Entscheidungsstichwort (Thema)

KraftSt-Befreiung für das Halten von ,,Berlin-Anhängern"

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Entstehung von KraftSt für das Halten von ,,Berlin-Anhängern" ohne regelmäßigen Standort in Berlin vor dem 1. Mai 1978 (im Anschluß an BFHE 144, 176, BStBl II 1985, 636).

2. Eine KraftSt-Umgehung liegt nicht vor, wenn für das Halten der ,,Berlin-Anhänger" ab 1. Mai 1978 in Berlin KraftSt festgesetzt worden ist.

 

Normenkette

DB KraftStÄndG Bln 1950 § 1 Nr. 1; KraftStG 1972 § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 5 Nr. 1; AO 1977 § 42; StVZO § 23 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 3

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Für die Klägerin wurde am 25. August 1977 in Berlin (West) ein Kraftfahrzeuganhänger zugelassen, der am 29. August 1977 über eine seit 1963 bestehende, mit der Vermietung von Anhängern in das übrige Bundesgebiet befaßte Zweigniederlassung der Klägerin in Berlin für 54 Monate einem Unternehmen in A (Bundesgebiet) vermietet wurde. Kraftfahrzeugsteuer wurde für die Zeit bis 30. April 1978 aufgrund Berliner Landesrechts zunächst nicht, für die Zeit ab 1. Mai 1978 durch die zuständige Finanzbehörde in Berlin erhoben.

Mit Bescheid vom 6. März 1981 setzte das Finanzamt - FA - gegen die Klägerin Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum vom 25. August 1977 bis 30. April 1978 fest. Ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht - FG - (Urteil vom 28. Juni 1982 VIII 245/81, Entscheidungen der Finanzgerichte 1983, 83; Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1983, 100) mit der Begründung statt, nach dem bis zum 30. April 1978 geltenden Berliner Landesrecht sei das Halten in Berlin zugelassener Anhänger ohne Einschränkung kraftfahrzeugsteuerfrei gewesen. Die angegriffene Steuerfestsetzung beruhe auf einer über den möglichen Wortsinn der landesrechtlichen Befreiungsvorschrift hinausgehenden Auslegung. Die Besteuerung führe dazu, daß die in einem Lande geltende Steuervergünstigung rückgängig gemacht werde und einem anderen Lande Steuern zugeführt würden, bis die örtlich zuständige Finanzbehörde die Kraftfahrzeugsteuer erhebe. Die Nichtbeachtung verkehrsrechtlicher Vorschriften könne die Steuerpflicht nicht begründen. Dies ergebe sich auch daraus, daß das Halten des Anhängers ab 1. Mai 1978 in Berlin besteuert werde, obwohl zulassungsrechtlich und auch in der Nutzung des Fahrzeugs von einem bestimmten Standort aus keine Änderung eingetreten sei. Wären die behaupteten Verstöße gegen das Zulassungsrecht steuerrechtlich erheblich, so könnte das FA auch jetzt noch auf seinem Besteuerungsanspruch bestehen. Es liege auch kein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts vor, weil die ,,Verwendung" der Berliner Zweigniederlassung eine interne organisatorische Maßnahme, aber keine Rechtsgestaltung sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA.

Die Klägerin führt im wesentlichen aus, Aufgabe ihrer Berliner Zweigniederlassung sei es, Fahrzeuge für das Vermietungsgeschäft bereitzuhalten; regelmäßiger Standort der Fahrzeuge sei dabei Berlin. Die Vermietung ,,ins Bundesgebiet" sei lediglich Folge der Tatsache, daß die Niederlassung Berlin im Rahmen ihres organisatorischen Auftrags Fahrzeuge bereithalte und zulassen lasse. Es fehle auch an dem subjektiven Tatbestand einer Steuerumgehung. Es sei überdies widersprüchlich, wenn das FA für die Zeit bis zum 30. April 1978 Kraftfahrzeugsteuer nacherheben wolle, sich aber ab 1. Mai 1978 nicht mehr für zuständig halte.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Die Klägerin schuldet die festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer für das Halten des für sie in Berlin (West) zugelassenen Kraftfahrzeuganhängers, obwohl bis zum 30. April 1978 nach Berliner Landesrecht (§ 1 Nr. 1 der Durchführungsbestimmungen vom 16. September 1950 zu dem durch Gesetz vom 3. August 1950 geänderten Kraftfahrzeugsteuergesetz, Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Sb. II 6111-2) das Halten von in Berlin zugelassenen Anhängern uneingeschränkt kraftfahrzeugsteuerfrei war, weil die Zulassung in Berlin (West) in Ermangelung eines dortigen regelmäßigen Standorts des Anhängers mißbräuchlich erwirkt worden und der Steueranspruch gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) in Verbindung mit den kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Vorschriften (insbesondere § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 5 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1972) so entstanden ist, wie er bei der sachlich gebotenen Erwirkung der Zulassung im Bezirk des FA, das für die Festsetzung örtlich zuständig ist, entstanden wäre. Zur Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 13. August 1985 VII R 172/83 - Berlin-Anhänger - (BFHE 144, 176, BStBl II 1985, 636).

Das FG, das von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen ist, hat festgestellt, daß die Berliner Zweigniederlassung der Klägerin die Vermietung von Berlin-Anhängern in das übrige Bundesgebiet betrieb und daß der für die Zweigniederlassung am 25. August 1977 (Donnerstag) in Berlin zum Verkehr zugelassene streitbefangene Anhänger am 29. August 1977 an ein Unternehmen im Bezirk des FA vermietet und von diesem Standort aus genutzt wurde. Diese Feststellungen rechtfertigen die Annahme, daß der zur Vermietung bestimmte Anhänger, sollte er überhaupt der Zulassungsstelle in Berlin vorgeführt worden sein (vgl. in diesem Zusammenhang § 23 Abs. 4 Satz 3 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - StVZO -), nicht in Berlin, sondern am Sitz des Mieters seinen regelmäßigen Standort hatte. Regelmäßiger Standort (Heimatort) im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 StVZO ist der Zentralpunkt der Fahrzeugverwendung, der Ort, von dem aus das Fahrzeug zu Fahrten verwendet und an den es nach Durchführung der Fahrten wieder zurückgebracht werden soll (vgl. Full/Möhl/Rüth, Straßenverkehrsrecht, 1980, § 23 StVZO Rdnr. 9). Nach den festgestellten Umständen kam dafür nur der Standort am Sitz des Mieters in Betracht, nicht dagegen, für nur drei bis vier Tage (Wochenende eingeschlossen), der Sitz der Zweigniederlassung, die sich mit dem Vermietungsgeschäft befaßte.

Die Klägerin hat von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht, zwar nicht dadurch, daß sie das Vermietungsgeschäft über ihre Zweigniederlassung betreiben, wohl aber dadurch, daß sie den Anhänger in Berlin zulassen ließ und damit diesen Ort als voraussichtlichen regelmäßigen Standort des Fahrzeugs angab. Die damit eingetretene Erfüllung des Steuertatbestandes indiziert eine Umgehungsabsicht (BFHE 144, 176, 184, BStBl II 1985, 636, 641).

Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Klägerin für das Halten des Anhängers ab 1. Mai 1978 in Berlin zur Kraftfahrzeugsteuer veranlagt wird. Mit der Veranlagung zur Kraftfahrzeugsteuer in Berlin entfällt vom 1. Mai 1978 an das Merkmal der Umgehung (vgl. § 42 Satz 1 AO 1977). Über die Frage der Steuergläubigerschaft - Berlin oder Baden-Württemberg - hat der Senat nicht zu entscheiden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 434

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