Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bemessung der bei der Einheitsbewertung des gewerblichen Betriebs zulässigen Rückstellung für die Verpflichtung zur Einlösung ausgegebener Rabattmarken.

Ein Schwundsatz von 0.8 v. H. der Markenausgabe ist bei Ausgabe von Eigenrabattmarken nach den Erfahrungen des Lebens zu niedrig.

Wird die Rabattverpflichtung über einen durchschnittlichen Markenbestand beim einzelnen Kunden berechnet, so darf die Auswirkung der Markenstreuung nicht unberücksichtigt bleiben.

 

Normenkette

BewG §§ 6, 62, 103

 

Tatbestand

Streitig ist, in welcher Höhe bei der Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs der Revisionsbeklagten (Stpfl.) auf den 1. Januar 1957 eine Rückstellung für die Verpflichtung zur Einlösung ausgegebener Rabattmarken zulässig ist.

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Die Stpfl. setzte in ihre Vermögensaufstellung auf den 31. Dezember 1956 für nichteingelöste Rabattmarken nach Berücksichtigung des sogenannten Markenschwunds eine Rückstellung in Höhe von X DM ein. Das FA erkannte diese Rückstellung nicht als abzugsfähige Schuld an. Auf die Sprungberufung ließ das FG eine betragsmäßig wesentlich geringere Rückstellung zu. Auf die Rb. hat der BFH das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurückgewiesen, weil dieses den Antrag der Stpfl. auf mündliche Verhandlung abgelehnt hatte, ohne ihr die Gründe mitzuteilen (BFH-Urteil I 181/60 S vom 17. Oktober 1961, BFH 74, 151, BStBl III 1962, 57). In der Sache selbst hat der BFH auf seine Entscheidungen III 317/59 S vom 4. Dezember 1959 (BFH 70, 212, BStBl III 1960, 80) und III 284/60 S vom 3. November 1961 (BFH 74, 47, BStBl III 1962, 21) hingewiesen.

Bei seiner erneuten Entscheidung, die in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1964 S. 53 abgedruckt ist, hielt das FG unter Hinweis auf die vorstehend angeführten Entscheidungen des BFH daran fest, daß eine Betriebsschuld aus den ausgegebenen Rabattmarken nur in der Höhe bestehe, in der die Rabattmarken in einlösbaren Mengen angesammelt worden sind, "d. h. Rabattkarten füllen". Bei der Schätzung des hierfür in Betracht kommenden Betrags ging das FG davon aus, daß von den am Bewertungsstichtag noch im Umlauf befindlichen Rabattmarken im Betrag von insgesamt X DM 70 v. H. in einlösbaren Mengen und 30 v. H. in nichteinlösbaren Mengen angesammelt waren. Zu dieser Schätzung kam das FG auf Grund der folgenden überlegungen: Nach der Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes (Statistisches Jahrbuch 1960 S. 531) habe ein Vier-Personen-Haushalt einer mittleren Verbrauchergruppe im Jahre 1956 monatlich 235,35 DM für Ernährung ausgegeben. Die "mittlere Verbrauchergruppe" dürfte dem Durchschnitt der Verbrauchergruppen entsprechen. Auf einen durchschnittlichen Haushalt könnten jedoch nicht vier, sondern nur etwa 3,5 Personen gerechnet werden. Deshalb sei davon auszugehen, daß ein Durchschnittskunde der Stpfl. im Jahre 1956 monatlich etwa 200 DM für Ernährung ausgegeben habe. Man könne mit von Schilling (Der Betrieb 1963 S. 532) davon ausgehen, daß sich diese Ausgaben auf Bäcker, Fleischer, Lebensmittelhändler, Gemüsehändler und auf das eine oder andere Spezialgeschäft verteilen und die Käufer im allgemeinen auch in mehreren Geschäften der gleichen Branche einkaufen, so daß auf ein bestimmtes Lebensmittelgeschäft etwa 1/6 bis 1/4 des für die Ernährung aufgewendeten Betrags entfalle. Da bei der Revisionsklägerin viele verschiedene Waren gekauft werden können, könne geschätzt werden, daß ein Durchschnittskunde im Jahre 1956 nahezu 1/4 seines gesamten Aufwandes für Ernährung, nämlich etwa 47,50 DM monatlich bzw. 570 DM im Jahr für Einkäufe bei der Stpfl. verwendet habe. Im Jahre 1956 seien Rabattmarken im Betrag von etwa ... DM ausgegeben worden, was einem Umsatz von etwa ... DM entspreche. Daraus werde geschätzt, daß die Stpfl. etwa Y Kunden habe (Umsatz: 570 DM jährlicher Einkauf je Kunde). Dieses Ergebnis sei bei der Zahl der Filialen nicht unwahrscheinlich. Daraus ergebe sich, daß sich die am Ende des Jahres 1956 noch nicht eingelösten Rabattmarken von insgesamt X DM auf etwa Y Kunden verteilten, so daß jeder Kunde im Durchschnitt Rabattmarken im Wert von etwa 4,40 DM angesammelt habe (X : Y = 4,40). Das würde, da die vollgeklebte Rabattkarte einen Wert von 1,50 DM darstellt, bedeuten, daß im Durchschnitt 2 X 1,50 DM = 3 DM einlösbar und der Rest von 1,40 DM nicht einlösbar gewesen seien. Demnach betrage der Anteil der einlösbaren Menge etwa 68 v. H. (440 : 300 = 100 : 68). Da der Restbetrag von 1,40 DM sich stark dem für eine einlösbare Menge erforderlichen Betrag von 1,50 DM nähere und es sich um Durchschnittswerte handle, werde der gesamte Bestand an nichteingelösten, aber einlösbaren vorhandenen Rabattmarken auf 70 v. H. geschätzt. Dieses Ergebnis stehe auch im Einklang mit einer von der Revisionsbeklagten gefertigten Aufstellung, nach der Kunden, die in der Zeit vom 7. bis 12. Januar 1963 in zwei Filialen 683 Rabattkarten vorgelegt hätten, 47 je einer, 128 je zwei, 156 je drei und 352 je vier und mehr Rabattkarten eingelöst hätten. Nach all dem erscheine die Annahme vertretbar, die einlösbare Menge habe sich auf 70 v. H. belaufen. Der Schätzung der Stpfl., diese Menge liege bei etwa 84 v. H., sei nicht zu folgen.

