Leitsatz (amtlich)

Eine Entgeltsrückgewähr liegt vor, wenn der Empfänger das Entgelt an denjenigen wieder herausgibt, der es gezahlt hat. Es ist nicht erforderlich, daß das der Zahlung zugrunde liegende Geschäft oder seine Entgeltlichkeit aufgehoben wird.

 

Normenkette

UStG § 12

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob ein Unternehmer das vereinnahmte Entgelt zurückgewährt hat (§ 12 UStG).

Die Revisionsklägerin (Stpfl.), ein Versandgeschäft, verkauft ihre Waren gegen Bar- und gegen Teilzahlung. Bei den Teilzahlungsgeschäften leistet der Kunde eine Anzahlung. Für den Rest des Kaufpreises beantragt er formularmäßig bei einer von der Stpfl. benannten Bank einen Kredit. Den Antrag übersendet der Kunde zusammen mit der Bestellung an die Stpfl. Diese leitet den Antrag nach Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kunden an die Bank weiter. Wenn die Bank den Kredit gewährt, zahlt sie die restliche Kaufpreisschuld an die Stpfl. Der Kunde tilgt das Darlehen einschließlich der Zinsen und Bearbeitungsgebühren durch Ratenzahlungen an die Bank.

Die Stpfl. muß auf Grund des Vertrages mit der Bank (im folgenden als Rahmenvertrag bezeichnet) die Darlehnsforderungen einschließlich der Nebenkosten übernehmen, wenn der Kunde seine Darlehnsschuld nicht ordnungsgemäß tilgt und die dritte Mahnung ohne Erfolg bleibt. In diesem Falle ist die Bank berechtigt, die Stpfl. mit der noch bestehenden Restforderung zu belasten (Ausfallhaftung).

Die Stpfl. unterwarf die Kundenanzahlungen und die von der Bank überwiesenen Gegenwerte der für den Restkaufpreis gewährten Darlehen als vereinnahmte Entgelte der Umsatzsteuer. Die ihr von der Bank nach dem Rahmenvertrag "rückbelasteten" Beträge behandelte sie mit Ausnahme der darin enthaltenen Kreditzuschläge als zurückgewährte Entgelte im Sinne des § 12 UStG. Das FA vertrat demgegenüber nach einer Betriebsprüfung die Ansicht, daß keine Entgeltrückgewähr vorliege, weil die kaufrechtlichen Beziehungen zwischen der Stpfl. und dem Kunden mit Überweisung der Restkaufsumme durch die Bank abgeschlossen seien und durch die "Rückbelastung" eine Darlehnsforderung auf die Stpfl. übertragen werde. Die von der Stpfl. gegen die Berichtigungsbescheide eingelegten Sprungberufungen führten nur wegen einer in der Revisionsinstanz nicht mehr streitigen Frage zur Herabsetzung der Steuernachforderung. Das FG ging bei seiner Entscheidung von der neueren Rechtsprechung des BFH aus (Urteil des BFH V 86/56 S vom 30. Oktober 1958, BFH 67, 478, BStBl III 1958, 455), wonach Kauf- und Kreditgeschäft bei Kreditgewährung an den Kunden durch ein Finanzierungsinstitut und Haftungsübernahme des Verkäufers nicht mehr wie nach der früheren Rechtsprechung des BFH als einheitlicher Kreditkauf, sondern als getrennte Geschäfte zu beurteilen seien. Das FG meinte, von dieser für die Steuerpflichtigen hinsichtlich der Finanzierungszuschläge günstigen rechtlichen Würdigung müsse auch für die Entscheidung der Frage ausgegangen werden, ob Entgelte im Sinne des § 12 UStG zurückgewährt worden seien.

Mit ihrer Rb. rügt die Stpfl. falsche Rechtsanwendung und führt zur Begründung aus, das FG irre, wenn es aus dem BFH-Urteil V 86/56 S (a. a. O.) eine so weitgehende Folgerung ableite. Es liege eine Rückgewähr des Entgelts im Sinne des § 12 UStG vor, weil sie im wirtschaftlichen Ergebnis den vereinnahmten Verkaufserlös wieder herausgeben müsse.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. war nach Inkrafttreten der FGO -- 1. Januar 1966 -- als Revision zu behandeln. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die Stpfl. durfte die "rückbelasteten" Beträge nach § 12 UStG von den im Kalenderjahr der "Rückbelastung" vereinnahmten Entgelten absetzen. Eine Entgelt-Rückgewähr im Sinne des § 12 UStG liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger das vereinnahmte Entgelt wieder herausgeben muß. Diese Vorschrift bietet einen Ausgleich dafür, daß bereits die Vereinnahmung ohne Rücksicht darauf, ob der Unternehmer die Einnahme endgültig behalten darf, die Umsatzsteuer auslöst. Auf diesen Ausgleichszweck hat bereits der RFH in seinem Urteil V A 35/28 vom 17. April 1928 (RFH Bd. 23 S. 157, Urteil ergangen zu § 16 UStG 1926, der dem § 12 UStG 1951 entspricht) hingewiesen. Er bestätigt darin seine frühere, noch heute anerkannte Rechtsprechung, wonach bei Bezahlung durch einen Wechsel das Entgelt vereinnahmt sei, wenn der Unternehmer den Wechsel weitergebe (diskontiere). Er führt aus, diese umsatzsteuerliche Behandlung wäre unbillig, wenn der Unternehmer die beim Wechselregreß gezahlten Beträge nicht als zurückgewährte Entgelte absetzen dürfte.

