Entscheidungsstichwort (Thema)

Schaumweinbesteuerung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ob eine bei Schaumwein übliche Aufmachung im Sinne von § 1 Abs.3 Nr.1 SchaumwStG vorliegt, ist unter Berücksichtigung der dafür geltenden Vermarktungsregelungen zu beurteilen. Auf die Bezeichnung (Etikettierung) kommt es insoweit nicht an.

2. Der Schaumweinbesteuerung nach § 1 Abs.3 Nr.1 SchaumwStG --hier: für italienischen Perlwein, in einer bei Schaumwein üblichen Aufmachung, in Schaumweinflaschen-- steht Gemeinschaftsrecht nicht entgegen.

 

Normenkette

SchaumwStG § 1 Abs. 3 Nr. 1; EWGVtr Art. 95, 30

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ 1989 bei dem beklagten und revisionsbeklagten Hauptzollamt --HZA-- Perlwein aus Italien zum freien Verkehr abfertigen. Die Flaschen hatten jeweils einen nach innen gewölbten Boden und am Flaschenhals einen als Halterung zur Befestigung des Stopfens dienenden Wulst; die jeweils mit besonderer Haltevorrichtung versehenen pilzförmigen Korkstopfen waren ganz, die Flaschenhälse teilweise mit Folie bedeckt. Das HZA erhob für beide Einfuhren neben der Einfuhrumsatzsteuer auch Schaumweinsteuer.

Die hiergegen gerichteten Klagen hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht --FG-- entschied, der eingeführte Wein unterliege gemäß § 1 Abs.3 Nr.1 des Schaumweinsteuergesetzes --SchaumwStG-- der Schaumweinsteuer. Er weise eine bei Schaumwein handelsübliche Aufmachung auf. Die handelsübliche Aufmachung einer Ware werde grundsätzlich durch die Gepflogenheiten des Marktes bestimmt, wobei sich diese an den gesetzlichen Vorgaben zu orientieren hätten. Die Aufmachung des Weines --Verschluß der Flaschen mit pilzförmigen Korkstopfen mit Haltevorrichtung, Stopfen ganz, Flaschenhals teilweise mit Folie umkleidet-- entspreche den Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr.3309/85 des Rates vom 18.November 1985 zur Festlegung der Grundregeln für die Bezeichnung und Aufmachung von Schaumwein und Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 320/9), insbesondere Art.10 Abs.1 Buchst.a, 1.Gedankenstrich. Die nur in italienischer Sprache abgefaßte Etikettierung stelle dies um so weniger in Frage, als mit der Hervorhebung der Traubensorte (Prosecco) die Möglichkeit einer Verwechselung mit "Sekt" bestehe. Es gebe auch keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß es sich nicht um Schaumweinflaschen handele. Die Flaschen wiesen zudem jeweils den für Schaumweinflaschen typischen Wulst am Flaschenhals auf und hielten einem bestimmten Kohlensäureüberdruck stand. Das gesamte äußere Erscheinungsbild der Prosecco-Flaschen gleiche den im Handel üblicherweise vorrätigen Schaumweinflaschen.

Gegen beide Urteile richten sich die von der Klägerin eingelegten Revisionen. Die Klägerin macht geltend, Art.10 der Verordnung Nr.3309/85 beziehe sich ausschließlich auf Schaumwein und enthalte keine Regelung über die Vermarktung anderer Getränke wie des eingeführten "Vino frizzante". § 1 Abs.3 SchaumwStG verstoße gegen Gemeinschaftsrecht (Art.30 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft --EWGV--), soweit eine Besteuerung als Schaumwein für Weine erfolge, die nicht der gemeinschaftsrechtlichen Schaumweinklassifizierung entsprächen. Allein auf die Aufmachung der Flasche könne es nicht ankommen. Aus der Etikettierung sei zu erkennen, daß es sich nicht um Schaumwein handele. Im übrigen seien die Behältnisse auch keine Schaumweinflaschen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revisionen sind nicht begründet. Das FG hat aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), zutreffend erkannt, daß der eingeführte Wein der Schaumweinbesteuerung unterliegt; § 1 Abs.3 Nr.1, Abs.6, § 2 Abs.1 Nr.1, § 7 Abs.1 SchaumwStG (in Verbindung mit den Zollvorschriften). Die Steuerregelung begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken.

