Leitsatz (amtlich)

Werden Güter im Kraftfahrzeugverkehr von einer GmbH, die genehmigten Güterfernverkehr im Sinne des GüKG betreibt, im Auftrag eines Unternehmers für Zwecke seines Unternehmens befördert und bilden die GmbH und das Unternehmen umsatzsteuerlich ein Unternehmen, dann ist die Steuer nach der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BefStG 1955 zu berechnen. Dabei ist die Ermäßigungsvorschrift des § 11 Abs. 2 a. a. O. anzuwenden, wenn deren Voraussetzungen im übrigen gegeben sind.

 

Normenkette

BefStG 1955 § 11

 

Tatbestand

Die Bf. zu 1 (Erben) sind die Erben des im Jahre 1957 verstorbenen Fleischermeisters A. (Erblasser). Dieser war Inhaber der beiden Einzelfirmen A.-Großschlachterei und A.-Fleischimport. Für die letztgenannte Einzelfirma bestand eine Zweigniederlassung in X. Der Erblasser war ferner ab 15. Dezember 1954 der Inhaber sämtlicher Geschäftsanteile der Firma B.-Transporte GmbH (B.) in Y. mit Zweigniederlassung in X. (Schlachthof), die Gütertransporte und Speditionsgeschäfte aller Art ausführte und der auch die Genehmigung zum Güterfernverkehr erteilt war ...

Im Jahre 1955 wurde die B. in bezug auf die Beförderungsteuer geprüft. Nach den Feststellungen des Prüfers führte die B. unter anderem aus:

1. die Beförderung von eingeführtem Schlachtvieh nach der Schlachtung im Auftrag der Firma A.-Fleischimport von deren Niederlassung in X. nach Y. zu einem dortigen Betrieb des Erblassers

2. die Beförderung von Fleisch im Auftrag einer der Einzelfirmen des Erblassers zu Abnehmern im Bundesgebiet und

3. ...

Das Finanzamt sah die zu 1 und 2 angeführten Beförderungen, soweit sie ab 1. Juni 1955 (Tag des Inkrafttretens des sich auf die Beförderungsteuer beziehenden Teils des Verkehrsfinanzgesetzes -- VFG -- 1955) durchgeführt wurden, als im Werkverkehr getätigt an, weil eine Unternehmereinheit zwischen der die Beförderungen ausführenden B. und dem Erblasser als Alleininhaber der genannten Einzelfirmen und als Inhaber sämtlicher Anteile an der B. bestanden habe. Es forderte daher vom Erblasser unter Berücksichtigung der Steuer, die durch die vorhergehende Behandlung der Beförderungen als solche im genehmigten Güterfernverkehr bereits nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Beförderungsteuergesetzes (BefStG) 1955 mit 7 v. H. des Beförderungspreises entrichtet worden war, Beförderungsteuer für die Monate Juni, Juli und August 1955 im Betrag von 572,90 DM mit Beförderungsteuerbescheid vom 8. November 1955 nach, wobei es die Steuer nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b unter teilweiser Anwendung der Ermäßigungsvorschrift des Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a BefStG 1955 berechnete.

Das Finanzamt setzte auf den Einspruch des Erblassers zwar die Steuernachforderung von 572,90 DM auf 429,20 DM mit der Begründung herab, daß bei einem Teil der Beförderungen, auf die sich die Steuernachforderung bezog, Auftraggeber nicht eine der beiden Einzelfirmen des Erblassers gewesen sei. Jedoch wies es im übrigen den Einspruch als unbegründet zurück.

In seiner Erwiderung auf die vom Erblasser eingelegte Berufung begehrte das Finanzamt nicht nur die Zurückweisung der Berufung als unbegründet, sondern darüber hinaus Erhöhung der nachgeforderten Steuer um den Betrag von 15 912 DM. Die Notwendigkeit einer Verböserung ergebe sich einmal daraus, daß ... Ferner ergebe sich die Notwendigkeit einer weiteren Verböserung daraus, daß vom Finanzamt die Steuervergünstigung des § 11 Abs. 2 Nr. 3 BefStG 1955 zu Unrecht zugestanden worden sei.