An seiner Schätzung im ersten Rechtsgang halte das FG nicht fest.

Mit der Rb. des Vorstehers des FA, die nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist, wird Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten bei der Ermittlung der Höhe der Einlösungsverpflichtung aus Rabattmarken gerügt. Damit wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt. Die Schätzungsmethode sei in mehrfacher Hinsicht angreifbar und enthalte Fehlerquellen, deren Häufung diese Methode als ungeeignet erscheinen lasse und zu den dem Gericht bekannten Tatsachen und sicheren Feststellungen im Widerspruch stehe.

Problematisch und zu unsicher sei die Annahme, ein Durchschnittskunde der Stpfl. kaufe für 3,5 Personen und für etwa 200 DM monatlich ein. Demnach sei die errechnete Zahl von Y Kunden "problematisch". Schlechthin nicht zu begründen sei, daß ein Durchschnittskunde nahezu 1/4 seines gesamten Aufwandes für Ernährung (47,50 DM monatlich) durch Einkauf bei der Stpfl. ausgegeben habe. Spätestens in diesem Glied der Gedankenkette der Vorentscheidung sei die Brauchbarkeit der Schätzungsmethode in Frage gestellt. Nach der Durchschnittsberechnung des FG müßte jeder Kunde annähernd drei vollgeklebte Rabattkarten (4,40 DM) am 31. Dezember 1956 besessen haben. Das widerspreche der vom FG im ersten Rechtsgang festgestellten Tatsache, daß in der Weihnachtszeit die einlösbar angesammelten Marken alsbald eingelöst werden. Bei der vom FG vorgenommenen Durchschnittsberechnung hänge das Ergebnis von Zufälligkeiten ab. Wegen der praktischen Unmöglichkeit einer genauen, individuellen Schätzung habe sich der Finanzminister des Landes Nordrhein- Westfalen mit einem pauschalen Abzug von 25 v. H. des um den Schwund bereinigten Markenumlaufs einverstanden erklärt (Der Betrieb 1962 S. 1556). Diese Regelung beruhe auf den Erfahrungen des täglichen Lebens.

