Leitsatz (amtlich)

›Ein Gläubiger, der eine wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksame Sicherungsabtretung von Lohn- und Gehaltsansprüchen dem Drittschuldner offenlegt, verletzt seine auch nach der Kreditkündigung fortbestehende Pflicht, eine Schädigung des Schuldners zu vermeiden.‹

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die beklagte Bank wegen schuldhafter Pflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte fordert im Wege der Widerklage von der Klägerin und ihrem Ehemann als Drittwiderbeklagten die Rückzahlung noch offener Darlehensbeträge.

Die Klägerin unterzeichnete am 3. August 1984 eine Abtretungserklärung, in der sie zur Sicherung der gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche der Beklagten aus der bankma ßigen Geschäftsverbindung "den pfändbaren Anteil ihres Arbeitseinkommens im Sinne des § 850 ZPO" an die Beklagte ab trat.

Im Jahre 1988 begann die Klägerin, für die Firma G. GmbH (G.), deren Geschäftsführer der Bruder des Drittwiderbeklagten war, Seminare auf dem Gebiete der Verkaufsschulung durchzuführen.

Ende 1988 beliefen sich die Verbindlichkeiten der Klägerin und ihres Ehemannes bei der Beklagten auf rund 120.000 DM. In den Jahren 1989 und 1990 versuchte die Beklagte vergeblich, über die Kredite, die zum Teil auf Kontoüberziehungen beruhten, neue Vereinbarungen zu treffen. Mit Schreiben vom 6. Dezember 1990 kündigte die Beklagte die in Anspruch genommenen Kredite mit sofortiger Wirkung..Die Klägerin und ihr Ehemann wurden aufgefordert, die Forderungen bis spätestens 20. Dezember 1990 zu begleichen, andernfalls würden die zur Verfügung stehenden Sicherheite verwertet.

Da die Forderungen der Beklagten nicht bezahlt wurden, unterrichtete sie die Firma G. mit Schreiben vom 9. Januar 1991 von der Abtretung der Klägerin vom 3. August 1984 und forderte sie auf, die Seminarvergütungen der Klägerin an sie zu bezahlen. Die Firma G. stornierte durch Schreiben vom 28. Januar 1991 die noch ausstehenden Seminare der Klägerin und teilte ihr mit, sie werde von weiteren Fortbildungsmaßnahmen absehen.

Die Klägerin meint, die Beklagte sei zum Schadensersatz verpflichtet. Sie ist der Auffassung, die Vergütung für die Durchführung der Seminare werde von der Abtretungserklärung nicht erfaßt, diese sei im übrigen auch unwirksam. Nach ihrer Darstellung ist durch das Schreiben der Beklagten vom 9. Januar 1991 die Beendigung der Geschäftsbeziehung der Klägerin mit der Firma G. ausgelöst worden. Sie behauptet, ihr sei dadurch ein Schaden in Höhe von über 223.000 DM entstanden. Einen Teil dieser Ansprüche habe sie an ihren Ehemann abgetreten. Mit den Schadensersatzansprüchen werde gegenüber den Darlehensrückzahlungsansprüchen der Beklagten aufgerechnet. Der Mehrbetrag werde mit der Klage geltend gemacht.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei zur Offenlegung der - entgegen der Ansicht der Klägerin wirksamen - Sicherungsabtretung berechtigt gewesen. Diese habe auch die Einkünfte der Klägerin aus der Seminartätigkeit erfaßt. Jedenfalls habe die Beklagte ihre Berechtigung zur Offenlegung gegenüber der Firma G. annehmen dürfen. Außerdem bestreitet die Beklagte den von der Klägerin geltend gemachten Schaden.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 70.111 DM nebst Zinsen zu verurteilen und festzustellen, daß diese verpflichtet ist, ihr auch den weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr aus dem Schreiben der Beklagten an die Firma G. vom 9. Januar 1991 entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und - im Wege der Widerklage -, die Klägerin zur Zahlung von 73.397 DM nebst Zinsen sowie den Drittwiderbeklagten zur Zahlung von 80.411 DM nebst Zinsen zu verurteilen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin und des Drittwiderbeklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.

