Leitsatz

1. Im Falle der Beteiligung des Insolvenzschuldners an einer Personengesellschaft ist es zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ausreichend, wenn die Beteiligung im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehörte und die Einkünfte hieraus nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielt wurden.

2. Diese Rechtsgrundsätze gelten im Falle einer treuhänderisch gehaltenen Beteiligung des Insolvenzschuldners an einer Personengesellschaft entsprechend, wenn die auf die Treuhand-Gesellschafter entfallenden Gewinnanteile an der Personengesellschaft auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin steuerrechtlich dem Insolvenzschuldner als Mitunternehmer zuzurechnen sind.

3. Werden in einem bestandskräftigen Feststellungsbescheid die Gewinnanteile der Treuhand-Gesellschafter trotz des Insolvenzverfahrens weiterhin dem Insolvenzschuldner als Mitunternehmer steuerlich zugerechnet, so ist aufgrund der Bindungswirkung dieses Grundlagenbescheids für das Einkommensteuerverfahren vom Fortbestand des Treuhandverhältnisses auszugehen.

4. Die Bindungswirkung der für die Personengesellschaft und die Treuhand ergangenen Feststellungsbescheide erstreckt sich nicht auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 InsO, die daher im Einkommensteuerverfahren eigenständig zu prüfen sind.

 

Normenkette

§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners B. B war – über Familienmitglieder – treuhänderisch an der B-KG beteiligt. Im Streitjahr 2010 wurde ihm durch einen bestandskräftigen Feststellungsbescheid ein Gewinnanteil der B-KG i.H.v. 99.000 EUR zugerechnet. Zudem erzielte B Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Die Treuhandverträge wurden dem Kläger erst Mitte März 2010 bekannt. Eine Freigabe erklärte er nicht.

Mit dem Einkommensteuerbescheid für 2010 setzte das FA Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit fest. Dabei legte es die einheitlich und gesondert festgestellten Beteiligungseinkünfte der B-KG sowie Einkünfte des B gemäß § 19 EStG zugrunde. Den Bescheid richtete es an den Kläger als Insolvenzverwalter für B. Nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren gab das FG der Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 21.7.2016, 11 K 613/13 E, Haufe-Index 9907368, EFG 2016, 1906).

 

Entscheidung

Die Revision des FA war aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen begründet und führte zur Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils und zur Abweisung der Klage in dem vom FA beantragten Umfang.

 

Hinweis

1. Der bestandskräftige Feststellungsbescheid einer Personengesellschaft ist als Grundlagenbescheid gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für den an den Insolvenzverwalter für den Insolvenzschuldner gerichteten Einkommensteuerbescheid als Folgebescheid bindend. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die Feststellungen, dass bestimmte Anteile am Gewinn der Personengesellschaft dem Insolvenzschuldner als Mitunternehmer zugerechnet werden und dass dieser insoweit Einkünfte aus Gewerbebetrieb in einer bestimmten Höhe erzielt hat.

2. Die Bindungswirkung der Feststellungsbescheide erstreckt sich jedoch nicht auf die Frage, ob eine Masseverbindlichkeit gegeben ist. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 InsO sind im Einkommensteuerverfahren eigenständig zu prüfen.

3. Im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits begründete Steueransprüche sind zur Insolvenztabelle anzumelden. Nach Insolvenzeröffnung begründete Steueransprüche, die als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 InsO zu qualifizieren sind, sind gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festzusetzen. Alle sonstigen Ansprüche sind insolvenzfrei.

Die einheitliche Einkommensteuerschuld ist ggf. in eine Insolvenzforderung, eine Masseforderung und eine insolvenzfreie Forderung aufzuteilen, wobei über die Zuordnung der Einkommensteuerschuld zu den unterschiedlichen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien nicht im einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren, sondern erst im Einkommensteuerfestsetzungsverfahren zu entscheiden ist.

4. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Entscheidend ist dabei nach ständiger BFH-Rechtsprechung, ob und wann ein Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit die Steuerforderung insolvenzrechtlich begründet worden ist.

Dies richtet sich allein nach steuerrechtlichen Grundsätzen. Für die insolvenzrechtliche Begründung des Einkommensteueranspruchs kommt es deshalb darauf an, ob der einzelne (unselbstständige) Besteuerungstatbestand, insbesondere die Erzielung von Einkünften, vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde. Entscheidend ist, wann der Tatbestand, an den die Besteuerung knüpft, vollständig verwirklicht ist.

Auf die steuerrechtliche Entstehung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und deren Fälligkeit kommt es dagegen nicht an.

5. Im Hin...

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