Die Stpfl. nimmt zu den einzelnen vom FA beanstandeten Schätzungsfaktoren des FG Stellung. Die Schätzungsmethode des FG sei weder unlogisch noch enthalte sie offensichtliche Fehlerquellen. Der Revisionskläger sei nicht in der Lage, eine andere und bessere Schätzungsmethode darzutun.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Bei dem Rechtsstreit geht es nicht darum, ob eine Rückstellung für Verpflichtungen der Revisionsbeklagten auf Grund der ausgegebenen Rabattmarken dem Grunde nach zulässig ist. Streit besteht lediglich darüber, in welcher Höhe eine Rückstellung bei der Einheitsbewertung des gewerblichen Betriebs auf den 1. Januar 1957 anzuerkennen ist. Zu entscheiden ist deshalb, inwieweit die einzelnen Kunden der Stpfl. am Bewertungsstichtag - 1. Januar 1957 - die dem Mindesteinkauf entsprechende Anzahl von Rabattmarken in Händen hatten, damit sie Rabattmarkenbücher gegen Erstattung des Rabattbetrags einlösen konnten. Wie der Senat bereits in der Entscheidung III 317/59 S vom 4. Dezember 1959 (a. a. O.) ausgesprochen hat, wird die Zulässigkeit der Rückstellung nicht dadurch berührt, daß eine genaue Berechnung des Rückstellungsbetrags nicht möglich ist und eine Schätzung erforderlich wird. Der als Rückstellung zulässige Betrag muß sonach nach der Zahl der ausgegebenen Rabattmarken, den Verhältnissen des Rabatt gewährenden Unternehmers und den allgemeinen Erfahrungen geschätzt werden. Diese Schätzung liegt auf tatsächlichem Gebiet. Sie ist nach § 118 Abs. 2 FGO für den BFH bindend, es sei denn, daß in bezug auf die der Schätzung zugrunde liegenden Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht werden. Der Senat kann die Schätzung der Vorinstanz somit nur daraufhin prüfen, ob die Schätzungsmethode, die vom Revisionskläger gerügt wurde, unrichtig ist, ob die einzelnen Schätzungsfaktoren gegen den klaren Inhalt der Akten, gegen die Erfahrungen des Lebens oder gegen die Denkgesetze verstoßen.

I. - Ausgangspunkt für die Schätzung der bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zulässigen Rückstellung ist der Wert des Markenumlaufs. Dies ist der Unterschied zwischen dem Wert der gesamten Markenausgabe und dem Wert der gesamten Markeneinlösung seit Beginn der Markenausgabe der laufenden Serie. Er stellt den Wert der noch nicht eingelösten Marken der laufenden Serie, also der noch einlösbaren Marken dar. Erfahrungsgemäß wird jedoch ein Teil der ausgegebenen Marken nie eingelöst. Dieser erfahrungsgemäß nicht zur Einlösung kommende Teil der Markenausgabe ist der Markenschwund, der in einem Vomhundertsatz der Markenausgabe ausgedrückt wird. Der Unterschied zwischen dem Markenumlauf und dem Markenschwund stellt die Einlösungsverpflichtung des Rabattgebers dar.

Wegen der aufschiebenden Bedingung, daß nur vollgeklebte Rabattkarten (Einkaufswert 50 DM, Rabattwert 1,50 DM) eingelöst werden, kann diese Einlösungsverpflichtung bewertungsrechtlich nicht in vollem Umfange als Schuld abgesetzt werden, sondern nur soweit die Bedingung erfüllt ist (§ 6 BewG). Zur Ermittlung der bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens abzugsfähigen Schuld sind also zwei Schätzungen erforderlich, nämlich

Die Schätzung des Schwundes, um aus dem Markenumlauf die Einlösungsverpflichtung zu ermitteln, und

die Schätzung des Anteils an der Einlösungsverpflichtung, bei dem die aufschiebende Wirkung der vollen Rabattkarte eingetreten ist.

