Leitsatz (amtlich)

1. Ob ein Steuerpflichtiger i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG (§ 20a Abs. 2 Nr. 9 Satz 2 LStDV) außerhalb des Ortes untergebracht ist, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, richtet sich nach den gleichen Grundsätzen wie bei der doppelten Haushaltsführung i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 LStDV).

2. Unterhält der Steuerpflichtige am bisherigen Wohnort keinen eigenen Hausstand, so können Kosten der auswärtigen Unterbringung und Verpflegung zum Zwecke der Berufsausbildung oder Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf auch nicht bei Lehrgängen von verhältnismäßig kurzer Dauer als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG (§ 20a Abs. 2 Nr. 9 LStDV) berücksichtigt werden.

 

Normenkette

EStG 1969 § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 5, § 10 Abs. 1 Nr. 9; LStDV 1968 § 20 Abs. 2 Sätze 1, 4 Nr. 3; LStDV 1970 § 20a Abs. 2 Nr. 9, § 58 Abs. 2 Nr. 3

 

Tatbestand

Der ledige Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1969 als Dipl.-Kfm. bei einem Verband beschäftigt. Er lebte im Jahre 1969 im Hause seiner Eltern in P. Er nahm in der Zeit vom 29. September 1969 bis 8. Oktober 1969 an einem theoretischen Lehrgang für Skilehrer-Anwärter in N teil. In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1969 machte der Kläger hierfür Aufwendungen von 715,40 DM als Kosten der Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erkannte 145 DM Fahrtkosten und 9 DM Lehrgangsgebühr als Sonderausgaben an. Er ließ aber die vom Kläger geltend gemachten Übernachtungskosten von 260 DM und Mehraufwendungen für Verpflegung von 288,60 DM nicht zum Abzug zu. Der Einspruch wurde insoweit als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG führte aus, der Kläger habe keinen eigenen Hausstand gehabt. Er lebe und wohne mit seinen Eltern in deren Haushalt. Dem stehe nicht entgegen, daß sein z. T. mit eigenen Möbeln ausgestattetes Zimmer einen eigenen Zugang habe und er für den Wohnraum und den Unterhalt seinen Eltern einen angemessenen Kostenanteil zahle. Die geltend gemachten Kosten für Übernachtung und der Mehraufwand für Verpflegung seien im Streitfall als Sonderausgaben abzugsfähig. Es sei die Rechtsprechung des BFH entsprechend anzuwenden, die bei unverheirateten Arbeitnehmern, die an einem anderen Ort vorübergehend zum Zwecke der Fortbildung tätig seien, Mehrverpflegungsaufwendungen als Werbungskosten berücksichtige, auch wenn der Arbeitnehmer keinen doppelten Haushalt führe. Es müsse sich in diesen Fällen um einen vorübergehenden Aufenthalt von verhältnismäßig kurzer Dauer handeln, und der Arbeitnehmer müsse den Mittelpunkt seines Lebens von dem bisherigen wohnort, an den er nach Beendigung der Fortbildung zurückkehre, beibehalten. Man könne keinen Unterschied machen zwischen der Anerkennung solcher Werbungskosten und dem Abzug entsprechender Kosten für die Berufsausbildung oder für die Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf als Sonderausgaben. In Anlehnung an die Pauschsätze für Mehraufwendungen für Verpflegung bei doppelter Haushaltsführung (Abschn. 26 LStR 1970) seien im Streitfall die als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1969 (§ 20a Abs. 2 Nr. 9 LStDV 1970) abzugsfähigen Mehraufwendungen für Verpflegung auf 11 DM täglich, d. h. für 10,3 Tage auf 114 DM zu schätzen. Bei den Übernachtungskosten sei in Übereinstimmung mit den Angaben des Klägers ein Betrag von 9 DM täglich einzusetzen.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG 1969 und des § 20a Abs. 2 Nr. 9 Satz 2 LStDV 1970. Es meint, nach diesen Vorschriften seien Kosten für Mehrverpflegung und Übernachtung nur zu berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer wegen der Ausbildung außerhalb des Ortes untergebracht sei, an dem er einen eigenen Hausstand habe. Der Kläger habe im Streitjahr 1969 keinen eigenen Hausstand unterhalten. Es sei mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht vereinbar, die Abzugsfähigkeit der Ausgaben deshalb zu bejahen, weil sie im Rahmen einer Fortbildung Werbungskosten seien; denn die Abzugsfähigkeit von Werbungskosten und Sonderausgaben richte sich nach unterschiedlichen Grundsätzen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1969 (§ 20a Abs. 2 Nr. 9 i. V. m. § 58 Abs. 2 Nr. 3 LStDV 1970) können Aufwendungen des Arbeitnehmers für seine Berufsausbildung oder seine Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf bis zu 900 DM im Kalenderjahr als Sonderausgaben abgezogen werden. Dieser Betrag erhöht sich auf 1 200 DM, wenn der Arbeitnehmer wegen der Ausbildung oder Weiterbildung außerhalb des Ortes untergebracht ist, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält. Zu den Aufwendungen für eine Berufsausbildung oder Weiterbildung gehören nicht Ausgaben für den Lebensunterhalt, es sei denn, es handelt sich um Mehraufwendungen, die durch eine auswärtige Unterbringung entstehen. Aufwendungen für wohnung und Verpflegung gehören zu diesen in § 10 Abs. 1 Nr. 9 Satz 4 EStG 1969 (§ 20a Abs. 2 Nr. 9 Satz 4 LStDV 1970) genannten Aufwendungen für den Lebensunterhalt, die nach Satz 5 i. V. m. Satz 2 dieser Vorschriften ausdrücklich vom Abzug als Sonderausgaben ausgenommen sind, falls der Arbeitnehmer nicht wegen der Ausbildung oder Weiterbildung außerhalb des Ortes untergebracht ist, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält (so auch Nissen, DB 1969, 230, und O. L. in BB 1969, 209).

