Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Körperschaftsteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die atypische stille Beteiligung der Gesellschafter einer GmbH an ihrer GmbH kann nur unter den gleichen Voraussetzungen als verdecktes Stammkapital angesehen werden, die für Gesellschafterdarlehen gelten. An den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs I 130/53 U vom 20. August 1954 (BStBl 1954 III S.336) wird festgehalten. Das gilt auch, wenn die Gesellschafter nur 25 v. H. ihrer Stammeinlagen eingezahlt haben.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 2; KStG § 6 Abs. 1; StAnpG § 1 Abs. 2, § 1/3; AO § 215 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewinnverteilung in der einheitlichen Gewinnfeststellung 1962 einer atypischen stillen Gesellschaft (Mitunternehmerschaft). Gesellschafter der GmbH (Revisionsklägerin zu 1 - GmbH -) waren die Revisionskläger zu 2 (im folgenden Gesellschafter A) und der Revisionskläger zu 3 (im folgenden Gesellschafter B). Die Gesellschafter A und B gründeten die GmbH im Jahr 1960 mit einem Stammkapital von 50 000 DM, von dem sie je 25 v. H. der auf sie entfallenden Stammeinlagen (insgesamt 12 500 DM) einzahlten. Am 3. Januar 1961 vereinbarte die GmbH mit den Gesellschaftern A und B und den beiden gesellschaftsfremden Personengesellschaften X und Y eine atypische stille Gesellschaft. Die Einlagen der atypischen stillen Gesellschafter betrugen bei den Gesellschaftern A und B je 25 000 DM und bei X und Y je 50 000 DM. Vom Gewinn der atypischen stillen Gesellschaft sollten die GmbH 10 v. H. und die anderen Gesellschafter den Restgewinn von 90 v. H. nach Maßgabe ihrer Einlagen erhalten. Damit entfielen auf die Gesellschafter A und B je 15 v. H. und auf die beiden anderen Gesellschafter je 30 v. H. des Gewinns.

Diese Gewinnverteilung erkannte das Finanzamt bei der einheitlichen Gewinnfeststellung nicht an. Es rechnete der GmbH, die das Unternehmen der Gesellschaft leitete, 30 v. H. und den Gesellschaftern A und B je 5 v. H. zu, weil insoweit, als diese Gesellschafter ihre Einlagen in die GmbH nicht voll geleistet hätten, ihre stillen Gesellschaftseinlagen verdecktes Stammkapital der GmbH darstellten.

Dieser Auffassung schloß sich nach erfolglosem Einspruch das Finanzgericht auf die Berufung der GmbH an. Es hielt die vom Finanzamt vertretene Auffassung schon aus rechtlichen Gründen für zutreffend, weil sonst die Vorschriften des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) über die Haftung des Stammkapitals und die Einzahlungsverpflichtung der Gesellschafter umgangen werden könnten. Wirtschaftlich spreche der hohe Kapitalbedarf (die GmbH hatte bis Ende 1962 noch 290 000 DM Bankkredit aufgenommen) dafür, daß eine Kapitalzuführung an die GmbH durch ihre Gesellschafter anstelle einer Beteiligung am Unternehmen der GmbH durch Begründung einer Mitunternehmerschaft zwingend gewesen sei. Die gewählte bürgerlich-rechtliche Form sei unangemessen und verstoße gegen § 6 StAnpG. Auch das Finanzgericht erkannte indessen die atypische stille Gesellschaft an, was zur einheitlichen Gewinnfeststellung der aus der GmbH und den atypischen stillen Gesellschaftern bestehenden Mitunternehmerschaft führte.

 

Entscheidungsgründe

Die jetzt als Revision zu behandelnde Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Anerkennung der begehrten Gewinnverteilung.

Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stellt in zunehmenden Masse die Bedeutung der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung für die steuerliche Beurteilung in den Vordergrund. Darlehen oder personenrechtliche Beteiligungen von Gesellschaftern einer GmbH an deren Unternehmen können im Gegensatz zur bürgerlich-rechtlichen Gestaltung steuerlich nur dann als Stammkapital behandelt werden, wenn eine Kapitalzuführung über Stammkapital zwingend ist. Die Rechtsprechung geht damit für das Gebiet der Körperschaft- und Einkommensteuer über die Anforderungen hinaus, die für die Frage maßgebend sind, ob solche Kapitalzuführungen nach § 3 KVStG zur Kapitalverkehrsteuer heranzuziehen sind. Sie hat besonders in den Entscheidungen I 130/53 U vom 20. August 1954 BStBl 1954 III S. 336, Slg. Bd. 59 S. 329; I 136/59 U vom 6. Oktober 1959, BStBl 1960 III S. 10, Slg. Bd. 70 S. 24, und I 198/62 U vom 28. Oktober 1964, BStBl 1965 III S. 119, Slg. Bd. 81 S.329, ihren Niederschlag gefunden.

Das Urteil I 130/53 U betrifft wie im Streitfall ebenfalls eine atypische Gesellschaft. Die Urteile I 136/59 U und I 198/62 U behandeln Gesellschafterdarlehen, bei denen die Verhältnisse zwischen den Darlehen der Gesellschafter zu den Stammkapitalien ihrer Gesellschaften (6,3 Millionen Darlehen zu einem unbestrittenen unzureichenden Stammkapital von 80.000 DM und 185 000 DM Darlehen zu einem Stammkapital von 30 000 DM) wesentlich ungünstiger als im Streitfall lagen. Im Fall des Urteils I 198/62 U lag zudem ein partiarisches Darlehen mit Gewinnbeteiligung vor, bei dem die Darlehensgeber gewisse gesellschaftsrechtliche Befugnisse hatten und das damit stillen Beteiligungen sehr nahe kam. In allen genannten Fällen wurde die Annahme verdeckten Stammkapitals abgelehnt. Im Urteil I 44/57 U vom 13. Januar 1959, BStBl 1959 III S. 197, Slg. Bd. 68 S.515, wurde allerdings ausgesprochen, verdecktes Stammkapital könne bei bürgerlich-rechtlichen Darlehen angenommen werden, wenn die Darlehensbedingungen nach steuerlicher Beurteilung Mitunternehmerschaft zur Folge hätten; es wurde dabei auf die Grundsätze in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 77/37 vom 31. Oktober 1939 (BStBl 1940 S.35) Bezug genommen. Diese Bezugnahme muß dahin verstanden werden, daß die Annahme verdeckten Stammkapitals bei der Mitunternehmerschaft ähnlichen Darlehen nur eingeschränkt gelten und lediglich für Sonderfälle Bedeutung gewinnen soll. Sollte diesem Gedanken eine darüber hinausgehende allgemeine Bedeutung zugemessen werden, so könnte diese Beurteilung nach Auffassung des erkennenden Senats nicht aufrechterhalten werden.

Der Streitfall zeigt allerdings die Besonderheit, daß die beiden Gesellschafter und Geschäftsführer ihre Stammeinlagen nur zu je 1/4 mit 6125 DM eingezahlt hatten. Eine entscheidende Bedeutung kann dieser Tatsache aber im Gegensatz zur Auffassung des Finanzgerichts nicht beigemessen werden. Die vom Finanzgericht in den Vordergrund gestellte notwendige Erhaltung des Stammkapitals ist nicht beeinträchtigt. Selbst wenn die Entscheidung über die Anforderung der restlichen Stammeinlagen durch die Satzung der GmbH der Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung zugewiesen wäre, kann hieraus allein nicht der Schluß gezogen werden, die Geschäftsführer verstießen mit einem Verzicht auf die Einforderungen gegen grundlegende Bestimmungen des GmbHG. Im Falle der Liquidation oder des Konkurses der GmbH würden die Forderungen auf die restlichen Stammeinlagen vom Liquidator oder Konkursverwalter ohne Beschränkung zur Masse eingezogen werden.

