Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsrechtliche Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses bei unbezahltem Urlaub. Leistungsansprüche nach RVO $ 214 bei Auslandsaufenthalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein unbezahlter Urlaub, der von vornherein für länger als 3 Wochen vereinbart ist, beendet das Versicherungsverhältnis in der sozialen Krankenversicherung mit dem Ablauf der entgeltlichen Beschäftigung.

2. Das Abk Türkei SozSich ändert nicht den Ausschluß nachwirkender Versicherungsleistungen ins Ausland (RVO § 214 Abs 3).

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Anspruch nach RVO § 214 ist bei Aufenthalt im Ausland auch dann gemäß RVO § 214 Abs 3 Halbs 2 ausgeschlossen, wenn mit dem in Betracht kommenden Staat ein Sozialversicherungsabkommen besteht, es sei denn, daß das Sozialversicherungsabkommen oder die Satzung der Krankenkasse etwas anderes bestimmen; das SozSichAbk TUR, insbesondere dessen Art 13 Abs 1, enthält eine solche ändernde Bestimmung nicht. 1. Unter dem Begriff "Ausland" iS des RVO § 214 Abs 3 Halbs 2 sind Gebiete außerhalb des Geltungsbereichs der RVO zu verstehen.

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1956-06-12, § 214 Abs. 3 Hs. 2 Fassung: 1930-07-26; SozSichAbk TUR; SozSichAbk TUR Art. 13 Abs. 1

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. November 1970 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Krankengeld wegen einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines Unfalls, den der Kläger während eines unbezahlten Urlaubs in der Türkei erlitten hatte.

Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) ist der Kläger türkischer Staatsangehöriger. Er war seit 1961 bei der Firma B in E beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse. Für eine Reise in seine Heimat bewilligte ihm sein Arbeitgeber den zustehenden Jahresurlaub für die Zeit vom 21. Juli bis zum 3. August 1966 und unbezahlten Urlaub für die anschließende Zeit vom 4. August bis zum 26. August 1966. Die Firma B meldete den Kläger am 3. August 1966 bei der Beklagten ab. Ein entsprechendes Schreiben händigte sie dem Kläger zur Vorlage bei der Beklagten aus.

Am 18. August 1966 erlitt der Kläger in der Türkei bei einem Verkehrsunfall einen Speichenbruch des linken Armes und mußte dort ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen. Die Krankenkasse, Direktion der Abteilung I, teilte der Beklagten am 2. November 1966 auf deren Anfrage hin mit, daß der Kläger seit dem 18. August 1966 arbeitsunfähig sei. Am 27. September 1966 attestierte der Facharzt für Chirurgie Dr. B in E dem Kläger Arbeitsunfähigkeit seit dem Zeitpunkt. Am 31. Oktober 1966 war der Kläger wieder arbeitsfähig.

Den Antrag des Klägers, ihm Leistungen aus der Krankenversicherung zu gewähren, lehnte die Beklagte mit den Bescheider vom 6. Dezember 1966 und 1. März 1967 ab, weil der Kläger seit dem 3. August 1966 wegen eines unbezahlten Urlaubs bei ihr abgemeldet und der Versicherungsfalls erst danach eingetreten sei. Das ergebe sich aus Art. 13 Abs. 1 des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens und aus § 214 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO).

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat das Sozialgericht Stuttgart dem Kläger einen Krankengeldanspruch für die Zeit vom 27. August bis zum 30. Oktober 1966 zuerkannt, weil nur bei weiter Auslegung des § 214 Abs. 1 RVO ein umfassender Versicherungsschutz gewährleistet sei, wie ihn das deutschtürkische Abkommen erstrebe.

