Entscheidungsstichwort (Thema)

Agentur- oder Eigengeschäft bei der Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen

 

Leitsatz (NV)

Ein Fahrzeughändler, der anläßlich eines Neuwagengeschäfts einen Gebrauchtwagen in der Weise in Zahlung nimmt, daß der vereinbarte Mindestverkaufspreis sofort und in voller Höhe auf den Kaufpreis für den Neuwagen angerechnet wird, tätigt bei der Abwicklung des Gebrauchtwagenverkaufs trotz Handelns ,,im Kundenauftrag" kein Agentur-, sondern ein Eigengeschäft.

 

Normenkette

UStG 1967/1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; UStG 1967/1973 § 3 Abs. 1; UStG 1967/1973 § 10 Abs. 1 S. 5; BGB §§ 164, 133, 157

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb einen Handel mit Kraftfahrzeugen. Beim Verkauf von Neuwagen nahm sie Gebrauchtwagen in der Weise in Zahlung, daß sie es übernahm, den Gebrauchtwagen des Neuwagenkäufers in dessen Namen und laut Vermittlungsauftrag ,,für dessen Rechnung" zu verkaufen. Für die ,,Aufträge zur Vermittlung eines Kraftfahrzeug-Verkaufs" verwendete sie den vom Zentralverband des Kraftfahrzeughandels e. V. (ZDK) aufgelegten Formularvertrag und das entsprechende Formular ,,Agenturabrechnung". In den Verträgen war ein Mindestverkaufspreis vereinbart. Alsbald nach dem Verkauf erteilt die Klägerin dem Gebrauchtwagenverkäufer die Agenturabrechnung.

Die mit dem Gebrauchtwagengeschäft betrauten Angestellten der Klägerin erhielten für die Vermittlung der Gebrauchtwagenverkäufe Provisionen zwischen 30 und 100 DM je Verkauf. Hierdurch entstanden bei den zu beurteilenden Vermittlungsgeschäften Verluste. Aus den von der Klägerin dem Finanzgericht (FG) vorgelegten 38 Vermittlungsaufträgen und Agenturabrechnungen des Jahres 1974 ergibt sich eine durch den Erlös aus dem Agenturgeschäft nicht gedeckte Provision von durchschnittlich 52,50 DM je Gebrauchtwagenverkauf.

Diese ,,Minus-Geschäfte" rechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) der Klägerin als Eigengeschäfte zu, da sie das wirtschaftliche Risiko dieser Geschäfte trage und deshalb nicht mehr ,,für fremde Rechnung" handele.

Der gegen die Steuerbescheide nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage hat das FG stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Übernahme des Provisionsrisikos durch die Klägerin habe die vermittelten Kaufverträge nicht berührt. Das Risiko des Verkaufs zu dem im Vermittlungsauftrag festgelegten Mindestverkaufpreis habe der Neuwagenkunde / Gebrauchtwagenverkäufer getragen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§§ 3 Abs. 8, 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1967). Zur Begründung trägt es vor:

Die Vermittlertätigkeit als sonstige Leistung (§ 3 Abs. 8 UStG 1967) müsse nicht nur - wie hier geschehen - in fremdem Namen, sondern nach dem Gesamtbild der Verhältnisse und nach außen hin erkennbar - auf fremde Rechnung" ausgeübt werden. Im Streitfall fehle der eindeutige Nachweis der Tätigkeit auf fremde Rechnung; insoweit habe sich das FG ,,mit der Wahrung von Formalien zufriedengegeben". Der ,,umsatzsteuerlich bedeutsamste Teil" des Geschäfts, nämlich die finanzielle Beteiligung der Klägerin am Altwagenverkauf, sei von den Vermittlungsaufträgen nicht erfaßt. Durch die Förderung des laut Vereinbarung fremden Geschäfts auf eigene Kosten habe sich das geschäftliche Risiko auf die Klägerin derart verlagert, daß ein Eigengeschäft vorliege. Das eigentliche Eigeninteresse der Klägerin sei auf das Neuwagengeschäft gerichtet. Da ihr hier ein Gewinn verbleibe, mache sie das Altwagengeschäft ,,zu ihrem eigenen", denn der vereinbarte Mindesterlös werde nur durch die eigene finanzielle Beteiligung erreicht.

Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Die formalen und inhaltlichen Voraussetzungen einer Vermittlertätigkeit seien erfüllt. Ihr finanzielles Engagement sei bei wirtschaftlicher Betrachtung dem Neuwagengeschäft und mittelbar dem daraus folgenden Werkstattgeschäft zuzuordnen und sei in kaufmännischen Überlegungen der Kulanz und der Werbung begründet. Das Fehlen einer angemessenen Provision bewirke keine Umwandlung der Vermittlungsleistung in ein Eigengeschäft. Eine Provision müsse nicht kostendeckend sein. Es könne das typische Wagnis des Vermittlers sein, daß ein Teil der Agenturgeschäfte nur als ,,Minus-Geschäfte" abzuwickeln sei. Das Absatzrisiko trage vorliegend - in Übereinstimmung mit den bisherigen Grundsätzen der Rechtsprechung - der jeweilige Auftraggeber. Auch der Bundesminister der Finanzen (BMF) lege den Begriff der agenturschädlichen Eigenleistung eng aus (Bezugnahme auf dessen Schreiben vom 17. September 1980 IV A 2 - S 7110 - 8/80, BStBl I 1980, 720).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Die Vorentscheidung beruht auf einer Verletzung der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 UStG 1967/1973, weil das FG die Voraussetzungen verkannt hat, unter denen ein Vermittlungsverhältnis zwischen Auftraggebern (Verkäufer der Gebrauchtwagen) und der Klägerin beim Verkauf von Gebrauchtwagen an Dritte anzunehmen ist.

1. Das FG hat seiner Entscheidung das aus dem Begriff des durchlaufenden Postens (§ 5 Abs. 3 UStG 1951; § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1967/1973) abgeleitete Abgrenzungsmerkmal zugrunde gelegt, wonach umsatzsteuerrechtlich Vermittler sei, wer in fremdem Namen und für fremde Rechnung handele. Es hat folglich darauf abgestellt, daß - trotz Abschluß der Verträge ,,in fremdem Namen" und ihrer vereinbarungsgemäßen Durchführung (einschließlich der Rechnungslegung über das Agenturverhältnis) - die Auftraggeber das Absatzrisiko der vermittelten Geschäfte getragen hätten. Die Klägerin ihrerseits habe lediglich ein im Bereich der gewerblichen Vermittler übliches, agenturunschädliches Provisionsrisiko getragen. Der Auffassung, sog. Minusgeschäfte seien stets als Eigenhandelsgeschäfte zu beurteilen, sei daher nicht zu folgen. Diese Erwägungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.