I. Das Berufungsgericht gelangt zu dem Ergebnis, daß der Klägerin kein Schadensersatzanspruch zustehe, weil der Beklagten im Zusammenhang mit der Offenlegung der Abtretung durch das Schreiben vom 9. Januar 1991 an die Firma G. kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

1. Es spreche sehr viel dafür, daß die Seminarvergütungen der Klägerin unter § 850 Abs. 2 ZPO fallen. Letztlich könne dies jedoch offenbleiben. Denn die Beklagte habe bei Abfassung des Schreibens vom 9. Januar 1991 jedenfalls ohne Fahrlässigkeit davon ausgehen können, die weiteren Honorarzahlungen der Firma G. stünden nach Eintritt des Sicherungsfalles nunmehr ihr zu und die Mitteilung der Abtretung an die Firma G. als Drittschuldnerin sei deshalb gerechtfertigt.

2. Es könne offenbleiben, ob die Sicherungsabtretung vom 3. August 1984 nach den Bestimmungen des AGBG nichtig sei. Jedenfalls könne der Beklagten nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe fahrlässig zu ihren Gunsten die Wirksamkeit der Sicherungsabtretung angenommen. Vor dem 9. Januar 1991 habe sich die Rechtsprechung mit der Wirksamkeit von Lohnabtretungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur im Zusammenhang mit der besonderen Konstellation bei Ratenkreditverträgen befaßt, was sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen lasse. Die Beklagte habe die von ihr für wirksam gehaltene Abtretung der Firma G. mitteilen dürfen. Eine Berechtigung hierfür habe sie sich bereits in der Abtretungserklärung ausdrücklich geben lassen.

II. Mit dieser Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden.

1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings dagegen, daß das Berufungsgericht die Kündigung der Kredite durch die Beklagte gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann durch die Schreiben vom 6. Dezember 1990 als wirksam angesehen hat. Die Beklagte hat die Kündigungen zu Recht auf wichtige Gründe im Sinne von Nr. 17 Satz 2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen gestützt. Die Klägerin und ihr Ehemann hatten ihre Konten erheblich überzogen. Entgegen ihrer auf wiederholtes Drängen der Beklagten mehrfach bekundeten Absicht haben sie die Schuldsalden nicht zurückgeführt.

2. Die Sicherungsabtretung vom 3. August 1984 war jedoch unwirksam, weil sie der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG nicht standhält.

Eine Globalzession kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur wirksam vereinbart werden, wenn zugleich die Voraussetzungen bestimmt werden, unter denen der Verwender von der Zession Gebrauch machen darf. Dabei müssen die schutzwürdigen Belange des Kunden angemessen berücksichtigt werden, da gerade die Verwertungsregelung für den Abtretenden häufig von existenzieller Bedeutung ist.

Eine interessengerechte Verwertungsregelung fehlt im vorliegenden Fall. Hierzu enthält die vorgedruckte schriftliche Abtretungserklärung vom 3. August 1984 nur die Vereinbarung, daß die Bank berechtigt ist, jederzeit dem Drittschuldner die Abtretung der Forderungen anzuzeigen, sich die Abtretung bestätigen zu lassen und zu verlangen, daß die Forderungsbeträge ausschließlich an die Bank zu überweisen sind. Für sich allein betrachtet würde diese Regelung wegen des Fehlens jeder sachlichen und zeitlichen Einschränkung dem Zweck einer Sicherungszession widersprechen. Allerdings ist die Berechtigung der Bank zur Verwertung der abgetretenen Forderungen außerdem an die Voraussetzungen gebunden, die in Nr. 20 ihrer - ergänzend vereinbarten - Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Sicherheitenverwertung festgelegt sind. Auch in dieser - den Bestimmungen in Nr. 20 AGB-Banken wörtlich entsprechenden - Regelung der Verwertung der zur Sicherheit abgetretenen Lohn- und Gehaltsansprüche ist nach der Rechtsprechung des Senats jedoch eine unangemessene, gegen § 9 AGBG verstoßende Benachteiligung des Schuldners zu sehen. Die Wahrung der Interessen des Schuldners erfordert es, daß der Gläubiger grundsätzlich verpflichtet ist, eine beabsichtigte Verwertung der abgetretenen Forderung so rechtzeitig vorher anzukündigen, daß der Schuldner noch Einwendungen gegen die Verwertung vorbringen und sich zumindest bemühen kann, die ihm drohenden weitreichenden Folgen einer Offenlegung abzuwenden (vgl. dazu Senatsurteil vom 7. Juli 1992 - XI ZR 274/91, NJW 1992, 2626, 2627).