Auf die zugelassene Berufung der Beklagten hat das LSG Baden-Württemberg mit dem Urteil vom 27. November 1970 die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen: Dem Kläger stehe kein Leistungsanspruch zu, weil aufgrund des drei Wochen überschreitenden unbezahlten Urlaubs ein Versicherungsverhältnis nicht mehr bestanden und der Auslandsaufenthalt zum Wegfall eines etwaigen nachwirkenden Leistungsanspruchs geführt habe. Das deutsch-türkische Abkommen ändere an dieser Rechtslage nichts, denn Art. 13 Abs. 1 beziehe sich nur auf Sofortleistungen, mithin nicht auf Krankengeld, und Art. 16 enthalte überhaupt keine spezifische materielle Regelung.

Der Kläger stützt die zugelassene Revision darauf, daß sein Arbeitsverhältnis während des unbezahlten Urlaubs zwar geruht, wohl aber weiter bestanden habe. Daraus folge der Fortbestand des Versicherungsverhältnisses und damit die Leistungspflicht der Beklagten. Das Weiterbestehen der Versicherung dürfe nicht streng auf den Zeitraum von drei Wochen beschränkt werden, überdies habe er diese Frist nur ganz geringfügig überschritten und zudem aus begründetem Anlaß. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, daß auch dem Gastarbeiter in seinem Heimatland eine angemessene Zeit zur Erholung verbleiben müsse. Falls die Beklagte ihrer Leistungsverpflichtung nur für drei Wochen habe nachkommen wollen, so hätte sie den Kläger oder dessen Arbeitgeber darüber aufklären müssen. Da das nicht geschehen sei, müsse die Leistungsverweigerung der Beklagten als unzulässige Rechtsausübung gewertet werden. Der Anspruch ergebe sich darüber hinaus auch aus § 214 Abs. 1 RVO, die Anwendung des Abs. 3 der Vorschrift verletzte im Hinblick auf das deutsch-türkische Abkommen den Gleichheitsgrundsatz. Die Staatsgebiete der beiden vertragschließenden Staaten seien nicht "Ausland". Im übrigen habe er am 27. August 1966 ein weiteres Arbeitsverhältnis begründet, das die Beklagte leistungspflichtig mache. An der Arbeitsaufnahme sei er durch unverschuldete Krankheit gehindert worden. Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und ihm vom 27. August bis zum 30. Oktober 1966 Krankengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, daß zur Zeit des Versicherungsfalles weder ein Versicherungsverhältnis noch nachwirkende Leistungspflichten bestanden hätten. Länger als drei Wochen könne die Versicherung bei unbezahltem Urlaub nicht aufrechterhalten werden. Der Kläger habe auch kein neues Versicherungsverhältnis begründet. Auf die arbeitsrechtliche Bewertung der Sachlage komme es dabei nicht an; in der Krankenversicherung sei auf die effektive Aufnahme der Beschäftigung abzustellen, dazu habe der Kläger aber noch keine Vorbereitungen getroffen. Die Erkrankung sei auch im Ausland eingetreten, denn dazu rechneten alle Staaten außer der Bundesrepublik Deutschland. Da die Einschränkung der Leistungen bei Auslandsaufenthalt für deutsche und türkische Staatsangehörige gleicherweise gelte, sei der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt.

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Wie das LSG zutreffend entschieden hat, steht dem Kläger kein Anspruch auf Krankengeld zu.

Der Kläger hat zwar in seiner Revisionsbegründung nur eine Norm (§ 214 RVO) angeführt, deren Verletzung er rügt. Seine Darlegungen lassen aber hinreichend deutlich erkennen, daß er auch die Vorschriften des § 165 Abs. 2 RVO, Art. 13 Abs. 1 und Art. 16 des deutsch-türkischen Abkommens sowie Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) als verletzt ansieht. Damit sind die gesetzlichen Erfordernisse zur Nachprüfung auch dieser Normen erfüllt (vgl. BSG 8, 31, 32).

Nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 RVO werden Arbeiter für den Fall der Krankheit versichert unter der Voraussetzung, daß sie gegen Entgelt beschäftigt werden. Da der Kläger nur bis zum 3. August 1966 Arbeitsentgelt erhielt, der Versicherungsfall jedoch in der Zeit des anschließenden unbezahlten Urlaubs eintrat, vermag er den Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld (§ 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO) jedenfalls nicht auf den Wortlaut des Gesetzes zu stützen. Nun hat allerdings der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß ein auf versicherungspflichtiger Beschäftigung beruhendes Versicherungsverhältnis dann noch als weiterbestehend anzusehen ist, wenn die tatsächliche Arbeitsbereitschaft sowie die hierauf beruhende Lohnzahlung und Beitragsabführung nur für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum unterbrochen sind (vgl. BSG 12, 190; 20, 154; 33, 254 mit weiteren Nachweisen). Als verhältnismäßig kurzer Zeitraum in diesem Sinne ist nach der angeführten Rechtsprechung eine Frist von längstens drei Wochen angenommen worden (so auch Peters, Handbuch der Krankversicherung, § 165 RVO Anm. 9 b S. 17/13 - 15 -; a. A. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 7. Auflage, S. 308 w II; Menten, Der unbezahlte Sonderurlaub, Dissertation Köln 1965 S. 111).

Die Frist kann nicht proportional zur bisherigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses sein (so auch Peters, aaO, S. 17/14 - 14 -; a. A. Menten, aaO, S. 108), weil die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses - von eng begrenzten Ausnahmesachverhalten wie § 205 Abs. 1 Satz 1, § 214 Abs. 1 Satz 1 RVO abgesehen - keinen Einfluß auf die Leistungspflicht des Versicherungsträgers hat. Die Frist kann auch nicht, wie der Kläger meint, danach bemessen werden, ob der Versicherte eine längere oder kürzere Reisedauer nach seinem Heimatland benötigt. Solche Rücksichtnahmen auf individuelle Besonderheiten in den Lebensverhältnissen des Versicherten sind dem auf eine verallgemeinernde Betrachtung abgestellten Recht der Krankenversicherung fremd, abgesehen davon, daß durch die Ausbreitung des Flugverkehrs die dafür in Betracht kommenden Zeiten so zusammengeschmolzen sind, daß sich eine unterschiedliche Behandlung auch deshalb nicht mehr rechtfertigt. Auch die Ansicht, es sei sachlich nicht begründet, Arbeiter bis 21 Tagen Arbeitsunterbrechung anders zu behandeln als bei 22 Tagen, vermag nicht zu überzeugen. Gerade die unterschiedliche Länge der Unterbrechung ist das sachbezogene Merkmal, das zur verschiedenen versicherungsmäßigen Behandlung führt.

Da der Kläger seine Beschäftigung auf mehr als drei Wochen ohne Entgeltzahlung unterbrochen hatte, bestand während dieser Zeit kein Versicherungsverhältnis mehr. Wenn von vornherein feststeht, daß der unbezahlte Urlaub die Frist von drei Wochen überschreitet, für die längstens das Versicherungsverhältnis als fortbestehend angenommen werden kann, so endet das Versicherungsverhältnis mit dem Zeitpunkt, bis zu dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt angedauert hat. Eine rückwirkende Betrachtung des Versicherungsverhältnisses ist mit dem Grundgedanken des Versicherungsschutzes durch die Sozialversicherung nicht vereinbar (BSG 20, 154, 157). Das Fortbestehen des Versicherungsverhältnisses über den Zeitpunkt hinaus, bis zu dem Entgelt bezogen worden ist, kann nur dann hingenommen werden, wenn - wie in der Regel beim Streik - nicht absehbar ist, ob die Arbeit für kürzer oder länger als drei Wochen unterbrochen wird. Ist hingegen die Dauer der Unterbrechung - wie beim unbezahlten Urlaub - von vornherein vereinbart, so besteht kein Grund, das Versicherungsverhältnis als für zunächst drei Wochen weiterbestehend anzusehen, wenn ein über diesen Zeitraum hinausreichender Urlaub abgesprochen wird.

