausschließlich Sonder- oder Gemeinschaftseigentum betreffen

Nach Auffassung des BFH ist es – im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung einiger FG (vgl. z. B. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.11.2010, 2 K 3060/06 B, Haufe-Index 2643875, EFG 2011, 955; FG Sachsen-Anhalt, Urteil, vom 27.2.2013, Haufe-Index 5062890) –...

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