Leitsatz (amtlich)

Das FA ist zur Rückzahlung des zur Lohnsteuer erhobenen Konjunkturzuschlags verpflichtet, wenn erwiesen ist, daß Konjunkturzuschlag einbehalten und bisher nicht zurückgezahlt worden ist. Dies gilt auch, wenn dem FA eine auf amtlichem Vordruck vom Arbeitgeber erteilte Bescheinigung nicht vorgelegt wird.

 

Normenkette

KonjZG § 2 Abs. 3, § 3 Abs. 3 S. 3 Hs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) beantragte bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten, dem für seinen Wohnsitz zuständigen Finanzamt (FA), die Rückzahlung des im Jahre 1971 von einem früheren Arbeitgeber einbehaltenen Konjunkturzuschlags zur Lohnsteuer. Zum Nachweis legte er eine Bescheinigung dieses Arbeitgebers vor, die auf einem Bogen mit vorgedrucktem Briefkopf des Arbeitgebers gefertigt war.

Das FA lehnte die Rückzahlung ab mit der Begründung, der Kläger habe keine auf amtlichem Vordruck erteilte Bescheinigung vorgelegt (§ 2 Abs. 3 Sätze 2 und 3 des Gesetzes über die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlages zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer vom 23. Juli 1970 - KonjZG -, BGBl I 1970, 1125, BStBl I 1970, 914).

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte in der in Entscheidungen der Finanzgerichte 1975 S. 339 (EFG 1975, 339) veröffentlichten Vorentscheidung u. a. aus: Ohne Vorlage der vorgeschriebenen Bescheinigung könne der Kläger die Rückzahlung des Konjunkturzuschlags nicht verlangen. Auf die Einhaltung der eindeutigen Vorschrift könne nur verzichtet werden, wenn der Kläger den Verlust einer solchen Bescheinigung nicht zu vertreten habe und diese nicht von dem früheren Arbeitgeber wieder zu beschaffen sei. Eine solche Ausnahmesituation bestehe im Streitfall nicht.

Mit der Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung der Vorschriften des § 3 KonjZG über die Rückzahlung des Konjunkturzuschlags.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Das FA ist im Streitfall für die Rückzahlung des Konjunkturzuschlags zuständig. Zwar ist in § 3 Abs. 3 Satz 3 KonjZG die Rückzahlung des Konjunkturzuschlags eines Arbeitnehmers durch das FA nur dann ausdrücklich vorgeschrieben, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Freigabe nicht mehr in einem Dienstverhältnis steht. Ob diese Voraussetzung im Falle des Klägers erfüllt war, hat das FG nicht festgestellt. Trotzdem ist die Zuständigkeit des FA gegeben, weil einem Arbeitgeber, bei dem der Kläger zu diesem Zeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis gestanden hätte, die Rückzahlung des von einem früheren Arbeitgeber einbehaltenen Konjunkturzuschlags verboten gewesen wäre. Denn ein Arbeitgeber ist zur Rückzahlung des Konjunkturzuschlags nur berechtigt und verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer ihm eine Bescheinigung nach § 2 Abs. 3 KonjZG vorlegt. Eine solche Bescheinigung aber besitzt der Kläger nicht. Zutreffend wird daher in dem Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen vom 20. April 1972 (BStBl I 1972, 206) betreffend Rückzahlung des Konjunkturzuschlags ausgeführt, daß das FA für die Rückzahlung auch dann als zuständig anzusehen ist, wenn die Rückzahlung durch den Arbeitgeber nicht zulässig ist (Tz. 17 Satz 2). Dieser Auffassung ist schon deshalb zuzustimmen, weil der Konjunkturzuschlag im Rahmen der Zuständigkeit der FÄ erhoben und zurückgezahlt wurde und die Arbeitgeber dabei lediglich bestimmte Hilfsfunktionen wahrzunehmen hatten.

Nach § 3 Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz KonjZG ist die Vorlage der nach § 2 Abs. 3 KonjZG vom Arbeitgeber (auf amtlichem Vordruck) erteilten Bescheinigung über die Einbehaltung des Konjunkturzuschlags zur Lohnsteuer auch dann erforderlich, wenn der Arbeitnehmer - wie im Streitfall - die Rückzahlung des Konjunkturzuschlags vom FA verlangt. Diese Vorschrift besagt indessen nicht, daß der Rückzahlungsanspruch nur bei Vorlage der Bescheinigung besteht. Wird der Nachweis, daß der Konjunkturzuschlag zur Lohnsteuer einbehalten und nach seiner Freigabe nicht zurückgezahlt worden ist, in anderer Weise geführt, dann muß das FA den Konjunkturzuschlag zur Lohnsteuer dem Arbeitnehmer auch dann zurückzahlen, wenn dieser eine Bescheinigung i. S. von § 2 Abs. 3 KonjZG nicht vorlegt. Das Bescheinigungserfordernis ist - anders als bei einer Rückzahlung durch den Arbeitgeber nach § 3 Abs. 3 Satz 2 KonjZG - kein Merkmal des materiellen Rückzahlungstatbestandes, sondern ein Beweismittel für die den Rückzahlungsanspruch ergebenden Tatsachen.

