Leitsatz (amtlich)

Hat der Arbeitgeber (Versicherungsnehmer) eine Gruppenunfallversicherung für seine Arbeitnehmer abgeschlossen, ist die Zahlung der Versicherungssummen an ihn nicht anzeigepflichtig. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber einen Versicherungsmakler mit der Zahlungsabwicklung beauftragt, dieser die Versicherungssummen auf Grund der Inkassovollmacht des Arbeitgebers mit für den Versicherer schuldbefreiender Wirkung in Empfang nimmt und im Auftrag und auf Anweisungen des Arbeitgebers an die Anspruchsberechtigten weiterleitet.

 

Normenkette

AO § 187a Abs. 3 a.F. (= § 33 Abs. 3 ErbStG 1974); ErbStDV § 7

 

Tatbestand

Der Kläger, ein Versicherungsunternehmen, hat mit der X-AG (im folgenden AG) zugunsten deren Arbeitnehmer einen kollektiven Unfallversicherungsvertrag geschlossen, auf Grund dessen er bei unfallbedingtem Tod, Invalidität, Arbeitsausfall und Heilbehandlung von AG-Betriebsangehörigen bestimmte Versicherungsleistungen zu erbringen hat. Die Versicherungspolice enthält eine Inkassovollmacht zugunsten einer Versicherungsmaklerin und eine Maklerklausel, nach der der Geschäftsverkehr zwischen AG und Kläger über die Versicherungsmaklerin "als Bevollmächtige der Gesellschaften" abgewickelt werden soll. Die Abwicklung erfolgt in der Art, daß die AG den Schadensfall der Versicherungsmaklerin mitteilt, diese noch notwendige Ermittlungen anstellt und von dem Kläger die auszuzahlende Versicherungssumme anfordert. Der Kläger leistet ausschließlich an die Versicherungsmaklerin, die die Zahlungen dann an die Empfangsberechtigten weiterleitet. Bei Unfalltod eines Arbeitnehmers teilt die AG den Namen der Versicherungsmaklerin mit, die ihn an den Kläger weitergibt; darauf zahlt der Kläger die Versicherungssumme an die Maklerin, die die Erben oder die sonstigen Berechtigten feststellt und die Zahlung an sie im Auftrag und auf Grund von Anweisungen der AG abführt.

Mit Verfügung vom 28. September 1972 hat das FA (Beklagter und Revisionskläger) den Kläger unter Hinweis auf § 187 a AO und unter Androhung eines Erzwingungsgeldes aufgefordert, zunächst alle in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1972 auf Grund der Unfallversicherung an die Versicherungsmaklerin oder direkt an die Erben geleisteten Zahlungen anzuzeigen.

Die nach erfolgloser Beschwerde erhobene Klage führte zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung und der Beschwerdeentscheidung. Die Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 24. Juli 1973 VI 26/72 ist in EFG 1974, 21, abgedruckt.

Mit der Revision begehrt das FA Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und Klageabweisung. Zwischen der AG (Versicherungsnehmerin) und der Versicherungsmaklerin bestehe keine Identität. Da die Versicherungsmaklerin die Versicherungssumme auf ihr eigenes Konto erhalten und in eigenem Namen weitergeleitet habe, habe der Kläger die Versicherungssummen nicht an die Versicherungsnehmerin, sondern an die Versicherungsmaklerin ausgezahlt.

 

Entscheidungsgründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassene Revision des FA ist nicht begründet.

Die Entscheidung des FG läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des FG ist davon auszugehen, daß die Ansprüche aus der Gruppenunfallversicherung als Fremdversicherung den versicherten Arbeitnehmern zustehen, sie jedoch nur von dem Arbeitgeber als dem Versicherungsnehmer und Inhaber des Versicherungsscheins geltend gemacht werden können, und daß die Versicherungsmaklerin die Versicherungssummen auf Grund der Inkassovollmacht der AG mit für den Kläger schuldbefreiender Wirkung in Empfang nimmt und im Auftrag und auf Anweisung der AG an die Anspruchsberechtigten weiterleitet.

Eine Anzeigepflicht besteht für den Kläger nicht.

Nach § 187 a Abs. 3 AO a. F. (= § 33 Abs. 3 ErbStG 1974) haben Versicherungsunternehmen dem FA Anzeige zu erstatten, bevor sie Versicherungssummen oder Leibrenten einem anderen als dem Versicherungsnehmer auszahlen oder zur Verfügung stellen; das Nähere bestimmt § 7 ErbStDV. Der Kläger war nach diesen Vorschriften nicht verpflichtet, dem FA die geforderten Anzeigen zu erstatten. Die Zahlungen an die von der Versicherungsnehmerin beauftragte Maklerin sind den Zahlungen an die Versicherungsnehmerin selbst gleichzustellen.

Wenn § 187 a Abs. 3 AO a. F. bei Zahlungen an den Versicherungsnehmer keine Anzeigepflicht des Versicherungsunternehmens begründet, so kann das nur darin seinen Grund haben, daß ein mit diesen Zahlungen zusammenhängender erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb des Versicherungsnehmers, der die Anzeigepflicht rechtfertigen würde, nicht denkbar ist.

