Leitsatz (amtlich)

Güterbesichtiger i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1967 sind nur die amtlich bestellten Sachverständigen, die zu einer Güterbesichtigung im Falle von Transportschäden aus Anlaß einer Güterbeförderung berufen sind (§§ 438 Abs. 2, 610 HGB, § 61 des Binnenschiffahrtsgesetzes).

 

Normenkette

UStG 1967 § 8 Abs. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR), betreibt ein Laboratorium zum Zweck der Begutachtung, Bemusterung und Untersuchung von Bergbauerzeugnissen, insbesondere von Erzen. Ihre Tätigkeit besteht

1. im Probenehmen von Erzen aus Schiffsladungen zur Qualitätsermittlung als Grundlage für die Preisfestsetzung,

2. in der Durchführung von Gewichtsfeststellungen und

3. in der Durchführung von Analysen aufgrund von Probeentnahmen und von zugesandten Erzproben.

Die Klägerin nahm in den Steuererklärungen für die Jahre 1968 bis 1971 für die vorbezeichneten Leistungen, soweit sie gegenüber ausländischen Auftraggebern erbracht worden waren, die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 3 i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1967 in Anspruch. Sie war der Auffassung, daß sie die Tätigkeit eines Güterbesichtigers i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1967 ausübe. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) ist nach Vornahme einer Umsatzsteuersonderprüfung dieser Rechtsauffassung nicht beigetreten und hat durch Umsatzsteuerveranlagungen für die Jahre 1968 bis 1971 diese Umsätze dem allgemeinen Steuersatz unterworfen. Dies löste - neben anderen, hier nicht streitigen Vorgängen - eine Umsatzsteuernachforderung aus. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Die Klage, mit der die Klägerin die Herabsetzung ihrer Umsatzsteuerzahlungsschuld für die Jahre 1968 bis 1971 begehrte, hat das FG abgewiesen.