Der erkennende Senat sieht sich zu dieser Auslegung berechtigt durch die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu einer verfassungskonformen Gesetzesauslegung entwickelt hat (vgl. Beschlüsse des Ersten Senats vom 7. Mai 1953 1 BvL 104/52, BVerfGE 2, 266, und vom 17. Dezember 1975 1 BvR 428/69, BVerfGE 41, 65 [86]). Hiernach verdient, wenn ein Gesetz mehrere Auslegungen zuläßt, diejenige den Vorzug, die im Einklang mit dem Grundgesetz (GG) steht. Eine Auslegung des § 3 Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz KonjZG mit dem Ergebnis, daß ein Anspruch auf Rückzahlung des Konjunkturzuschlags nicht besteht, wenn zwar die ihn ergebenden Tatsachen erwiesen sind, die in § 2 Abs. 3 KonjZG genannte Bescheinigung aber nicht vorgelegt wird, wäre mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Eine solche Auslegung würde ohne zwingenden Grund dazu führen, daß Arbeitnehmer durch den Konjunkturzuschlag zur Lohnsteuer stärker belastet würden als andere Steuerpflichtige, die dem Konjunkturzuschlag zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer unterliegen. Dieser Unterschied wäre mit den Besonderheiten des zur Lohnsteuer erhobenen Konjunkturzuschlags nicht zu rechtfertigen (vgl. Beschluß des BVerfG vom 13. Dezember 1967 1 BvR 679/64, BVerfGE 23, 1, BStBl II 1968, 70).

Ein Bescheinigungsverfahren ist nur beim Konjunkturzuschlag zur Lohnsteuer vorgesehen, nicht aber beim Konjunkturzuschlag zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer. Dies war erforderlich, weil der Arbeitgeber wie beim Lohnsteuerabzugsverfahren in die Erhebung und die Rückzahlung des Konjunkturzuschlags eingeschaltet wurde. Ohne das nach Form und Inhalt genau geregelte Bescheinigungsverfahren hätte insbesondere bei einem Arbeitgeberwechsel die Rückzahlung des von einem früheren Arbeitgeber einbehaltenen Konjunkturzuschlags nicht dem neuen Arbeitgeber übertragen werden können. Es ist unvermeidlich, daß in diesem Falle der neue Arbeitgeber an den Inhalt der Bescheinigung auf amtlichem Vordruck gebunden sein muß. Ähnlich ist beim Arbeitgeberwechsel auch der neue Arbeitgeber an die Eintragungen eines früheren Arbeitgebers auf der Lohnsteuerkarte gebunden, wenn er den Lohnsteuer-Jahresausgleich durchführt.

Für die Rückzahlung des Konjunkturzuschlags durch das FA kann der auf amtlichem Vordruck zu erteilenden Bescheinigung nur die Eigenschaft eines, wenn auch besonders gewichtigen, Beweismittels zugesprochen werden. So wie wegen Fehlens einer Lohnsteuerkarte (mit Lohnsteuerbescheinigung) nicht die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs oder einer Veranlagung zur Einkommensteuer durch das FA versagt werden kann, so kann auch nicht die Rückzahlung des Konjunkturzuschlags allein wegen Fehlens der Bescheinigung versagt werden. Die Erteilung der Bescheinigung hängt von einer Entschließung und einem Tätigwerden des Arbeitgebers ab. Der Arbeitnehmer hat hierauf nur begrenzten Einfluß. Wenn ihm schon ohne seine Mitwirkung der Konjunkturzuschlag durch den Arbeitgeber einbehalten wird, so kann er nicht auch noch mit dem Risiko der Rückzahlung belastet werden, wenn der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Ausstellung der Bescheinigung nicht nachkommt. Hierin würde eine Benachteiligung gegenüber anderen Steuerpflichtigen liegen, die dem Konjunkturzuschlag zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer unterliegen und wegen der Rückzahlung nicht auf eine Bescheinigung angewiesen sind. Diese Benachteiligung wäre durch verfahrensmäßige Erfordernisse weder geboten noch sachlich hinreichend gerechtfertigt und daher verfassungswidrig.

Das FG ist bei der Vorentscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Deshalb wird die Vorentscheidung aufgehoben, Die Sache geht an das FG zurück, weil noch in tatsächlicher Hinsicht festzustellen ist, ob Konjunkturzuschlag in der vom Kläger geltend gemachten Höhe einbehalten und ihm bisher auch noch nicht erstattet worden ist.

 

Fundstellen

BStBl II 1979, 55

BFHE 1979, 237

BFHE 1979, 257

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