Wann ein Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand unterhält, ist im Gesetz nicht geregelt. Da der Gesetzgeber die Abzugsfähigkeit der Kosten einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG 1969 (§ 20 Abs. 2 Satz 4 Nr. 3 LStDV 1968) ebenfalls von der Unterhaltung eines eigenen Hausstandes außerhalb des Ortes seiner Tätigkeit abhängig gemacht hat, ist der Senat der Auffassung, daß die Frage der Unterhaltung eines eigenen Hausstandes i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1969 (§ 20a Abs. 2 Nr. 9 LStDV 1970) im gleichen Sinne auszulegen ist wie in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG 1969 (§ 20 Abs. 2 Satz 4 Nr. 3 LStDV 1968).

Nach der zur doppelten Haushaltsführung ergangenen Rechtsprechung des Senats (vgl. insbesondere Urteil vom 19. November 1971 VI R 132/69, BFHE 103, 533, BStBl II 1972, 155) unterhält ein Lediger, der in einem möblierten Zimmer am Beschäftigungsort wohnt, in der Regel dort seinen Haushalt. Hat er eine Wohnung mit eigenen Möbeln an einem dritten Ort, so hat er nicht gleichzeitig dort einen zweiten Haushalt, sondern der dortige Haushalt ruht in der Zeit, in der er am Beschäftigungsort wohnt. Der Senat hat im übrigen bei der doppelten Haushaltsführung einen eigenen Hausstand eines ledigen Steuerpflichtigen stets verneint, wenn er im Hause seiner von ihm finanziell nicht abhängigen Eltern ein ganz oder teilweise mit eigenen Möbeln eingerichtetes Zimmer bewohnt, auch wenn er von den Eltern mitverpflegt wird und zu den Kosten des elterlichen Hausstandes beigetragen hat; denn es handelt sich in solchen Fällen um einen Hausstand der Eltern und nicht um einen eigenen Hausstand des ledigen Sohnes (vgl. Urteile vom 4. August 1967 VI R 261/66, BFHE 89, 530, BStBl III 1967, 727; vom 18. August 1967 VI R 135/67, BFHE 90, 40, BStBl III 1967, 792; vom 16. November 1971 VI R 347/69, BFHE 103, 520, BStBl II 1972, 152, und vom 16. November 1971 VI R 353/69, BFHE 103, 501, BStBl II 1972, 132).