2. Der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat ausgeführt, daß eine solche Beurteilung der Leistungsbeziehungen zwischen den Auftraggebern und dem ,,Vermittler" umsatzsteuerrechtlich nicht maßgebend sei (Urteile vom 20. Februar 1986 V R 133/75, BFH / NV 1986, 311; vom 25. Juni 1987 V R 78/79, BFHE 150, 205, BStBl II 1987, 657). Der auch für das Umsatzsteuerrecht in der Regel maßgebliche Zurechnungsgrundsatz des § 164 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - (vgl. auch BFH-Beschluß vom 14. April 1983 V B 28/81, BFHE 138, 113, 115 f., BStBl II 1983, 393) gelte dann nicht, wenn durch das Handeln in fremdem Namen lediglich verdeckt werde, daß der Vertreter und nicht der Vertretene die Leistung erbringe. Bei umsatzsteuerrechtlich zutreffender Beurteilung liege ein Eigengeschäft des ,,Vermittlers" immer dann vor, wenn eine (entgeltliche) Lieferung des Gebrauchtwagenverkäufers an den ,,Vermittler" gegeben sei, so daß für die Annahme einer Geschäftsbesorgung, gerichtet auf eine dem Gebrauchtwagenverkäufer zu erbringende Vermittlungsleistung, kein Raum sei. Eine - so dann endgültige - Lieferung (§ 3 Abs. 1 UStG 1967/1973) im Sinne einer Zuwendung der wirtschaftlichen Substanz eines Gegenstandes (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1979 V R 87/72, BFHE 129, 425, BStBl II 1980, 279) - des Gebrauchtwagens - sei anzunehmen, wenn im Falle der Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens anläßlich des Verkaufs eines Fahrzeuges nach Bezahlung des nicht zur Verrechnung vorgesehenen Teils des Kaufpreises und Hingabe des Gebrauchtwagens der Neuwagenverkauf endgültig abgewickelt sei. Der Käufer des Neuwagens gehe regelmäßig davon aus, daß damit die ihm gegenüber bestehende Kaufpreisforderung in vollem Umfange getilgt sei (Bezugnahme auf Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 5. April 1978 VIII ZR 83/77, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1978, 1482; vom 31. März 1982 VIII ZR 65/81, NJW 1982, 1699).

Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Gerade der Zusammenhang des Vermittlungsauftrags mit einem Neuwagenverkauf läßt es als geboten erscheinen, ,,in Abweichung von dem verwendeten Vertragsformular" (BGH-Urteil in NJW 1978, 1482 unter II. 1.) durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) unter Berücksichtigung der Interessenlage beider Vertragsparteien grundsätzlich anzunehmen, daß diese die Übernahme des Kaufpreisrisikos durch den Vermittler sowie dessen Verzicht auf eine einseitige Beendigung des Vertrages - es sei denn aus wichtigem Grunde - vereinbart haben (vgl. auch BGH-Urteil vom 24. November 1980 VIII ZR 339/79, Lindenmaier / Möhring - LM -, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, Nr. 56 zu § 433 BGB; ausführlich Behr, Die Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen als Beispiel der Entstehung eigenen Rechts für verkehrstypische Verträge, Archiv für die civilistische Praxis, Bd. 185 - 1985 -, S. 401 ff.).

3. Diese Rechtsgrundsätze sind auch im Streitfall anzuwenden. Hiernach ist die Klägerin bei der Abwicklung der Gebrauchtwagenverkäufe nicht als Agentin (Vermittlerin), sondern als Eigenhändlerin tätig geworden. In Anbetracht der bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen der Inzahlungnahme stellt sich der zwischen ihr und den Gebrauchtwagenverkäufern vereinbarte ,,Mindestverkaufspreis" als ein Festpreis dar, für welchen letztere ihre Gebrauchtfahrzeuge endgültig an die Klägerin geliefert haben. Denn dieser sog. Mindestverkaufspreis ist auf den Kaufpreis der Neuwagen sofort in voller Höhe angerechnet worden, ohne Rücksicht darauf, ob er erzielt werden würde oder nicht (Urteil in BFHE 150, 205, BStBl II 1987, 657). Ohne rechtliche Bedeutung ist das Vorbringen der Klägerin im Revisionsverfahren, sie habe deswegen kein Kosten- bzw. Absatzrisiko getragen, weil sie jeweils vor Ausführung von Vermittlungen das Einverständnis des Auftraggebers zu einem Verkauf unter ,,Limitpreis" eingeholt habe. Denn auch wenn dieser Mindestpreis im Einzelfall nachträglich einvernehmlich herabgesetzt worden ist, ändert dies nichts daran, daß die Gebrauchtwagenverkäufer zunächst nur einen bestimmten Festpreis erzielen wollten und den Gebrauchtwagen hierfür lieferten (vgl. Urteil in BFH / NV 1986, 311, zu 5 a).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415359

BFH/NV 1988, 330

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