Das FG ist bei seiner Schätzung von einer Einlösungsverpflichtung in Höhe von X DM ausgegangen. Wie sich aus den Schriftsätzen der Stpfl. sowie des FA ergibt, handelt es sich bei dieser Zahl um den Markenumlauf aus den Jahren 1952 bis 1956, vermindert um einen Schwund von 10 v. H. des Markenumlaufs. Als Schwund sind also vom Markenumlauf 1/9 von X DM abgesetzt worden. Das entspricht einem Schwundsatz von nur 0,8 v. H. der Markenausgabe bis zum 31. Dezember 1956. Dieser Schwundsatz ist nach den Erfahrungen des Lebens eindeutig zu niedrig angesetzt. So werden z. B. im Vorbringen der Stpfl., in Literatur und Rechtsprechung folgende Schwundsätze genannt:

Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Le= bensmittel-Filialbetriebe e. V. an die Finanz= minister (- senatoren) der Länder vom 22. Sep= tember 1958: bei Rabattsparvereinen höch= stens ------------------------------------------ 3,00 v. H. Cloth, "Die Steuerberatung" 1965 S. 108: bei Rabattsparvereinen mindestens -------------- 1,50 v. H. Entscheidung des Niedersächsischen FG I 15-16/59 vom 14. Dezember 1959 (Kartei "Buchführung und Bilanz", Rabatt im Steuer= recht Bl. 8/9): -------------------------------- 2,00 v. H. Betriebsprüfungs-Kartei Oberfinanzdirektio= nen Düsseldorf, Münster, Köln, Konto Ra= batte S. 14: ----------------------------------- 5,00 v. H. BFH-Entscheidung I 126/62 vom 15. Juni 1965 (HFR 1965 S. 552): Rabattspargenossenschaft ----------------------- 3,50 v. H. BFH-Entscheidung I 189/60 U vom 15. No= vember 1960 (BFH 72, 210, BStBl III 1961, 48): Rabattsparverein ------------------------------- 1,99 v. H.Danach besteht bei Rabattsparvereinen eine Schwundsatzspanne von etwa 1,5 v. H. bis 3,5 v. H. Da der Schwund bei Rabattsparvereinen im allgemeinen wegen der vielseitigeren Einlösemöglichkeit geringer ist als bei Eigenrabattmarken der Einzelhändler, müßte die Schwundsatzspanne im Streitfall etwas höher liegen, etwa bei 2 v. H. bis 5 v. H. Tatsächlich ist inzwischen bei einer neueren Betriebsprüfung im Jahre 1963 der Schwundsatz im Einvernehmen mit der Stpfl. auch auf 3 v. H. geschätzt worden.

Die Schätzung des FG konnte somit von vornherein nicht richtig sein, weil der Markenschwund eindeutig zu niedrig berücksichtigt und damit die Einlösungsverpflichtung zu hoch angesetzt wurde. Die Zahl X DM enthält demnach noch wesentliche Teile des Schwundes.

II. - Schwieriger als die Schätzung des Markenschwundes ist die schätzungsweise Ausscheidung des aufschiebend bedingten Teils aus der Einlösungsverpflichtung, weil hier Umstände eine Rolle spielen, die aus den Erfahrungen des Betriebs kaum erforschbar sind und ausschließlich bei der Kundschaft liegen. Trotzdem ist man auch hier nicht auf eine vage griffweise Schätzung angewiesen, sondern der Schätzungsrahmen läßt sich eng eingrenzen, wenn man einige mathematische überlegungen anstellt.

Eine aufschiebend bedingte Last stellt nur der Wert der Marken dar, die beim einzelnen Kunden über den Bestand an vollen Karten hinausgehen, also nur die Spitzenbeträge über einem durch 1,50 teilbaren Betrag. Je größer die Kundenzahl ist, auf die sich die noch einzulösenden Marken verteilen, um so geringer ist der durchschnittliche Markenbestand beim einzelnen Kunden. Je geringer aber der durchschnittliche Markenbestand beim einzelnen Kunden ist, um so geringer ist auch die Wahrscheinlichkeit, daß der einzelne Kunde eine oder mehrere vollgeklebte Karten besitzt. Daraus folgt, daß bei größerer Kundenzahl die Gesamtzahl der vollen Karten geringer ist. Aus dieser überlegung ergibt sich, daß das Verhältnis von unbedingter und aufschiebend bedingter Last von der Kundenzahl abhängig ist, auf die sich die Einlösungsverpflichtung verteilt. Die Schätzung der Kundenzahl ist also eine unabdingbare Voraussetzung für eine einigermaßen zuverlässige Aufteilung der Einlösungsverpflichtung.