Der Senat brauchte nicht zu entscheiden, ob für die gesamte Dauer der Arbeitsunterbrechung das Arbeitsverhältnis des Klägers fortbestanden hat oder von ihm am 27. August 1966 ein neues Arbeitsverhältnis begründet worden ist, weil es für den Anspruch auf die begehrte Leistung nicht darauf, sondern auf das Versicherungsverhältnis ankommt. Das hat im Zeitpunkt des Versicherungsfalles aber nicht mehr bestanden und ist auch nicht neu begründet worden. Für die Neubegründung genügt es nicht, daß der Verpflichtete aufgrund seines Arbeitsvertrages zu einem bestimmten Zeitpunkt seine Arbeit antreten soll. Es muß vielmehr zu der schuldrechtlichen Verpflichtung auch deren Erfüllung durch den "Eintritt in die Beschäftigung" hinzukommen (vgl. § 306 Abs. 1 RVO; BSG 26, 124, 128; 29, 30, 31). Dazu jedoch bedarf es einer konkreten Betätigung seines Willens zur Arbeitsaufnahme. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, nach Ablauf des unbezahlten Urlaubs - sei es fest zum 27. August 1966, sei es, wie es nach den Umständen wahrscheinlich ist, nach seiner Meldung zur Arbeitsaufnahme- sei seine Wiedereinstellung bei dem früherer Arbeitgeber vorgesehen gewesen, so würde jedenfalls der bloße Ablauf der Zeit des unbezahlten Urlaubs nicht mit dem Eintritt in die versicherungspflichtige Beschäftigung gleichzusetzen sein.

Der Kläger vermag seinen Anspruch auf Krankengeld auch nicht auf § 214 RVO zu stützen. Zwar liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 der Vorschrift (Erwerbslosigkeit und Ausscheiden aus der Kasse) vor, und der Versicherungsfall ist auch während der Erwerbslosigkeit und binnen drei Wochen nach dem Ausscheiden eingetreten. Gemäß dem 2. Halbsatz des Abs. 3 ist der nachwirkende Leistungsanspruch jedoch weggefallen, weil sich der Kläger im Ausland aufgehalten hat und die Satzung für die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Esslingen a. N. nichts anderes bestimmt.

Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964 (BGBl II, 1170) - ratifiziert durch Gesetz vom 13. September 1965 (BGBl II, 1169) - bietet dem Kläger keine weitergehenden Ansprüche. Da das deutsch-türkische Sozialversicherungsabkommen weder eine spezielle Regelung enthält noch die innerstaatlichen Vorschriften über die Leistung ins Ausland ändert, bleibt es bei dem in § 214 Abs. 3 RVO normierten Leistungswegfall.

Der Kläger kann nicht damit gehört werden, daß für ihn als türkischen Staatsangehörigen das Gebiet seines Heimatstaates nicht unter den Begriff Ausland zu fassen sei. Vom Standpunkt des Klägers aus ist es verständlich, daß er sein Heimatland nicht als Ausland versteht. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es jedoch nicht um die subjektive Sprachauffassung des Klägers, sondern darum, welchen Inhalt der Gesetzgeber in § 214 Abs. 3 RVO dem Begriff "Ausland" zuordnet. Insoweit aber können keine Zweifel bestehen, daß das Gebiet der Republik Türkei für den deutschen Gesetzgeber zum Ausland gehört. Die Bezugsvorschrift, aber auch die anderen Regelungen der Krankenversicherung sind inhaltlich, soweit es die Verwendung der Begriffe Inland und Ausland anbelangt, seit ihrer Entstehung nicht oder nur unerheblich geändert worden. Der Gesetzgeber des Jahres 1911 verstand unter Inland das Reichsgebiet, als Ausland faßte er alle Gebiete auf, die nicht zum Geltungsbereich der damals neugeschaffenen RVO gehörten. Daraus folgt, daß auch für die derzeit geltenden Normen der Krankenversicherung die Begriffe Inland und Ausland auszufüllen sind vom Geltungsbereich der Normen her (so auch Schroeder-Printzen in DOK 1970, 293; Peters, aaO § 214 RVO Anm. 10 c S. 17/710; Brackmann, aaO S. 428 f Ziff. 6). Die Türkei gehört danach zum Ausland und auch das deutsch-türkische Abkommen führt zu keinem anderen Ergebnis.

