Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerberichtigung, Änderung der maßgeblichen Verhältnisse

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Änderung der für eine Vorsteuerberichtigung nach §15 a Abs. 1 UStG 1980/1991 "maßgebenden Verhältnisse" tritt auch dadurch ein, daß bei tatsächlich gleichbleibenden Verwendungsumsätzen die rechtliche Beurteilung der Verwendung im Erstjahr, die der Gewährung des Vorsteuerabzugs zugrunde lag, sich in einem der Folgejahre als unzutreffend erweist, sofern die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr bestandskräftig und unabänderbar ist.

2. Unabänderbarkeit ist gegeben, wenn "bei der Steuerfestsetzung für das Folgejahr", in der der Steuerberichtigungsbetrag nach §15 a UStG 1980/1991 berücksichtigt worden ist, keine Gründe (z. B. nach §§172 ff. AO 1977) für eine Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr vorliegen.

3. "Bei der Steuerfestsetzung für das Folgejahr" können nur solche Änderungsgründe berücksichtigt werden, deren Voraussetzungen mit Ablauf des Folgejahres verwirklicht waren.

 

Normenkette

UStG 1980/1991 § 15a Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Eigentümer einer 1984 fertiggestellten Eigentumswohnung. Die Wohnung wurde nach Fertigstellung an die N-GmbH (GmbH) zwischenvermietet, die die Wohnung ihrerseits an Endmieter zu Wohnzwecken weitervermietete. Nach dem Konkurs der GmbH wurde ab 1. November 1987 die D-OHG (OHG) als Zwischenmieter eingeschaltet.

Der Kläger verzichtete auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze und machte 1984 Vorsteuerbeträge aus den Anschaffungskosten der Wohnung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erkannte das Zwischenmietverhältnis zunächst an.

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für das Jahr 1987 (Prüfungsbericht vom 9. November 1993) vertrat das FA die Auffassung, das Zwischenmietverhältnis mit der OHG sei nicht anzuerkennen. Das FA änderte mit Umsatzsteuerbescheid vom 17. Dezember 1993 die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre (1988 bis 1991) und berücksichtigte Vorsteuerberichtigungsansprüche nach §15 a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980/1991) in Höhe von ... DM.

Der Einspruch des Klägers hatte insoweit Erfolg, als das FA die vom Kläger in den Steueranmeldungen für die Streitjahre als steuerpflichtig erklärten Vermietungsumsätze nicht mehr der Umsatzsteuer unterwarf. Hinsichtlich der Vorsteuerberichtigung hatte der Einspruch keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Urteil vom 16. Dezember 1993 V R 65/92 (BFHE 173, 270, BStBl II 1994, 485) aus, die Berichtigung des für die Anschaffung der Wohnung in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugsbetrags sei zu Recht erfolgt. Im Streitfall bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die neuerliche Zwischenvermietung der Wohnung durch beachtliche außersteuerliche Gründe veranlaßt gewesen sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 771 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide vom 17. Dezember 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 1994 insoweit zu ändern, als das FA eine Berichtigung nach §15 a UStG 1980/1991 vorgenommen hat.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Vorentscheidung entspricht zwar im Grundsatz der Auslegung des §15 a UStG 1980/1991 durch den BFH. Die vom FG ausgesprochene Rechtsfolge ist jedoch nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt.

1. Der BFH hat mit Urteil vom 12. Juni 1997 V R 36/95 (BFHE 182, 462, BStBl II 1997, 589) entschieden, daß eine Änderung der für eine Vorsteuerberichtigung nach §15 a Abs. 1 UStG 1980/1991 "maßgebenden Verhältnisse" auch dadurch eintritt, daß bei tatsächlich gleichbleibenden Verwendungsumsätzen die rechtliche Beurteilung der Verwendung im Erstjahr, die der Gewährung des Vorsteuerabzugs zugrunde lag, sich in einem der Folgejahre als unzutreffend erweist, sofern die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr bestandskräftig und unabänderbar ist. Auf die Begründung der genannten Entscheidung nimmt der Senat Bezug.

2. Der Senat kann im Streitfall nicht abschließend entscheiden. Das FG hat aufgrund seines Rechtsstandpunktes keine Feststellungen zur Änderbarkeit der Steuerfestsetzungen im Abzugsjahr getroffen.

Nach der Rechtsprechung des Senats in BFHE 182, 462, BStBl II 1997, 589 ist Unabänderbarkeit gegeben, wenn "bei der Steuerfestsetzung für das Folgejahr", in der der Steuerberichtigungsbetrag nach §15 a UStG 1980/1991 berücksichtigt worden ist, keine Gründe (z. B. nach §§172 ff. der Abgabenordnung -- AO 1977 --) für eine Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr vorliegen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 13. November 1997 V R 140/93 (BFHE 184, 130) klargestellt, daß "bei der Steuerfestsetzung für das Folgejahr" nur solche Änderungsgründe berücksichtigt werden können, deren Voraussetzungen mit Ablauf dieses Folgejahres verwirklicht waren.

Wenn die erstmalige tatsächliche Verwendung (Vermietung der Objekte) nicht im Abzugsjahr, sondern in dem späteren Erstjahr erfolgt, ist für die Änderbarkeit der Steuerfestsetzung des Abzugsjahres §175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 26. Februar 1987 V R 1/79, BFHE 149, 307, BStBl II 1987, 521, unter II. 2.) handelt es sich bei der erstmaligen tatsächlichen Verwendung um ein auf das Abzugsjahr zurückwirkendes Ereignis. In diesem Fall beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eintritt (§175 Abs. 1 Satz 2 AO 1977).

 

Fundstellen

Haufe-Index 66544

BFH/NV 1998, 752

HFR 1998, 677

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