Das FG hat also entgegen der Auffassung des FA den richtigen Schätzungsweg eingeschlagen, indem es zunächst die Anzahl der Kunden schätzte. Es ist dabei von den vom Statistischen Bundesamt im Statistischen Jahrbuch 1960 genannten Werten für den durchschnittlichen Verbrauch eines Vier-Personen-Haushalts ausgegangen. Diese Methode ist nicht zu beanstanden: auch das FA hat keine bessere Schätzungsmethode nennen können; ihr haften, wie jeder Schätzung, Unsicherheiten an.

Aus der - wie oben dargelegt, zu hoch angesetzten - Einlösungsverpflichtung von X DM und der geschätzten Kundenzahl von Y hat das FG einen durchschnittlichen Markenbestand beim einzelnen Kunden von 4,40 DM errechnet. Daraus hat es geschlossen, daß im Durchschnitt jeder Kunde zwei volle Karten (2 X 1,50 = 3 DM) und 1,40 DM lose Marken am Bilanzstichtag im Besitz gehabt habe und deshalb der Anteil der unbedingten Last an der Einlösungsverpflichtung etwa 3 : 4,40 = 68 v. H. betragen haben müsse.

Diese Folgerung beruht auf einem Denkfehler, den das FA an seiner Auswirkung erkannt hat. Das FA wendet nämlich ein, daß sich, wenn man die Schätzung der Kundenzahl nur geringfügig ermäßigen würde, der Durchschnittsbestand pro Kunde auf 4,50 DM erhöhen würde. Das würde drei vollen Karten entsprechen und nach der Methode des FG einen Anteil der unbedingten Last von 4,50 : 4,50 100 v. H. ergeben. Der Denkfehler des FG besteht darin, daß es bei der Auswertung des durchschnittlichen Pro-Kunde-Bestandes von 4,40 DM irrtümlich unterstellt, die noch einzulösenden Marken verteilten sich gleichmäßig auf die Y Kunden und jeder dieser Kunden habe zwei volle Karten und für 1,40 DM lose Marken im Besitz gehabt. Es hat die Markenstreuung nicht berücksichtigt, also die Tatsache, daß sich die Marken ungleichmäßig auf die Kunden verteilen. Diese Markenstreuung ist von erheblicher Auswirkung, wie nachstehende überlegung zeigt. Geht man, wie es das FG tat, davon aus, daß im Durchschnitt auf jeden Kunden Marken im Werte von 4,40 DM entfallen, so müßte, wenn z. B. ein Kunde Marken im Werte von nur 4,30 DM besitzt, ein anderer Kunde Marken im Werte von 4,50 DM haben, damit sich wieder der vom FG angenommene Durchschnitt von 4,40 DM je Kunde ergibt. Weiter müßte einem Kunden mit einem Markenbestand im Werte von 4,20 DM ein Kunde mit einem Markenbestand im Werte von 4,60 DM, einem Kunden mit einem Markenbestand im Werte von 4,10 DM ein Kunde mit einem Markenbestand im Werte von 4,70 DM usw. gegenüberstehen. Bei jeweils ersteren würde sich der Bestand von zwei vollen Karten nicht ändern, bei jeweils letzteren würde sich aber eine dritte volle Karte ergeben. Erst bei dem Kundenpaar mit Marken im Werte von 2,90 DM und 5,90 DM hätte ersterer nur eine volle Karte und letzterer drei, beide zusammen also wieder vier. Aber schon bei der nächsten Gruppe mit den Werten 2,80 DM und 6 DM würden sich wieder (1 + 4 =) fünf volle Karten ergeben.