Diese Grundsätze sind entsprechend auf die Unterhaltung eines Haushaltes bei einer Berufsausbildung oder einer Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf anzuwenden. Ein Lediger hat mithin, wenn er am Ort der Ausbildung oder Weiterbildung wohnt, in der Regel dort seinen Haushalt. Er kann folglich die Kosten für Unterkunft und Verpflegung am Ort der Berufsausbildung oder Weiterbildung in der Regel nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 Sätze 1 und 2 EStG 1969 (§ 20 a Abs. 2 Nr. 9 Sätze 1 und 2 LStDV 1970) geltend machen.

Der entsprechenden Anwendung der vom Senat zur doppelten Haushaltsführung entwickelten Rechtsgrundsätze bei der Anwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1969 (§ 20 a Abs. 2 Nr. 9 LStDV 1970) steht nicht entgegen, daß der Gesetzgeber dort im Gegensatz zu § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG 1969 (` 20 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 LStDV 1968) nicht vom "Wohnen", sondern von der "Unterbringung" an einem anderen Ort spricht. Denn die Worte "Unterbringen" und "Wohnen" besagen dasselbe.

Das FG hat im Streitfall ohne Rechtsverstoß festgestellt, der ledige Kläger habe 1969 keinen eigenen Hausstand in P. besessen, sondern im Haushalt seiner Eltern gelebt. Er war folglich in der Zeit vom 29. September 1969 bis 8. Oktober 1969, als er einen theoretischen Lehrgang für Skilehrer-Anwärter in N besuchte, nicht im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1969 (§ 20 a Abs. 2 Nr. 9 LStDV 1970) "außerhalb des Ortes untergebracht, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält".

Das FG hat im Streitfall gleichwohl die Kosten der Mehrverpflegung und der Unterkunft in N von insgesamt 214 DM als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1969 (§ 20 a Abs. 2 Nr. 9 LStDV 1970) zum Abzug zugelassen, weil es die zum allgemeinen Begriff der Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG 1969 ergangene Rechtsprechung des Senats entsprechend angewandt hat, nach der unverheiratete Arbeitnehmer, bei denen die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung nicht vorliegen und die verhältnismäßig kurze Zeit dienstlich an einen anderen Ort abgeordnet sind, die hierdurch entstandenen Unterkunftskosten und Mehrverpflegungskosten als Werbungskosten geltend machen können, falls sie den Mittelpunkt ihres Lebens am bisherigen Wohnort beibehalten haben, an den sie nach Beendigung der Abordnung zurückkehren (vgl. Urteile des Senats VI R 135/67, VI R 347/69). Der Senat tritt dieser Ansicht nicht bei. Das FG hat übersehen, daß es im Gegensatz zu den Werbungskosten keinen generellen, umfassenden Begriff der Sonderausgaben gibt. Während Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG 1969 alle Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen sind, gelten als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG 1969 (§ 20 a Abs. 2 Satz 1 LStDV 1968) nur die dort einzeln aufgeführten und von bestimmten Voraussetzungen abhängigen Aufwendungen, die weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind. Beruflich bedingte Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung können daher ggf. Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG 1969 sein. Sie können aber, wenn der Steuerpflichtige nicht außerhalb des, Ortes seines eigenen Hausstandes untergebracht ist, keine als Sonderausgaben abzugsfähigen Kosten der Berufsausbildung oder Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf sein, da der Gesetzgeber ihre Berücksichtigung in § 10 Abs. 1 Nr. 9 Satz 5 i. V. m. Satz 2 EStG 1969 (§ 20 a Abs. 2 Nr. 9 Satz 5 i. V. m. Satz 2 LStDV 1970) - wie oben ausgeführt - ausdrücklich ausgeschlossen hat.

Die Vorentscheidung war aufzuheben, weil das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist spruchreif. Da das FA die vom Kläger geltend gemachten Übernachtungskosten von 260 DM und die Mehraufwendungen für Verpflegung von 288,60 DM zu Recht nicht als Sonderausgaben zum Abzug zugelassen hat, ist die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl II 1975, 79

BFHE 1975, 440

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