1. Nach § 1 Abs.3 Nr.1 SchaumwStG (in der Fassung des Gesetzes vom 4.Juni 1971, BGBl I 1971, 745, BZBl 1971, 605) gilt jedes (andere) aus frischen Weintrauben, Traubenmost oder Wein hergestellte alkohol- und kohlensäurehaltige Getränk mit geringerem Kohlensäureüberdruck als "Schaumwein", wenn es in Schaumweinflaschen enthalten ist und eine Aufmachung aufweist, die bei Schaumwein üblich ist. Ein "Unterdruckprodukt" dieser Art ist (Ersatz-)Steuergegenstand. Der Regelung liegt die Erwägung zugrunde, daß eine mit der Nichtbesteuerung als Schaumwein verbundene ungerechtfertigte steuerliche Bevorzugung solcher (Substitutions-)Erzeugnisse, wie sie zunehmend eingeführt wurden, beseitigt werden sollte (amtliche Begründung zum Gesetz vom 4.Juni 1971, BTDrucks VI/1873, S.3 f).

Der Steuertatbestand ist nach den Feststellungen der Vorinstanz erfüllt. Das gilt zunächst für das Besteuerungsmerkmal der Abfüllung in Schaumweinflaschen. Das FG hat die Umschließungen des Weines entsprechend ihrer Beschaffenheit (nach innen gewölbter Boden, Wulst am Flaschenhals) nach dem Erscheinungsbild den handelsüblichen Schaumweinflaschen gleichgestellt, derartige Flaschen mithin für vorliegend erachtet. Diese Beurteilung ist, weil zumindest möglich, der revisionsgerichtlichen Nachprüfung entzogen (vgl. Gräber/Ruban, FGO, 2.Aufl. 1987, § 118 Anm.40). Mit dem Vorbringen, die Flaschen hätten zwar eine sektflaschenähnliche Form, seien aber keine Schaumweinflaschen, ist die Revision somit ausgeschlossen. Durchgreifende Verfahrensrügen, die zum Wegfall der Bindungswirkung führen könnten, sind nicht vorgebracht worden.

Auch das weitere Tatbestandsmerkmal einer bei Schaumwein handelsüblichen Aufmachung ist als erfüllt anzusehen. Der Senat teilt die Auffassung der Vorinstanz, daß die "handelsübliche Aufmachung" durch die an gesetzlichen Vorgaben ausgerichteten Gepflogenheiten des Marktes bestimmt wird (so bereits FG München, Urteil vom 7.September 1988 3 K 1675/88, Entscheidungen der Finanzgerichte 1989, 192, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1989, 117; vgl. auch die --die Gerichte nicht bindende-- Dienstanweisung in Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung V 5202 Abs.2). Hier zu beachten ist vor allem die in Art.10 Abs.1 Buchst.a, 1.Gedankenstrich der Verordnung Nr.3309/85 enthaltene Regelung über die Aufmachung von Schaumwein (u.a. durch Verschluß mit pilzförmigen Stopfen aus Kork usw. mit Haltevorrichtung, Stopfen ganz, Flaschenhals mindestens teilweise mit Folie umkleidet), ferner der damals geltende § 10 Abs.2 der Schaumwein-Branntwein-Verordnung vom 15.Juli 1971 (BGBl I 1971, 939) über den Schaumweinflaschen herkömmlicher Art kennzeichnenden besonderen Verschluß (durch pilzförmige Korken oder Stopfen). Diese unmittelbar nur für die Vermarktung von Schaumwein geltenden Regeln legen zugleich die Aufmachung von Schaumweinflaschen fest, damit die Aufmachung, die ausschließlich, zumindest aber auch "handelsüblich" ist (hier i.S. von § 1 Abs.3 Nr.1 SchaumwStG). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es für die Aufmachung nicht auf die Etikettierung --die Bezeichnung-- an. Nur im Falle von § 1 Abs.3 Nr.2, 1.Alternative SchaumwStG --Abfüllung in anderen Behältnissen als Schaumweinflaschen-- bedarf es einer Bezeichnung als Schaumwein. Bei Abfüllung in Schaumweinflaschen --§ 1 Abs.3 Nr.1 SchaumwStG-- genügt dagegen, wie die anders gefaßte Tatbestandsbeschreibung zeigt, bereits eine handelsübliche Aufmachung ohne Sektetikettierung. In diesem Falle ist die Bezeichnung ohne Bedeutung; das gilt auch, wenn die vorhandene Etikettierung auf einen anderen Wein als Schaumwein hinweist.

