Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Referendare und Assessoren, die regelmäßig oder gelegentlich bei Rechtsanwälten mitarbeiten, sind Arbeitnehmer der Rechtsanwälte.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1, § 19/1/1, § 38; LStDV § 2/1, § 46

 

Tatbestand

Streitig ist die Lohnsteuerhaftung der Beschwerdeführerin (Bfin.), einer Rechtsanwaltsgemeinschaft, die in den Jahren 1948 bis 1951 mehreren Assessoren und Referendaren für gelegentliche Mitarbeit Zahlung ohne Steuerabzug geleistet hat.

Das Finanzamt nahm die Bfin. für Lohnsteuer in Höhe von 1.345,10 DM und für Abgabe Notopfer Berlin in Höhe von 105 DM als Haftende unter Zugrundelegung des Abschn. 52 c der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1950 in Anspruch. Es hielt die Referendare und Assessoren für Arbeitnehmer, weil sie ihre Tätigkeit nicht unter eigener Verantwortung und für eigene Rechnung ausgeübt hätten. Auf die Dauer der Tätigkeit komme es nicht an, weil in jedem Fall die Arbeitskraft geschuldet werde.

Die Bfin. bestritt die Haftungspflicht dem Grunde nach. Nach ihrer Auffassung seien Assessoren und Referendare, die für einen Rechtsanwalt einen Termin wahrzunehmen, Aktenauszüge zu fertigen oder andere abgegrenzte Tätigkeiten vorzunehmen hätten, freiberuflich tätig. Bei ihnen lägen im Gegensatz zu den Rechtsverhältnissen der Anwaltsassessoren und Stationsreferendare Werkverträge oder Geschäftsbesorgungsverträge vor, bei denen nicht die Arbeitskraft, sondern eine wissenschaftlich-berufliche Leistung geschuldet werde. Außerdem sei das Einkommen der beauftragten Referendare und Assessoren in der Regel so gering, daß es im Lohnsteuerjahresausgleich oder bei einer Einkommensteuerveranlagung steuerfrei bleibe.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, die Tätigkeit der Referendare und Assessoren im Streitfall unterscheide sich nicht wesentlich von der zweifelsfrei unselbständigen Tätigkeit der Stationsreferendare und Anwaltsassessoren während der Ausbildungszeit. Der dem Ausbildungsdienst entwachsene Jungjurist habe rechtlich und tatsächlich nicht die Stellung eines Rechtsanwalts. Er sei vielmehr ohne eigenes Unternehmerwagnis in den Betrieb des Rechtsanwalts, der zu seiner Entlastung die Arbeitskraft des Assessors oder Referendars in Anspruch nehme, eingegliedert.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.

Das Finanzgericht hat zutreffend die aushilfsweise beschäftigten Referendare und Assessoren als Arbeitnehmer der Rechtsanwälte angesehen. Der Reichsfinanzhof hat in dem Urteil VI A 2207/30 vom 21. Januar 1931 (Steuer und Wirtschaft 1931 Nr. 306) ausgeführt, daß Vergütungen, die Referendare von einem Rechtsanwalt für ihre Tätigkeit außerhalb des Vorbereitungsdienstes erhalten, grundsätzlich lohnsteuerpflichtig seien. Der Bundesfinanzhof hat in dem Urteil IV 276/52 U vom 1. Juli 1954 (Slg. Bd. 60 S. 36, Bundessteuerblatt 1955 III S. 14) die Referendare während der Ausbildung als Arbeitnehmer der Justizverwaltung angesehen. Stationsreferendare und Anwaltsassessoren sind während der Dauer der Ausbildung grundsätzlich Arbeitnehmer des ausbildenden Rechtsanwalts; denn zur Erreichung des Ausbildungszweckes ist ihre Eingliederung in den Betrieb des Rechtsanwalts unumgänglich. Bei Referendaren und Assessoren, die sich nicht in der Ausbildung des Rechtsanwalts befinden, aber von einem Rechtsanwalt regelmäßig oder gelegentlich zur Mitarbeit herangezogen werden, ist die Lage nicht wesentlich anders. Die Rechtsprechung hat die einkommensteuerliche Beurteilung der Tätigkeit von Vertretern der Angehörigen freier Berufe davon abhängig gemacht, welche Stellung der Vertreter im Hauptberuf hat, insbesondere ob er im Hauptberuf selbständig oder unselbständig ist (vgl. Hartz-Over, Lohnsteuer-ABC, Stichwörter "Rechtsanwälte" und "Hilfsgeschäft"). Sie hat deshalb z. B. die Tätigkeit eines Rechtsanwalts oder Arztes, der einen anderen Rechtsanwalt oder Arzt gegen Entgelt vertritt, wegen des engen Zusammenhangs mit der selbständig ausgeübten Haupttätigkeit als freiberuflich behandelt. An einem solchen Zusammenhang fehlt es aber im Streitfall. Referendare und Assessoren üben keine anderweitige selbständige Tätigkeit aus, in deren Rahmen sie die Vertretung übernehmen könnten (Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 18 Anm. 3 c). Sie sind gewöhnlich auch im Hauptberuf Arbeitnehmer. Die ihnen von einem Rechtsanwalt regelmäßig oder gelegentlich übertragene Tätigkeit kann praktisch ohne Eingliederung in den Betrieb des Rechtsanwalts nicht ausgeübt werden. Die Referendare und Assessoren unterwerfen sich der Weisungsbefugnis des Rechtsanwalts, der sie beschäftigt. Unerheblich ist, ob sie gleichzeitig für mehrere Rechtsanwälte Aushilfsarbeiten ausführen. Auch auf die Dauer der Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt kommt es nicht entscheidend an. Ferner ist auch der Umstand, daß die aushilfsweise beschäftigten Referendare und Assessoren oft nicht an eine feste Arbeitszeit gebunden sind und zu Hause arbeiten können, für die Frage der Selbständigkeit ohne Bedeutung, da diese Freiheit in der Erledigung der Arbeit auf einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber beruht. Der von der Bfin., beantragten Einholung eines Gutachtens bedarf es nicht, da es sich um die Entscheidung einer steuerlichen Rechtsfrage handelt.

Der Umstand, daß unter Umständen den Referendaren im Lohnsteuerjahresausgleich oder bei der Veranlagung die einbehaltene Lohnsteuer wieder erstattet werden muß, ist kein Grund, den Arbeitgeber von der gesetzlich vorgeschriebenen Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer zu befreien.

 

Fundstellen

BStBl III 1957, 426

BFHE 1958, 503

BFHE 65, 503

StRK, EStG:19/1/1 R 87

NJW 1958, 479

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