Mit der Revision rügt die Klägerin die unrichtige Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1967 sowie des § 1 der Bremischen Verordnung betreffend beeidigte Güterbesichtiger vom 3. Januar 1904 (Bremisches Gesetzblatt 1904 S. 14). Sie trägt dazu im wesentlichen vor: Das FG habe den Begriff des Güterbesichtigers zu eng ausgelegt und daher verkannt. Er sei entsprechend den wirtschaftlichen Bedürfnissen, wie sie in verschiedenen Vorschriften des Handelsrechts zum Ausdruck kommen, weit auszulegen und könne nicht unter Bezugnahme auf § 1 der Bremischen Verordnung vom 3. Januar 1904 auf beeidigte Sachverständige beschränkt werden, die zur Beweissicherung bei Transportschadensfällen gemäß §§ 438, 610 HGB und § 61 des Binnenschiffahrtsgesetzes tätig werden. Dies gelte um so mehr, als die bezeichnete Verordnung die Sachverständigentätigkeit im Rahmen des § 164 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) nicht berühre. Bei Auslegung des Begriffs des Güterbesichtigers nach seinem Wortsinn und im Zusammenhang mit dem Zweck der gesetzlichen Regelung in § 8 UStG 1967 müßten alle zu einem bestimmten Zweck vorgenommenen Güterbesichtigungen begünstigt sein. Die von ihr vorgenommene Besichtigung des Erzes, von Proben und ihre Auswertung durch Analysen sei eine solche Güterbesichtigung.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung entsprechend ihrem Klagebegehren zu entscheiden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es schließt sich im wesentlichen den Auffassungen des FG an.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Zu Recht hat das FG die Klägerin nicht als Güterbesichtiger i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1967 angesehen. Die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1967 befreit die Leistungen der Handelsvertreter, Handelsmakler, Schiffsmakler, Havariekommissare sowie der Schiffs- und Güterbesichtiger und grenzt somit die begünstigten Leistungen nach dem Berufsbild der genannten Berufsgruppen ab. Dieser Abgrenzungsmethode kommt entgegen, daß die Berufsbilder größtenteils gesetzlich festgelegt (so durch die Vorschriften des Handelsrechts für den Handelsvertreter und Handelsmakler) oder in Anlehnung an die handelsrechtlichen Vorschriften von der zivilrechtlichen Lehre und Rechtsprechung definiert worden sind (so für den Schiffsmakler und den Havariekommissar). Auch für die von § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1967 genannten Schiffs- und Güterbesichtiger gibt es Regelungen zur Festlegung des Berufsbildes, und zwar für den Schiffsbesichtiger durch das Bremische "Gesetz über die Schiffsbesichtiger in Bremen und Bremerhaven" vom 5. Februar 1957 (Bremisches Gesetzblatt 1957 S. 7) und für die Güterbesichtiger durch die oben angeführte Bremische "Verordnung, betreffend die beeidigten Güterbesichtiger" vom 3. Januar 1904. Nach § 1 der vorbezeichneten Verordnung sind die beeidigten Güterbesichtiger bestellt, um - vorbehaltlich anderweitiger gerichtlicher Verfügung gemäß § 164 FGG - als Sachverständige in den Fällen der §§ 438, 610 HGB und § 61 des Binnenschiffahrtsgesetzes den Zustand oder die Menge der Güter festzustellen. Der Auffassung der Klägerin, daß diese Begriffsbestimmung im Rahmen und nach der Zielsetzung des § 8 UStG 1967 zu eng sei, weil sie nur auf die bremischen Verhältnisse zugeschnitten worden sei, kann in dieser Allgemeinheit nicht beigetreten werden. Es ist der Klägerin zwar zuzugeben, daß der Begriff des Güterbesichtigers anderenorts in dieser Form gesetzlich nicht festgelegt ist. Dies ist jedoch darauf zurückzuführen, daß es sich bei der vorbezeichneten Bremischen Verordnung um eine ergänzende landesrechtliche Ausführungsvorschrift zu reichs- bzw. bundesrechtlichen Regelungen handelt. Diese Vorschriften, nämlich die §§ 438 Abs. 2, 610, 611 HGB sowie § 61 des Binnenschiffahrtsgesetzes, behandeln die Güterbesichtigung im Falle von Transportschäden aus Anlaß einer Güterbeförderung. Die Geltendmachung bzw. das Erlöschen von Schadensersatzansprüchen ist von einer Güterbesichtigung abhängig, die durch die zuständige Behörde oder durch hierzu amtlich bestellte Sachverständige vorzunehmen ist. Nur diese amtlich bestellten Sachverständigen sind zu einer Güterbesichtigung im Falle von Transportschäden berufen. Soweit ihre Ernennung nicht auf Antrag durch das zuständige Amtsgericht erfolgt (§ 164 FGG), sind die Sachverständigen für Dauer durch die zuständige Behörde oder eine andere dazu ermächtigte Stelle (Organe und Berufsvertretungen des Handels, Handwerks oder der Landwirtschaft) zu bestellen (vgl. Baumbach/Duden, Handelsgesetzbuch, 22. Aufl., § 438 Anm. 2 A; Schaps/Abraham, Das Deutsche Seerecht, § 610 HGB, Anm. 9; Prüßmann, Seehandelsrecht, § 610 HGB Anm. C 1; Schlegelberger/Liesecke, Seehandelsrecht, § 610 HGB RdNr. 3). Für die Länder Bremen und Hamburg sind dazu nähere Regelungen durch die vorbezeichnete Bremische Verordnung i. V. m. dem Gesetz über die Industrie- und Handelskammern im Lande Bremen vom 6. Mai 1958 (Bremisches Gesetzblatt 1958 S. 47) bzw. durch das Hamburgische Handelskammergesetz vom 27. Februar 1956 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1956 S. 21) getroffen.

Nach Auffassung des Senats betrifft die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1967, die sich auch hinsichtlich der übrigen von ihr erfaßten Berufe im Bereich des Handelsrechts bewegt, nur die nach den Vorschriften dieses Rechtsgebietes durch amtliche Bestellung zur Güterbesichtigung berufenen Sachverständigen (vgl. Eckhardt/Weiß, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 8 Tz. 77). Für eine ausdehnende Auslegung besteht weder nach der Entstehungsgeschichte noch nach der Zielsetzung des § 8 UStG 1967 eine Veranlassung. Die nach § 4 Nr. 3 UStG 1967 steuerfreien Leistungen für ausländische Auftraggeber sind in § 8 Abs. 1 UStG 1967 abschließend und erschöpfend aufgeführt. Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, die für ausländische Auftraggeber erbrachten Leistungen allgemein von der Umsatzsteuer freizustellen (vgl. Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, zu Drucksache V/1581, Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses, Allgemeiner Teil Nr. 4 Buchst. e), h) und hierauf abzielende Anträge auf Freistellung aller freiberuflichen Leistungen während des Gesetzgebungsverfahrens abgelehnt (vgl. Stenographischer Bericht der 101. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 12. April 1967, 5. Wahlperiode, S. 4689, 4701; Eckhardt/Weiß, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 4 Nr. 3 Tz. 3).

 

Fundstellen

Haufe-Index 72411

BStBl II 1977, 687

BFHE 1978, 367

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