"Vino frizzante", selbst wenn er als solcher oder in ähnlicher Weise bezeichnet ist, in entsprechend aufgemachten Schaumweinflaschen gilt mithin als Schaumwein gemäß § 1 Abs.3 Nr.1 SchaumwStG (vgl. auch Peters, Das Verbrauchsteuerrecht, 1989, Tz.195). Die Feststellungen des FG tragen die Beurteilung, daß "Prosecco" in Schaumweinflaschen in einer bei Schaumwein handelsüblichen Aufmachung eingeführt worden ist. Auf die Erwägungen der Vorinstanz über die mit der Bezeichnung "Prosecco" verbundene Aussage braucht nicht eingegangen zu werden.

2. Gemeinschaftsrecht steht der Besteuerung gemäß § 1 Abs.3 Nr.1 SchaumwStG nicht entgegen. Eine gemeinschaftsrechtliche Schaumweinsteuerordnung (mit Ausschluß von "Unterdruckprodukten" von der Besteuerung) besteht nicht; sie ist insbesondere nicht in der Vermarktungsregelung der Verordnung Nr.3309/85 enthalten. Der Steuertatbestand in § 1 Abs.3 Nr.1 SchaumwStG stellt keine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung oder Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art.30 EWGV dar (vgl. auch Senat, Beschluß vom 3.Juni 1980 VII B 40/79, BFHE 131, 149, 155 --Einfuhrumsatzsteuer--). Allenfalls könnte die Besteuerung gegen das Verbot der Diskriminierung von Waren aus anderen Mitgliedstaaten verstoßen (Art.95 EWGV). Die Frage, ob eine entsprechende Diskriminierung vorliegt, ist anhand eines Vergleichs der Belastungen für eingeführte und für gleichartige inländische Waren zu entscheiden (z.B. Senat, Urteile vom 3.April 1984 VII R 18/80, BFHE 141, 81, 83, BStBl II 1984, 513, VII R 63/81, BFHE 141, 86 f., und vom 5.März 1987 VII R 31/84, BFHE 149, 342, 344). Sie ist hier zu verneinen, da die gleiche Besteuerung unterschiedslos für eingeführte und für inländische "Schaumweine" vorgesehen ist. Selbst wenn es keine gleichartigen inländischen Waren geben sollte (wovon der Gesetzgeber ausgegangen zu sein scheint; vgl. BTDrucks VI/1873, S.3), wäre kein Verstoß gegen Art.95 EWGV gegeben. Diese Vorschrift setzt für den Fall des Fehlens gleichartiger inländischer Waren keine Schranken (in diesem Sinne bereits EuGH, Urteil vom 4.April 1968 Rs.31/67, EuGHE 1968, 352, 360 f.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 64414

BFHE 169, 266

BB 1992, 2067 (L)

HFR 1992, 723 (LT)

StE 1992, 575 (K)

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