Leitsatz (amtlich)

a) Zur Rechtsmittelbefugnis einer nicht parteifähigen Personenvereinigung, die als solche verurteilt worden ist (Wohnungseigentümergemeinschaft).

b) Zu den Anforderungen, die in einem solchen Fall an den Inhalt der Rechtsmittelschrift zu stellen sind.

 

Normenkette

ZPO §§ 50, 518

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 04.11.1992; Aktenzeichen 13 U 180/92)

LG Darmstadt (Urteil vom 24.04.1992; Aktenzeichen 1 O 79/92)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. November 1992 – 13 U 180/92 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 10.837 DM

 

Gründe

1. Die Parteien sind jeweils Mitglieder von Wohnungseigentümergemeinschaften. Die Kläger verlangen von den Beklagten die Beteiligung in Höhe von 10.837,41 DM an Hausmeisterkosten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten durch Beschluß als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

2. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

a) Nach Auffassung des Berufungsgerichts genügt die Berufungsschrift nicht den an eine Rechtsmittelschrift zu stellenden Anforderungen. Dazu bezieht es sich auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift die Angabe gehört, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird (BGHZ 21, 168, 170, 173; 65, 114, 115; 113, 228, 230; Urteile vom 19. März 1969 – VIII ZR 63/67 – NJW 1969, 928; vom 6. Februar 1985 – I ZR 235/85 – NJW 1985, 2651; vom 20. Januar 1988 – VIII ZR 296/86 – BGHR ZPO § 518 Abs. 2 – Parteibezeichnung 4, insoweit in BGHZ 103, 101 nicht abgedruckt; vom 24. Juni 1992 – VIII ZR 203/91 – aaO 7; Beschlüsse vom 25. Juni 1986 – IVb ZB 67/86 – aaO 1; vom 9. Oktober 1986 – III ZR 80/84 – aaO 2; vom 26. September 1988 – II ZB 6/88 – aaO 5). Dabei sind an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 24. Juni 1992 aaO). So ist unabdingbar, daß jeweils alle Streitgenossen genannt werden, die Rechtsmittelführer sein sollen (BGH, Urteile vom 10. Juli 1985 – IVa ZB 8/85 – VersR 1985, 970, 971 und vom 24. Juni 1992 aaO; Beschluß vom 26. September 1988 aaO). Allerdings braucht die Angabe der Person des Rechtsmittelklägers nicht ausdrücklich in der Rechtsmittelschrift enthalten zu sein, sie kann sich auch mittelbar aus ihr oder aus anderen vom Rechtsmittelkläger beim Gericht eingereichten Unterlagen ergeben (BGHZ 21, 168, 173; BGH, Beschluß vom 25. Juni 1986 aaO; vgl. auch BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 1991, 3140); jedoch muß bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers ausgeschlossen sein (BGHZ 21, 168, 173; BGH, Urteil vom 24. Juni 1992 aaO). Die dazu erforderlichen Angaben müssen dem Gericht bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist vorliegen (BGHZ 21, 168, 173; 113, 228, 230).

Diesen Anforderungen ist im vorliegenden Fall in der Tat nicht genügt. Die Berufungsschrift bezeichnet die „Wohnungseigentümergemeinschaft A. A. B.” als Rechtsmittelführer. Angaben darüber, aus welchen Personen sich diese zusammensetzt, sind weder der Rechtsmittelschrift selbst noch dem Rubrum des ihr beigefügten erstinstanzlichen Urteils zu entnehmen. Welche Personen seinerzeit zur Eigentümergemeinschaft gehörten, ergab sich zwar aus einer Liste, die im Zusammenhang mit dem Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides zu den Akten gereicht worden ist. Die Akten sind jedoch erst nach Ablauf der Berufungsfrist beim Oberlandesgericht eingegangen.

b) Diese Umstände konnten indessen im Streitfall die Verwerfung der Berufung als unzulässig nicht rechtfertigen. Der abweichende Standpunkt des Berufungsgerichts trägt den Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht ausreichend Rechnung.

Der im Mahnverfahren überreichten Eigentümerliste war zu entnehmen, aus welchen Personen sich die – als solche nicht parteifähige – „Wohnungseigentümergemeinschaft A. A. B.” zusammensetzte. Damit stand fest, daß sämtliche in der Liste aufgeführten Eigentümer, aber auch nur diese, im vorliegenden Rechtsstreit verklagt worden sind. Etwaige spätere Wechsel im Eigentum konnten an der Parteirolle der so bezeichneten Beklagten nichts ändern.

Unklarheit darüber, wer auf der Beklagtenseite Partei war, ist erst dadurch entstanden, daß das Landgericht in seinem Urteil die „Wohnungseigentümergemeinschaft A. A. B.” als „Beklagte” bezeichnet hat, ohne anzugeben, welche Personen dieser Gemeinschaft angehörten, und ohne die bei den Akten befindliche Eigentümer liste auch nur zu erwähnen. Damit hat es zumindest den Anschein erweckt, als behandelte es die – als solche nicht parteifähige – Eigentümergemeinschaft selbst als Partei, und zugleich durch Verschweigen der bis dahin für die Bestimmung der Beklagtenseite maßgebenden Eigentümerliste möglichen Zweifeln an deren fortbestehender Richtigkeit Raum gegeben.

Bei dieser Sachlage muß die im landgerichtlichen Urteil als Partei bezeichnete Eigentümergemeinschaft selbst ungeachtet ihrer mangelnden Parteifähigkeit die Möglichkeit haben, die ihr bzw. den hinter ihr stehenden Personen aus dem Urteil erwachsende Beschwer durch Einlegung des statthaften Rechtsmittels zu beseitigen. Wenn schon ein Sachurteil, das für oder gegen eine nicht existierende Partei ergangen ist, durch Rechtsmittel beseitigt werden kann (OLG Hamburg MDR 1976, 845; Zöller/Vollkommer, ZPO 18. Aufl. Rn. 11 vor § 50; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeß 14. Aufl. § 41 V; vgl. auch BGHZ 24, 91, 94 sowie BGH Urteil vom 9. Dezember 1958 – VIII ZR 80/56 – MDR 1959, 121) und eine Prozeßpartei, deren Parteifähigkeit im Streit ist, zur Erledigung dieses Streits als parteifähig zu behandeln ist (BGHZ 24, 91, 94; Leipold in Stein/Jonas, ZPO 20. Aufl. § 50 Rn. 41; Lindacher in MünchKomm ZPO § 50 Rn. 59), so kann auch einer nicht parteifähigen Personenvereinigung, die als solche verurteilt worden ist, die Rechtsmittelbefugnis nicht abgesprochen werden (vgl. Lindacher aaO Rn. 65). Das gilt auch dann, wenn die im Urteil enthaltene fehlerhafte Parteibezeichnung im Wege der Berichtigung korrigierbar war.

Hiernach war im Streitfall die im landgerichtlichen Urteil als „Beklagte” bezeichnete „Wohnungseigentümergemeinschaft A. A. B.” als solche rechtsmittelbefugt, obwohl sie an sich nicht parteifähig war. Der Klarstellung, welche (natürlichen) Personen Rechtsmittelkläger sein sollten, bedurfte es im Zusammenhang mit der Rechtsmitteleinlegung nicht; sie konnte vielmehr auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgen, wie dies hier im Berufungsrechtszug geschehen ist.

 

Unterschriften

K, W, R, W, D

 

Fundstellen

Haufe-Index 512419

NJW 1993, 2943

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