Daraus ergibt sich, daß bei Unterstellung eines rechnerisch ermittelten durchschnittlichen Bestandes an Marken im Werte von 4,40 DM je Kunde nicht davon ausgegangen werden kann, jeder Kunde besitze tatsächlich Marken im Werte von 4,40 DM. Infolge der Markenstreuung ergeben sich nämlich im Durchschnitt mehr als zwei volle Karten je Kunde. Bei dem vom FG geschätzten Kundenstamm von Y beläuft sich deshalb der Gesamtbestand an vollen Karten auf mehr als (Y X 2 =) Z Stück. Bei Unterstellung des - wie oben ausgeführt unzutreffenden - durchschnittlichen Bestandes von 4,40 DM je Kunde müßte der Anteil der unbedingt entstandenen Last an der Einlösungsverpflichtung demnach auch mehr als 68 v. H. betragen. Durch die geringfügige Aufrundung des rechnerischen Ergebnisses auf 70 v. H. hat das FG diesem Umstand nicht ausreichend Rechnung getragen.

Die Vorentscheidung mußte somit aus zwei Gründen aufgehoben werden: Das FG ist einmal von einer Einlösungsverpflichtung ausgegangen, die mit einem den Erfahrungen zuwiderlaufenden niedrigen Schwundsatz aus dem Markenumlauf errechnet ist. Zum anderen hat es bei der Auswertung des durchschnittlichen Markenbestandes pro Kunde die Auswirkung der Markenstreuung nicht berücksichtigt.

III. - Der vom FA beantragte Pauschsatz von "25 v. H. des um den Schwund bereinigten Markenumlaufs" ist in dieser Allgemeinheit noch weniger zutreffend. Zunächst beruft sich das FA mit seinem Antrag zu Unrecht auf den Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19. November 1962 (a. a. O.); denn der Finanzminister hat in seinem Erlaß 25 v. H. des Markenumlaufs als bei der Einheitsbewertung abzugsfähige Schuld zugelassen. Das FA beantragt dagegen in falscher Anwendung dieses Erlasses 25 v. H. der Einlösungsverpflichtung (Markenumlauf ./. Schwund).

Im übrigen muß berücksichtigt werden, daß der Markenschwund sich ständig addiert, die Einlösungsverpflichtung sich aber von Jahr zu Jahr durch Erfüllung erledigt und durch Markenausgabe wieder neu bildet. Dadurch steigt der prozentuale Anteil des Markenschwundes am Markenumlauf von Jahr zu Jahr und mindert sich der prozentuale Anteil der Einlösungsverpflichtung entsprechend (vgl. Zahlenbeispiel aus der Praxis in der Betriebsprüfungs-Kartei der Oberfinanzdirektion Düsseldorf, Köln und Münster, Teil I, Konto: Rabatte S. 14). Der Anteil der Einlösungsverpflichtung am Markenumlauf ist also abhängig vom Schwundsatz und dem Zeitablauf seit Beginn der Markenserie. Weiter ist der Anteil der bei der Einheitsbewertung abzugsfähigen Schuld an der Einlösungsverpflichtung, wie oben ausgeführt, außerdem abhängig von der Kundenzahl.

Da somit das Verhältnis der bei der Einheitsbewertung abzugsfähigen Schuld zum Markenumlauf von drei Faktoren bestimmt wird, von den zwei (Schwundsatz und Kundenzahl) bei verschiedenen Unternehmern sehr unterschiedlich sein können und einer (Zeitablauf) innerhalb jeden Betriebs variabel ist, ist es abwegig, für alle Betriebe und für jeden Zeitpunkt einen einheitlichen Pauschsatz festzusetzen. Deshalb ist der im Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19. November 1962, der auf dem Ergebnis der Besprechung der Bewertungsreferenten der Länder vom 16. / 17. Oktober 1962 beruht, verfügte Pauschsatz von 25 v. H. des Markenumlaufs in dieser Allgemeinheit nicht anwendbar; es könnte höchstens im Einzelfall zufällig richtig sein.

Die Sache wird an das FG zurückverwiesen. Das FG wird in seiner erneuten Entscheidung unter Beibehaltung des von ihm gewählten Schätzungsweges die Höhe des Schwundes zu überprüfen und die Auswirkung der Markenstreuung auf das Verhältnis zwischen unbedingter und aufschiebend bedingter Last zu berücksichtigen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412653

BStBl III 1967, 651

BFHE 1967, 384

BFHE 89, 384

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