Am Beispiel des vom Institut Industrial Management erarbeiteten und bereits vielfach bei Unternehmen eingesetzten Konzeptes einer Digitalisierungs-Roadmap wird in weiterer Folge ein praxisorientiertes Vorgehen beschrieben. (s. Abb. 1)[1] Die 3 Phasen der Roadmap – Analyse, Ziele und Umsetzung – sind in 6 Teilschritte unterteilt, die sequenziell zu durchlaufen sind, um systematisch die aktuelle Digitalisierungs-/Industrie 4.0-Reife im Unternehmen fest-, und die Definition von Soll-Zuständen und Maßnahmen sicherzustellen.

Abb. 1: Beispiel für eine Digitalisierungs-Roadmap (Roadmap Industrie 4.0)

In das Vorgehensmodell eingebettet sind Reifegradmodelle für die 5 Handlungsfelder Einkauf, Produktion, Intralogistik, Vertrieb und Mensch. Diese Handlungsfelder sind aus dem Ansatz der Wertstromanalyse abgeleitet und fokussieren auf die interne vertikale und die unternehmensübergreifende horizontale IT-Integration, weil gerade hier in vielen Unternehmen wesentliche Potentiale der Digitalisierung zu heben sind: Effizienz, Flexibilität und neue Geschäftsmodelle. Das ergänzende Reifegradmodell Mensch ist handlungsfeldübergreifend und deckt die notwendigen Kompetenzen und organisatorischen Anforderungen ab. Dieses wurde separat dargestellt, um die Position und Relevanz des Menschen als zentralen Bestandteil bei Industrie 4.0 zu unterstreichen.

[1] Vgl. zu diesen Ausführungen Tschandl/Pessl/Baumann, 2017, S. 20 ff.

3.2.1 Schritt 1: Startworkshop

Ein typisches Roadmap-Projekt beginnt in einem ersten Schritt mit einem Startworkshop, in dem neben inhaltlichen Impulsen eine Reihe von Digitalisierungsbeispielen aus anderen Unternehmen präsentiert werden, um das Thema greifbarer zu machen und den erzielbaren Nutzen durch die Anwendung von (neuen) Technologien aufzuzeigen. Im Startworkshop muss auch der Umfang des geplanten Vorhabens – die Anzahl an der zu behandelnden Handlungsfelder – definiert und das Projekt allen Beteiligten vermittelt werden. Das bindet die Mitarbeiter frühzeitig in den Change-Prozess ein und sichert den Transformationsprozess zu Industrie 4.0 nachhaltig ab. In diesem ersten Schritt werden auch die bestehenden Geschäftsmodelle visualisiert und hinterfragt, wofür sich methodisch beispielsweise der St. Galler Business Model Navigator, das Business Model Canvas oder das 3C-Modell[1] eignen.

[1] Vgl. Merz 2016, S. 83-110.

3.2.2 Schritt 2: Industrie 4.0-Reifegrad erheben

Im zweiten Schritt geht es darum, mit Reifegradmodellen die Industrie-4.0-Reife zu erheben. Dabei können je nach Projektdefinition aus Schritt 1 einzelne, mehrere oder alle Handlungsfelder inkludiert werden:

  • Einkauf mit den strategischen Überlegungen im Einkauf sowie den operativen Prozessen von der Bedarfsentstehung bis zur Deckung.
  • Produktion inklusive Produktionsplanung und -steuerung sowie Produktplanung und -realisierung.
  • Intralogistik beinhaltet strategische Themenstellungen der Intralogistik sowie die operativen Prozesse von der Warenanlieferung bis zur Verladung und Übergabe.
  • Vertrieb umfasst auch strategische Vertriebsthemen sowie die operativen Prozesse von Marketing und Presales bis After Sales.
  • Mensch beinhaltet Faktoren wie Akzeptanz und Anwendung neuer Technologien, sowie Kompetenzen und Prozessorientierung.

Die Reifegradmodelle sind so aufgebaut, dass für die einzelnen Handlungsfelder spezifische Fragenkataloge entwickelt wurden. Für jede Fragestellung sind jeweils fünf Reifestufen formuliert, die aufeinander aufbauen und mit steigenden Reifestufe an Umfang, Strukturierung und IT-Nutzung zunehmen.

Das heißt, Stufe 1 beschreibt einen Zustand mit wenig bis keiner IT-Nutzung und sehr ad hoc gesteuerten Prozessen. Ab Stufe 3 wird, soweit möglich, ein Enterprise-Resource-Planning-(ERP)-System verwendet. Zusätzlich laufen die Prozesse strukturiert und geplant ab, und es muss nicht mehr ad hoc auf Ereignisse reagiert werden. In der Stufe 4 werden die vorhandenen Möglichkeiten aktueller, spezifischer IT-Systeme wie Supplier Relationship Management (SRM) für den Einkauf, Manufacturing Execution System (MES) für die Produktion, Customer Relationship Management (CRM) für den Vertrieb und Warehouse Management System (WMS) für die Intralogistik ausgenutzt. Stufe 5 stellt die maximale Ausprägung dar – einen teilweise noch visionären Ansatz auf Basis möglicher Digitalisierungstechnologien.

Unternehmen ermitteln in Workshops mit den wesentlichen Mitarbeitern je Handlungsfeld durch Selbstbewertung oder moderierte Assessments ihren Reifegrad, indem für jedes Kriterium die vorhandene Ausprägungsstufe diskutiert und dargestellt wird. Je stärker die einzelnen Kriterien ausgeprägt sind, desto höher ist der Reifegrad im Unternehmen.[1]

[1] Vgl. Allweyer/Knuppertz, 2009, S. 4 ff.

3.2.3 Schritt 3: Soll-Zustand je Handlungsfeld definieren

Im dritten Schritt wird der Soll-Zustand je Handlungsfeld von ausgewählten Expertengruppen im Unternehmen selbständig definiert. Diese Gruppen müssen erörtern, welche zukünftigen Soll-Zustände erreicht werden müssen, damit deren Fachbereiche einen Beitrag zur Erfüllung der geplanten Industrie 4.0-Strategie leistet. Die Reifegradmodelle der jeweiligen Handlungsfelder d...

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