Das Finanzgericht setzte abweichend von der Einspruchsentscheidung (429,20 DM) und dem Beförderungsteuerbescheid (572,90 DM) die Steuernachforderung auf 5439,27 DM fest. Die unter 1 und 2 fallenden Beförderungen seien beförderungsteuerrechtlich keine solchen im genehmigten Güterfernverkehr, da bei diesen Beförderungen die B. nicht für andere, sondern für das eigene Unternehmen tätig gewesen sei. Die Begriffe Unternehmer und Unternehmen richteten sich gemäß § 1 Abs. 3 BefStG 1955 nach dem Umsatzsteuerrecht. Dabei ermäßige sich allerdings die Steuer bei den Beförderungen zwischen Y. und dem (übrigen) Bundesgebiet nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 BefStG 1955 auf 50 v. H. Denn es handle sich um Werkfernverkehr im Sinne des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG), da die B. die Beförderungen für die eigenen Zwecke des Unternehmens, dem sie angehöre, vorgenommen habe und auch die übrigen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 GüKG gegeben seien. Für die Zwecke der Beförderungsteuer hätten die dort verwendeten Begriffe Unternehmer und Unternehmen die gleiche Bedeutung wie im Umsatzsteuerrecht. Die Steuernachforderung im Betrage von 429,20 DM bestehe sonach hinsichtlich der Beförderungen zu 1 und 2 zu Recht ...

Gegen die Vorentscheidung legten sowohl der Vorsteher des Finanzamts als auch die Erben Rb. ein.

Das Finanzamt begehrt die anderweitige Festsetzung der Steuer auf 16 341,20 DM mit der Begründung, daß das Finanzgericht zu Unrecht die Ermäßigungsvorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a BefStG 1955 angewandt habe, da kein Werkverkehr im Sinne des § 48 GüKG gegeben sei. Die Erben begehren mit ihrer Rb. die Freistellung von der Steuernachforderung mit der Begründung, die Beförderungen seien im genehmigten Güterfernverkehr getätigt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Sache führt zur Zurückweisung der Rb. des Vorstehers des Finanzamts als unbegründet und zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.