3. Die Beklagte hat durch die Offenlegung der unwirksamen Abtretung schuldhaft gegen ihre auch nach der Kündigung der Kredite fortbestehende Pflicht verstoßen, eine Schädigung der Klägerin zu vermeiden (vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl. Rdn. 118 m.w.Nachw.). Der Vorwurf einer fahrlässig begangenen positiven Forderungsverletzung würde nur entfallen, wenn die Beklagte unverschuldet einem Rechtsirrtum unterlegen wäre. Bei der Beurteilung dieser Frage sind strenge Maßstäbe anzulegen (BGHZ 89, 296, 303). Bei Zweifeln über die Rechtslage sind Erkundigungen einzuziehen. Höchstrichterliche Entscheidungen sind zu beachten (RGZ 105, 356, 359). Zwar lag im Zeitpunkt der Offenlegung der Abtretung am 9. Januar 1991 die Entscheidung des Senats vom 7. Juli 1992 (NJW 1992, 2626) noch nicht vor. Doch enthielt bereits eine frühere Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 108, 98, 104 ff. = NJW 1989, 2383, 2385) deutliche Hinweise darauf, daß eine fehlende Verwertungsregelung zur Unwirksamkeit der Abtretung nach § 9 Abs. 1 AGBG führt. Dort wurde hervorgehoben, daß in einer solchen Regelung klargestellt werden muß, unter welchen Voraussetzungen die Bank berechtigt sein soll, von der Sicherungsabtretung Gebrauch zu machen, dem Drittschuldner die Zession offenzulegen und Zahlung an sich zu verlangen (BGHZ 108, 106). Diese Ausführungen galten nicht nur - wie das Berufungsgericht zu Unrecht meint - für die besondere Konstellation bei Ratenkreditverträgen, sondern bezogen sich erkennbar allgemein auf Sicherungsabtretungen von Lohn- und Vergütungsansprüchen. Auf ihre grundsätzliche Bedeutung wurde auch in einer Besprechung der Entscheidung ausdrücklich hingewiesen (vgl. Bruchner WuB I F 4. Sicherungsabtretung -4.89 unter II, 3). Die Beklagte mußte daher bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt damit rechnen, daß die Sicherungsabtretung im Hinblick auf die fehlenden Regelungen über die Voraussetzungen der Verwertung - die auch Art. 20 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht enthielt - unwirksam war. Ihr Rechtsirrtum war also nicht entschuldbar.

4. Auf die Frage, ob der Beklagten eine schuldhafte Pflichtverletzung auch deshalb vorgeworfen werden könnte, weil sie davon ausgegangen ist, daß die Sicherungsabtretung vom 3. August 1983 auch die Ansprüche der Klägerin auf Seminarvergütungen erfaßte, kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an.

III. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Das Berufungsgericht wird sich nunmehr mit der - vom Landgericht verneinten - Frage zu befassen haben, ob die Offenlegung der Abtretung durch das Schreiben der Beklagten vom Januar 1991 für die Beendigung der Geschäftsbeziehung zwischen der Firma G. und der Klägerin ursächlich war und gegebenfalls Feststellungen zur Höhe eines etwaigen Schadens der Klägerin zu treffen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993275

BB 1994, 1812

DB 1994, 1819

NJW 1994, 2754

DRsp I(125)419a

KTS 1995, 65

WM 1994, 1613

ZIP 1994, 1350

MDR 1994, 1204

VersR 1994, 1349

ZBB 1994, 340

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