Die Stpfl. befindet sich wirtschaftlich in derselben Lage wie ein Unternehmer, der beim Wechselregreß an einen am Grundgeschäft unbeteiligten Dritten die Wechselsumme wieder herausgeben muß. Die in Form einer "Rückbelastung" durch buchmäßige Verrechnung geleistete Zahlung an die Bank entspricht der Zahlung der Wechselsumme an einen Dritten (Nachmann) im Falle des Wechselrückgriffs.

Der Ausgleichszweck des § 12 UStG gebietet es, eine Entgeltsrückgewähr anzunehmen, wenn dem Unternehmer vereinnahmtes Entgelt wirtschaftlich wieder entzogen wird. Damit werden für die Beurteilung der Frage, ob eine Entgeltsrückgewähr vorliegt, die gleichen Maßstäbe angelegt wie für die Entscheidung der Frage, ob ein Entgelt vereinnahmt ist. Ein Entgelt wird als vereinnahmt angesehen (§ 5 Abs. 1 UStG), selbst wenn nicht feststeht, ob es der Empfänger ganz oder zum Teil wird zurückgewähren müssen. Es genügt für die Vereinnahmung, wenn der Empfänger wirtschaftlich über das Entgelt verfügen kann. Dann muß es aber für die Anerkennung einer Entgeltsrückgewähr auch ausreichen, wenn das Entgelt dem Unternehmer wirtschaftlich wieder entzogen wird, weil er es wieder herausgeben muß. Unerheblich ist, ob und in welcher rechtlichen Form ein Anspruch gegen den früheren Schuldner wieder entsteht.

Es ist für die Annahme einer Entgeltsrückgewähr nicht erforderlich, daß die Beteiligten das Lieferungsgeschäft oder seine Entgeltlichkeit aufheben (vgl. das RFH-Urteil V A 422/33 vom 15. September 1933, RStBl 1933, 1248, auf das fast alle Erläuterungsbücher Bezug nehmen) oder daß der Empfänger das Entgelt an seinen unmittelbaren Abnehmer bzw. ein anderes Glied innerhalb der Lieferkette zurückgibt (siehe Hartmann-Metzenmacher, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, Erläuterungen zu § 12 UStG, Anm. 11, und das RFH-Urteil V 142/40 vom 8. Mai 1942, RStBl 1942, 829). Weder Wortlaut noch Zweck des § 12 UStG beschränken die Anwendungsmöglichkeit dieser Vorschrift auf die vom Schrifttum angeführten Möglichkeiten. Aus dem Wortlaut des § 12 UStG läßt sich nur entnehmen, daß der Unternehmer das Entgelt an denjenigen zurückgewähren muß, von dem er es empfangen hat. Es würde dem Ausgleichszweck des § 12 UStG widersprechen, wenn die "Rück"zahlung mit dem früheren Zahlungsvorgang wirtschaftlich nicht mehr zusammenhinge (z. B. "Rück"zahlung des Empfängers aus einem neuen Anlaß). Dies ist aber hier nicht der Fall; denn die Stpfl. leistet auf Grund des Rahmenvertrages, der Bestandteil des gesamten Finanzierungsvorganges ist.

Da im Streitfalle § 12 UStG nach seinem Wortlaut und infolge des dargelegten Ausgleichszwecks anzuwenden ist, kommt es nicht darauf an, ob Finanzierungsgeschäft und Kauf umsatzsteuerlich als einheitlicher Kreditkauf oder als getrennte Geschäfte zu behandeln sind. Die Stpfl. rügt deshalb zu Recht, das FG habe aus dem BFH-Urteil V 86/56 S (a. a. O.) eine zu weitgehende Folgerung abgeleitet. Es darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß die Zahlung des Restkaufpreises durch die Bank von vornherein an die auflösende Bedingung geknüpft war, daß der Käufer und Darlehnsnehmer seine Verpflichtung zur Zahlung der restlichen Raten erfüllt.

 

Fundstellen

BStBl III 1967, 687

BFHE 1967, 492

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