Entscheidungsstichwort (Thema)

Erklärungspflicht bei Bauherren- und Ersterwerbergemeinschaften

 

Leitsatz (NV)

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VO zu § 180 Abs. 2 AO 1977 i. d. F. des StBereinG 1986, die auch für zurückliegende Feststellungszeiträume anzuwenden ist, sind nicht die Bauherren (Ersterwerber), sondern die für sie handelnden Personen verpflichtet, Feststellungserklärungen für die Gemeinschaft abzugeben.

 

Normenkette

AO 1977 § 180 Abs. 2 (i. d. F. des StBereinG 1986), Abs. 2 V

 

Tatbestand

Die Kläger, Beigeladenen und Revisionskläger (Kläger und Beigeladene) erwarben 1983 im Rahmen eines sog. Ersterwerbermodells Eigentumswohnungen in B. Im Zusammenhang mit dem Erwerb der Eigentumswohnungen schloß jeder Erwerber weitere Verträge, unter anderem einen Treuhandvertrag mit der A.-Unternehmensberatung GmbH und einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit der K.-Restaurations Betriebs KG in B. Der Geschäftsbesorger sollte für die Erwerber u. a. die Finanzierung vorbereiten und die Wohnungen vermieten. Den Treuhänder beauftragten die Erwerber, in ihrem Namen alle Handlungen und Rechtsgeschäfte vorzunehmen, die mit dem Erwerb der Eigentumswohnungen zusammenhängen. Sämtliche Verträge waren nach einem einheitlichen Muster verfaßt und Bestandteil des von der A.-Unternehmensgruppe ausgearbeiteten Erwerbermodells.

Durch gleichlautende Verfügungen forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die Kläger und Beigeladenen als Wohnungseigentümer zur Abgabe einer gemeinsamen Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte für 1983 auf. Das FA teilte in den Verfügungen mit, daß es beabsichtige, nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) eine gesonderte und einheitliche Teilfeststellung der Einkünfte der Ersterwerbergemeinschaft - beschränkt auf den Gesamtaufwand lt. notariellem Kaufvertrag - durchzuführen. Die Oberfinanzdirektion (OFD) B wies die Beschwerden gegen die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung zurück. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobenen Klagen ab, nachdem es diejenigen Erwerber, die nicht Klage erhoben hatten, zu dem Rechtsstreit beigeladen hatte. Zur Begründung des klageabweisenden Urteils führte das FG aus, nach § 180 Abs. 2 AO 1977 stehe es im Ermessen des FA, ob es für eine Wohnungseigentümergemeinschaft gesonderte und einheitliche Feststellungen durchführen wolle. Das FA habe nicht ermessensfehlerhaft gehandelt, wenn es sich entschieden habe, für die Wohnungseigentümergemeinschaft eine gesonderte und einheitliche Feststellung durchzuführen, und die Erwerber aufgefordert habe, eine gemeinsame Feststellungserklärung abzugeben.

Dagegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision, mit der geltend gemacht wird, das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft seien mehrere Personen an dem Gegenstand der Einkünfteerzielung beteiligt. Zweckmäßigkeitserwägungen könnten die Rechtsgrundlage für die Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung nicht ersetzen.

Für den Revionskläger zu 10 hat der Prozeßbevollmächtigte trotz Aufforderung keine Vollmacht vorgelegt.

Die Kläger und Beigeladenen beantragen, das Urteil des FG und die Aufforderung des FA zur Abgabe der Feststellungserklärung für 1983 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision des Revisionsklägers zu 10 ist unzulässig, weil der Prozeßbevollmächtigte keine Prozeßvollmacht nach § 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgelegt hat (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Mai 1979 VII B 10/79, BFHE 128, 24, BStBl II 1979, 564, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).

2. Die Revision der übrigen Revisionskläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanz, der Beschwerdeentscheidung der OFD und der angefochtenen Verfügungen des FA. Das Urteil des FG verstößt gegen § 180 Abs. 2 AO 1977 i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 - StBereinG - (AO 1977 n. F.) vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO 1977 n. F. vom 19. Dezember 1986 (BGBl I 1986, 2663, BStBl I 1987, 2). Nach diesen Vorschriften haben die Personen eine Erklärung zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen abzugeben, die bei dem Erwerb, der Betreuung, Geschäftsführung oder Verwaltung des Gesamtobjekts für die Feststellungsbeteiligten gehandelt haben. Zu diesen Personen gehören insbesondere die Treuhänder und Geschäftsbesorger, die mit den Erwerbern von Eigentumswohnungen gleichlautende Verträge über den Erwerb, die Finanzierung und die Verwaltung von Eigentumswohnungen in sog. Ersterwerbermodellen abschließen. Erklärungspflichtig sind danach - jedenfalls in erster Linie - nicht die Erwerber und zukünftigen Wohnungseigentümer, sondern die an der Planung und dem Erwerb des Gesamtobjekts (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 VO zu § 180 Abs. 2 AO 1977 n. F.) beteiligten Personen (ebenso Abschn. 6.1 letzter Halbsatz des Schreibens des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 27. Februar 1987 IV A 5 - S 0361 - 10/87, BStBl I 1987, 362).

Wie der Senat im Urteil vom 1. Dezember 1987 IX R 90/86, BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319, entschieden hat, ist die Neufassung des § 180 Abs. 2 AO 1977 durch das StBereinG 1986 i. V. m. der dazu ergangenen Verordnung in anhängigen gerichtlichen Verfahren auch für solche Feststellungszeiträume anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung liegen. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Für das Streitjahr 1983 trifft danach die Erklärungspflicht nicht die Kläger und Beigeladenen, sondern die in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VO zu § 180 AO 1977 n. F. genannten Personen.

Die Sache ist spruchreif. Das Urteil des FG, die Beschwerdeentscheidung der OFD und die angefochtenen Verfügungen des FA sind aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 und Abs. 2 FGO.

Die Kosten des Revisionsverfahrens des Revisionsklägers zu 10 hat der Prozeßbevollmächtigte zu tragen, weil er als vollmachtloser Vertreter die Erfolglosigkeit der Revision veranlaßt hat (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 135 Anm. 4, m. w. N.).

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 618

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