Der Senat sieht unter diesen Umständen keine Möglichkeit, die bürgerlich-rechtliche , Gestaltung gegen deren Gültigkeit keine Einwendungen erhoben werden können, außer Betracht zu lassen und steuerlich die von den Vorinstanzen vertretene Rechtsauffassung zu billigen. Hierfür sprechen auch die in ständiger Rechtsprechung ausgesprochene Anerkennung der GmbH & Co. KG als Personengesellschaft und die Ablehnung ihrer Behandlung als sogenannte große GmbH (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs I 351/56 U vom 16. September 1958, BStBl 1958 III S. 462, Slg. Bd. 67 s. 492; I 221/59 S vom 2. August 1960, BStBl 1960 III S. 408, Slg. Bd. 71 S. 425; I 224/60 U vom 14. März 1961, BStBl 1961 III S. 363, Slg. Bd. 73 S.263; I 231, 232/62 U vom 30. September 1964, BStBl 1965 III S.54, Slg. Bd. 81 S. 151). Erkennt man die GmbH & Co. KG, die weitgehend der Vermeidung der Doppelbelastung und dem Ausschluß der persönlichen Haftung der diese Personengesellschaft tragenden natürlichen Personen dient, steuerlich an, so erscheint es nicht gerechtfertigt, den sowohl bürgerlich-rechtlich als auch wirtschaftlich verhältnismäßig geringfügigen Unterschiedlichkeiten dieser Rechtsgestaltung gegenüber derjenigen des Streitfalles entscheidendes Gewicht im Sinne einer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung beizumessen. Ob das beide Rechtsgestaltungen verbindende Ziel des Ausschlusses einer persönlichen Haftung natürlicher Personen und der Vermeidung der Doppelbesteuerung der Gewinne der GmbH sowohl bei dieser als auch bei den Gesellschaftern dadurch erreicht wird, daß wie bei der GmbH & Co. KG der Gewinn in erster Linie kein Gewinn der GmbH, sondern der KG ist, der nur insoweit durch die Doppelbelastung erfaßt werden kann, als er bei der Gewinnverteilung auf die GmbH entfällt, oder ob dies dadurch geschieht, daß bei der atypischen stillen Gesellschaft nur bürgerlich-rechtlich und bei der echten stillen Gesellschaft auch steuerlich der Gewinn des Gesamtunternehmens ein Gewinn der GmbH ist, der durch die Gewinnanteile der stillen Gesellschafter gemindert wird und insoweit nicht der Doppelbesteuerung unterliegt, kann für die steuerliche Beurteilung der zivilrechtlich zulässigen Gestaltungen keinen grundlegenden Unterschied machen.

Der Senat hat erwogen, in Anlehnung an die Gedankengänge des Finanzgerichts den Grundsatz aufzustellen, daß alle Mittelzuführungen von Gesellschaftern, die im Rahmen des satzungsmäßig festgelegten Nennkapitals liegen, ohne Rücksicht auf ihre bürgerlich-rechtliche Gestaltung steuerlich als Nennkapital anzusehen sind. Man könnte den Standpunkt vertreten, daß es der wirtschaftlichen Bedeutung der Steuergesetze (ß 1 Abs. 2 StAnpG) entspricht, daß eine einmal ins Leben gerufene Kapitalgesellschaft Mittelzuführungen der Gesellschafter an sie und ihren Betrieb solange als Nennkapital behandeln muß, bis die satzungsmäßig vorgesehene Kapitalausstattung erreicht ist. Die Durchführung eines solchen Grundsatzes würde aber mit erheblichen und steuerlich nur mit Schwierigkeiten durchführbaren Abweichungen von den verschiedenartigen bürgerlich-rechtlichen Gestaltungen der Mittelzuführung verbunden sein und deshalb mit dem das Steuerrecht weitgehend beherrschenden Grundsatz der Maßgeblichkeit der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung in einen nicht zu rechtfertigendem Widerspruch geraten. Es kommt hinzu, daß nur solche GmbH von diesem Grundsatz betroffen würden, die für das Gesamtunternehmen eine nur geringe Kapitalausstattung benötigen, weil anderenfalls die volle Einzahlung des niedrig festgesetzten Stammkapitals keine Schwierigkeiten bereitet. Der Senat sieht deshalb von der Aufstellung eines solchen Grundsatzes ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412053

BStBl III 1966, 197

BFHE 74, 539

BB 1966, 689

DB 1966, 564

DStR 1966, 348

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