Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahl einer für den Gläubiger ungünstigen Steuerklasse als Verletzung der Erwerbsobliegenheit

 

Leitsatz (amtlich)

Wählt der verheiratete Schuldner ohne einen sachlichen Grund die Steuerklasse V, kann dies einen Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit darstellen.

 

Leitsatz (redaktionell)

Dem Schuldner ist zuzumuten, in die Steuerklasse IV zu wechseln, um sein liquides Einkommen zu erhöhen, wenn er ohne einen sachlichen Grund die Steuerklasse V gewählt hat, um seinem nicht insolventen Ehegatten die Vorteile der Steuerklasse III zukommen zu lassen.

 

Normenkette

InsO § 295 Abs. 1 Nr. 1, § 296 Abs. 1; EStG § 38b

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Beschluss vom 15.12.2006; Aktenzeichen 6 T 548/06)

AG Wuppertal (Entscheidung vom 17.08.2006; Aktenzeichen 145 IK 193/03)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 15.12.2006 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Rechtsbeschwerde gegen den vorgenannten Beschluss wird abgelehnt.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

[1] 1. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6, 296 Abs. 3 Satz 1 InsO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).

[2] Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob ein verheirateter Schuldner verpflichtet ist, im Rahmen der Erwerbsobliegenheit auf die Wahl einer geeigneten Steuerklasse zu achten, ist geklärt. Wählt der verheiratete Schuldner ohne hinreichenden sachlichen Grund eine für den Gläubiger ungünstige Steuerklasse, kann darin ein Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit liegen (Braun/Lang, InsO, 3. Aufl., § 295 Rz. 5; Landfermann in HK/InsO, 5. Aufl., § 295 Rz. 6; Ahrens in FK/InsO, 5. Aufl., § 295 Rz. 14c; Graf-Schlicker/Kexel, InsO § 295 Rz. 4; Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 295 Rz. 6 im Anschluss an AG Duisburg ZVI 2002, 163, 164). Dies steht in Einklang mit der Ansicht des Senats zu § 4c Nr. 5 InsO. Danach ist dem Schuldner in Hinblick auf die Verfahrenskostenstundung zuzumuten, in die Steuerklasse IV zu wechseln, um sein liquides Einkommen zu erhöhen, wenn er ohne einen sachlichen Grund die Steuerklasse V gewählt hat, um seinem nicht insolventen Ehegatten die Vorteile der Steuerklasse III zukommen zu lassen (BGH, Beschl. v. 3.7.2008 - IX ZB 65/07, NZI 2008, 624, 625 Rz. 5). Nach den Grundsätzen der Individualzwangsvollstreckung ist in entsprechender Anwendung von § 850h Abs. 2 ZPO ebenfalls eine missbräuchliche Steuerklassenwahl den Gläubigern gegenüber unbeachtlich (vgl. BGH, Beschl. v. 4.10.2005 - VII ZB 26/05, WM 2005, 2324, 2325; BAG NJW 2008, 2606, 2608 Rz. 25). Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde verstoßen diese Grundsätze auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG.

[3] Das Beschwerdegericht hat unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze das Beibehalten der Steuerklasse V als Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 1, § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO beurteilt. Dies ist eine zulässige tatrichterliche Bewertung, die einzelfallbezogen ist und jedenfalls keine symptomatischen Rechtsfehler aufweist.

[4] Von einer weiteren Begründung wird gem. § 4 InsO, § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

[5] 2. Da die Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, kommt die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht (§ 4 InsO, § 114 Satz 1 ZPO).

 

Fundstellen

BFH/NV 2009, 1231

DB 2009, 844

DStR 2009, 1381

HFR 2009, 1038

NWB 2009, 1064

BGHR 2009, 755

EBE/BGH 2009

FamRZ 2009, 871

StuB 2009, 445

WM 2009, 715

DZWir 2009, 341

MDR 2009, 711

NJ 2009, 252

NZI 2009, 326

Rpfleger 2009, 412

VuR 2009, 310

ZInsO 2009, 734

InsbürO 2009, 198

InsbürO 2009, 240

NWB direkt 2009, 350

ZVI 2009, 264

FMP 2010, 101

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