Es hätte in der Hand der Vertragschließenden gelegen, die Leistungseinschränkung des § 214 Abs. 3 RVO zu beseitigen; das ist indessen nicht geschehen. Es ist auch keineswegs so, daß alle anderen Sozialversicherungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland derartige Ausdehnungen des territorialen Leistungsanspruchs vorsehen; vielmehr ist gerade diese Frage in den einzelnen zwischenstaatlichen Rechtsquellen unterschiedlich geregelt (vgl. Auskunft in BKK 1966, 524; vgl. auch Rdschr. Nr. 36/1966 der deutschen Verbindungsstelle - KV - vom 9. August 1966, Randnummer 61, zitiert in "Deutsche Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten", Fußnote 4 zu Art. 13 des deutschtürkischen Abkommens).

Auch sonst verschafft das deutsch-türkische Abkommen dem Kläger keine Grundlage für den Klageanspruch. Im Ergebnis zutreffend hat das LSG die Anwendbarkeit des Art. 13 Abs. 1 verneint. Diese Bestimmung regelt als Kollisionsnorm, nach welchem Recht sich Ansprüche von Versicherten bei Aufenthalt im anderen Staat bestimmen. Auf den hier vorliegenden Sachverhalt angewendet besagt sie, daß sich die Ansprüche eines bei einem deutschen Versicherungsträger Versicherten, der sich in der Türkei aufhält und wegen seines Zustandes sofort Leistungen benötigt, nach deutschem Recht richten. Ergänzend hierzu regelt Art. 16 bei Geldleistungen - auch im Falle des Art 13 -, welche Zahlstelle zuständig ist; auf den vorliegenden Fall bezogen: der deutsche Versicherungsträger oder - auf sein Ersuchen - der Träger des Aufenthaltsorts. Hierbei kann offen bleiben, ob Art. 13 Abs 1 eng auszulegen ist und nur unabweisbare Sofortbedürfnisse meint, wie das LSG annimmt. Jedenfalls gibt diese Bestimmung dem Kläger keine über das materielle deutsche Sozialversicherungsrecht hinausgehenden Ansprüche. Sie verweist ihn vielmehr ausdrücklich auf dieses und bestätigt damit nur den in Art. 4 Abs. 1 ausgesprochener Grundsatz der Gleichstellung ausländischer Versicherter mit inländischen.

Diese begrenzte Zwecksetzung des Abkommens - Gleichstellung der Versicherten in Rechten und Pflichten, aber keine Gleichstellung der Gebiete der beiden Vertragsstaaten in dem Sinne, daß "Ausland" zum "Inland" wird - verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Bei bestimmten Leistungen an den Aufenthalt im Inland anzuknüpfen, ist ein auch sonst im deutschen Sozialversicherungsrecht maßgebender Gesichtspunkt (vgl. § 205, §§ 1315 ff, RVO), der sachgemäße Unterscheidungen erlaubt.

Schließlich ist die Leistungsverweigerung der Beklagten auch keine unzulässige Rechtsausübung. Nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Firma B den Kläger zum 3. August 1966 von der Beklagten abgemeldet. Von seinem Arbeitgeber ist ihm darüber eine Bescheinigung ausgestellt worden. Damit war dem Kläger bekannt, daß sein Versicherungsverhältnis endete; er hatte mithin die Möglichkeit, sich einen Schutz für den Fall der Krankheit zu verschaffen. Im übrigen kann aber die bloße Anwendung gültiger gesetzlicher Vorschriften keinesfalls als unzulässige Rechtsausübung angesehen werden, sofern nicht außergewöhnliche Umstände dazu zwingen. Solche sind indes weder vom Kläger vorgetragen worden noch ersichtlich.

Da dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung von Krankengeld gegen die Beklagte zusteht, ist seine Revision gegen das Urteil des LSG unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669602

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