Was zunächst die unter 1 und 2 angeführten Beförderungen anlangt, so ist dem Finanzgericht zuzustimmen, wenn es die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BefStG 1955 verneint hat. Der Beförderungsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 BefStG 1955 unter anderem die Beförderung von Gütern im Kraftfahrzeugverkehr in der Fernzone. Voraussetzung ist nach Satz 2 dieser Vorschrift dabei, daß die Beförderung von einem Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens "für Dritte" oder "für Zwecke des eigenen Unternehmens" durchgeführt wird. Da sich nach § 1 Abs. 3 BefStG 1955 die Begriffe Unternehmer und Unternehmen nach dem Umsatzsteuerrecht richten, entscheidet sich die Frage, ob eine Beförderung "für Dritte" oder "für Zwecke des eigenen Unternehmens" vorliegt, nach dem Umsatzsteuerrecht. Nach dem Umsatzsteuerrecht liegt ein Unternehmen auch dann vor, wenn eine Unternehmereinheit gegeben ist, wie sie unter anderem bei Einzelkaufleuten möglich ist, die gleichzeitig Alleingesellschafter einer Einmann-GmbH sind (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG 1951) oder wenn eine Gesellschaft (zum Beispiel eine GmbH) das Organ eines Unternehmers ist, der selbst keine Gesellschaft ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1951). In beiden Fällen ist die Gesellschaft umsatzsteuerlich als Teil des Gesamtunternehmens anzusehen. Das bedeutet, daß eine Beförderung, die von einer den Teil eines Unternehmens bildenden GmbH für einen anderen Teil dieses Unternehmens ausgeführt wird, beförderungsteuerlich nicht eine solche "für Dritte", sondern eine solche "für Zwecke des eigenen Unternehmens" ist. Im Streitfall hat das Finanzgericht als unstreitig festgestellt, daß die beiden Einzelbetriebe des Erblassers und die B. umsatzsteuerlich ein Unternehmen bildeten. Folglich können die von der B. für die beiden Einzelbetriebe des Erblassers durchgeführten Beförderungen beförderungsteuerlich nicht als solche für andere ("für Dritte") und damit nicht als solche im Güterfernverkehr angesehen werden, mögen sie auch nach dem Verkehrsrecht, das eine der Vorschrift des § 1 Abs. 3 BefStG 1955 entsprechende Vorschrift nicht kennt, solche im genehmigten Güterfernverkehr sein. Daraus folgt aber weiter, daß die Steuerberechnungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BefStG 1955, die für den genehmigten Güterfernverkehr gilt, nicht für diese Beförderungen anwendbar ist. Würde man für die Anwendbarkeit der Steuerberechnungsvorschrift nur deren Wortlaut maßgebend sein lassen, dann würde das auf eine Nichtbeachtung des § 1 Abs. 3 BefStG 1955 hinauslaufen. Die Steuerberechnungsvorschriften können nur im Zusammenhang mit den den Steuertatbestand festlegenden Vorschriften ausgelegt und angewendet werden, wenn die letztgenannten Vorschriften ihren Sinn und Zweck erfüllen sollen. Die Berechnung der Steuer nach der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BefStG 1955 kommt beim Vorliegen genehmigten Güterfernverkehrs im Sinne des GüKG also nur dann in Betracht, wenn keine Beförderung für die Zwecke des eigenen Unternehmens im Sinne des § 1 BefStG 1955 gegeben ist. Bei anderer Gesetzesauslegung würde derjenige Unternehmer, der die Beförderungen für Zwecke des eigenen Unternehmens durch ein ihm gehöriges, bürgerlich-rechtlich selbständiges Beförderung sunternehmen durchführt, beförderungsteuerlich günstiger gestellt sein, als der Unternehmer, der auf eine bürgerlich-rechtliche Verselbständigung des Beförderungszwecken dienenden Teiles seines Betriebes verzichtet. Der von den Bf. (Erben) geltend gemachte Umstand, daß sich aus der unterschiedlichen Behandlung der Beförderungen nach dem Beförderungsteuerrecht gegenüber dem Verkehrsrecht eine von ihr als ungerecht empfundene Mehrbelastung dadurch ergebe, daß für die in Betracht kommenden Beförderungen verkehrsrechtlich die Vorschriften des GüKG über Tarifzwang, Versicherungszwang, Überwachung durch die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr, Umlageleistungspflicht usw. gälten, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Die Rechtsprechung ist an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). Im übrigen dürfte die von den Erben geltend gemachte Mehrbelastung gegenüber einem Unternehmer, der die Beförderungen für Zwecke des eigenen Unternehmens ebenfalls selbst, aber nicht von einem ihm gehörigen, bürgerlich-rechtlich selbständigen Unternehmen durchführt, dadurch wirtschaftlich einen gewissen Ausgleich erfahren, daß mit den Fahrzeugen der B. eben auch noch genehmigter Güterfernverkehr für andere betrieben werden konnte.

Was die zu 3 angeführten Beförderungen anlangt, so ... Aus diesem Grunde war die Vorentscheidung aufzuheben und die insoweit noch nicht spruchreif erscheinende Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.

Was schließlich die Frage der Anwendbarkeit der Ermäßigungsvorschrift des § 11 Abs. 2 BefStG 1955 anlangt, so ist entgegen der Meinung des Finanzamts dem Finanzgericht zuzustimmen, wenn es diese Frage bejaht hat. Zwar mögen verkehrsrechtlich die in Betracht kommenden, von der B. durchgeführten Beförderungen keine Beförderungen im Sinne des § 48 GüKG gewesen sein. Aber ebenso wie bei § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BefStG 1955, der den "genehmigten Güterfernverkehr im Sinne des Güterkraftverkehrsgesetzes" betrifft, § 1 Abs. 3 BefStG 1955 zu beachten ist, muß auch im Falle des § 11 Abs. 2 BefStG 1955, der sich auf den "Werkfernverkehr im Sinne des Güterkraftverkehrsgesetzes" bezieht, § 1 Abs. 3 BefStG 1955 berücksichtigt werden. Es würde auch kein innerer Grund dafür vorliegen, die Vergünstigung zu versagen. Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts konnte daher keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410114

BStBl III 1961, 347

BFHE 1962, 216

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