Dies erhellt auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die Anzeigepflicht der Versicherungsunternehmen geht auf § 60 ErbStG 1919 (RGBl 1919, 1543, 1563) zurück. Danach waren Versicherungsunternehmen verpflichtet - bevor sie auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags auf den Todesfall zu leistende Versicherungssummen oder Leibrenten auszahlten - "der Steuerbehörde eine Abschrift des Versicherungsscheins und etwaiger Nachträge einzureichen und ihr die Person des Empfangsberechtigten nach Namen, Stand und Wohnung mitzuteilen". Durch Art. I Nr. 38 ErbStÄndG vom 20. Juli 1922 (RGBl I 1922, 610, 620) wurde diese Anzeigepflicht neu gefaßt. Dadurch sollte die Vorschrift eine zweckmäßigere Fassung erhalten und der Kreis der von der Vorschrift betroffenen Versicherungsunternehmen erweitert werden. Während § 60 ErbStG 1919 nur Versicherungsleistungen betraf, die als Erwerbe von Todes wegen in Betracht kamen, wurde die Mitteilungspflicht nach der neuen Fassung der Vorschrift auf alle Versicherungs- und Leibrentenverträge ausgedehnt, um auch die Schenkungen zu erfassen; vorausgesetzt war nur, daß Zahlung an einen anderen als den Versicherungsnehmer erfolgen soll (Kipp, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, 1927, § 29 Anm. 1). Dem lag die Vorstellung zugrunde, daß im Falle eines Erwerbs von Todes wegen oder einer Schenkung der Versicherungsnehmer nicht als erbschaftsteuerpflichtiger Erwerber der Versicherungssumme in Frage kommt und Zahlungen an ihn deshalb keine Auskunftspflicht des Versicherungsunternehmens rechtfertigen.

Die Regelung des § 187 a AO a. F. kann auch in einer gewissen Entsprechung zu der der §§ 75, 76 des Versicherungsvertragsgesetzes gesehen werden. Wenn nach diesen Vorschriften bei Verträgen der in Frage stehenden Art dem Versicherten zwar die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zustehen, der Versicherungsnehmer aber im eigenen Namen verfügungsberechtigt ist, so zeigt dies u. a. , daß es der Versicherer aus Gründen der Rechtssicherheit und der Zweckmäßigkeit bei der Abwicklung des Vertrags nur mit dem Versicherungsnehmer zu tun haben soll (vgl. Prölss-Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 20. Aufl., § 75 Anm. 1 unter Hinweis auf Motive S. 148). Damit steht im Einklang, wenn in diesen Fällen das Versicherungsunternehmen nicht zu einer Anzeige bezüglich möglicher erbschaftsteuerlicher Erwerbe Dritter verpflichtet wird. Hätte der Gesetzgeber auch für diesen Fall eine Anzeigepflicht des Versicherungsunternehmens begründen wollen, so hätte er eine entsprechende Vorschrift schaffen müssen.

Sinn und Zweck des § 187 a AO a. F. machen keinen Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, die Anzeigepflicht des Versicherungsunternehmens bei Zahlungen unmittelbar an den Versicherungsnehmer zu verneinen, bei Zahlungen an einen Versicherungsmakler aber zu bejahen, obwohl sich der Versicherungsnehmer des Versicherungsmaklers lediglich zur weiteren Abwicklung des Schadensfalls bedient und dieser in keinerlei vertraglichen Beziehungen zu dem endgültig Anspruchsberechtigten steht.

Wenn das FA demgegenüber darauf hinweist, AG (Versicherungsnehmerin) und Versicherungsmakler seien nicht identisch, und der Versicherungsmakler habe die Zahlungen auch nicht als Vertreterin der AG, sondern im eigenen Namen in Empfang genommen, so träfe dies auch bei Einzahlungen auf ein Konto der Versicherungsnehmerin bei einer Bank zu. Die Anzeigepflicht nach § 187 a Abs. 3 AO a. F. entfällt aber nicht nur dann, wenn der Versicherer unmittelbar an den Versicherungsnehmer bar bezahlt, sondern auch dann, wenn der Versicherer über einen oder mehrere Dritte an den Versicherungsnehmer leistet; dabei ist nicht entscheidend, ob der Dritte eine Bank oder ein Versicherungsmakler ist, sondern lediglich, ob er im Auftrag des Versicherungsnehmers oder "anderer" - insbesondere der Versicherten - tätig wird.

Dem Versicherer wird auch bei der vom Senat in Übereinstimmung mit dem FG für richtig gehaltenen Auslegung des § 187 a Abs. 3 AO a. F. nicht zugemutet, die Vertragsbeziehungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsmakler im einzelnen zu untersuchen; vielmehr wird es in der Regel genügen, wenn der Versicherer sich vergewissert, daß der Versicherungsmakler lediglich in vertraglichen Beziehungen zum Versicherungsnehmer (abgesehen von den vertraglichen Beziehungen zum Versicherer selbst) steht, nicht aber zu den Versicherten oder sonstigen Dritten. Im Streitfall ergab sich dies bereits aus dem Versicherungsvertrag des Klägers mit der AG.

Bei anderer Auslegung des § 187 a AO a. F. könnte die Anzeigepflicht unschwer durch Errichtung eines Zwischenkontos auf den Namen der AG vermieden werden. Auch diese einfache Umgehungsmöglichkeit spricht dafür, daß die vom FA für richtig gehaltene Auslegung dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gerecht wird.

 

Fundstellen

BStBl II 1975, 841

BFHE 1976, 291

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