Leitsatz (amtlich)

Die Steuerfreiheit für den Erwerb eines Grundstücks, auf dem die Erwerber ein Wohngebäude errichtet haben, erstreckt sich nicht auf ein zweieinhalb Jahre später hinzuerworbenes Grundstück, das den Hausgarten vergrößern soll.

 

Normenkette

Nordrhein-Westfalen GrEStWoBauG 1958 § 1 Nr. 1, § 1a Abs. 1; GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Kläger (Eheleute) hatten am 19. Juni 1963 ein in Nordrhein-Westfalen gelegenes, 547 qm großes Grundstück gekauft, darauf ein Wohngebäude errichtet (bebaute Grundfläche 109,62 qm) und es im Dezember 1963 bezogen. Diesen Kaufvertrag hatte das FA als steuerfrei behandelt gemäß § 1 Nr. 1 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau i. d. F. vom 19. Juni 1958 (GVBl, 282, BStBl II, 105) - GrEStWoBauG 1958 -. Rund 2 1/2 Jahre später, am 30. Dezember 1965, kauften die Kläger von der gleichen Verkäuferin ein 439 qm großes, angrenzendes Grundstück hinzu und beantragten, auch diesen Erwerb von der Grunderwerbsteuer zu befreien, da dieses Grundstück als Hausgarten zur Vergrößerung ihres 1963 erworbenen Grundstücks diene.

Der Beklagte, das FA, lehnte die Steuerbefreiung unter Hinweis auf die Verfügung der OFD Köln vom 16. Juli 1962 S 4505-20/62-St 221 ab mit der Begründung, der Zuerwerb des Gartengrundstücks nach Bezugsfertigkeit des Wohnhauses sei steuerpflichtig. Es setzte durch Bescheide vom 12. Mai 1966 die Grunderwerbsteuer für jeden der Kläger auf 460,95 DM fest; die Einsprüche wies es zurück.

Das FG hob die Einspruchsentscheidungen und die Grunderwerbsteuerbescheide auf.

Mit der vom BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung des § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG 1958.

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die gemeinschaftliche Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Das Urteil des FG muß aufgehoben werden, weil es auf unrichtiger Anwendung des § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG beruht. Nach dieser Vorschrift ist grunderwerbsteuerfrei "der Erwerb eines unbebauten Grundstücks ... zur Errichtung eines Gebäudes, dessen anrechenbare Grundfläche aller Räume ... zu mehr als 66 2/3 vom Hundert auf Wohnungen und Wohnräume entfällt, die ... öffentlich gefördert oder als steuerbegünstigt anzuerkennen sind". Diese Vorschrift hat das FG insofern unrichtig angewendet, als es das Tatbestandsmerkmal "Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Errichtung eines Gebäudes" mit steuerbegünstigten Wohnungen für gegeben erachtet hat, obwohl die Kläger das bezeichnete Grundstück nicht zur Errichtung eines Wohngebäudes, sondern zur Vergrößerung ihres Hausgartens erworben hatten.

Zwar hat der BFH wiederholt entschieden, daß die Steuerfreiheit für den Erwerb eines Grundstücks zur Errichtung eines Wohngebäudes sich unter bestimmten Voraussetzungen erstreckt auf den Hinzuerwerb eines Grundstücks, auf dem im Zusammenhang mit der Errichtung des Wohngebäudes Zubehörräume (z. B. Garagen) errichtet werden oder errichtet worden sind, die den Wohnbedürfnissen der Bewohner des Wohngebäudes dienen (z. B. für Schleswig-Holstein Urteil vom 18. Oktober 1972 II R 38/67, BFHE 107, 540, BStBl II 1973, 191; für Niedersachsen Urteile vom 15. Dezember 1972 II R 129/67, BFHE 109, 68, BStBl II 1973, 597, und vom 4. Dezember 1974 II R 127/67, BFHE 114, 509, BStBl II 1975, 363). Aber diese Rechtsprechung läßt sich - entgegen der Ansicht des FG - nicht ohne gesetzliche Grundlage ausdehnen auf den Hinzuerwerb eines angrenzenden Grundstücks, auf dem kein Zubehörraum entstehen, sondern das lediglich den Hausgarten vergrößern soll. Das gilt auch dann, wenn die Fläche des Wohngrundstücks und die des hinzuerworbenen Gartengrundstücks zusammen das Zwölffache der bebauten Grundfläche nicht übersteigen, die Gesamtfläche also vor ihrer Bebauung grunderwerbsteuerfrei hätte erworben werden können (vgl. § 1 a GrEStWoBauG). Denn die Steuerbefreiung endet, wenn der vom Gesetz als förderungswürdig erachtete Zweck (hier die Errichtung des Wohngebäudes) erreicht ist. Dieser Gedanke liegt auch dem vom FG angeführten Urteil des BFH vom 7. Juli 1965 II 166/62 (HFR 1965, 550) zugrunde. Dort hat der BFH entschieden, daß die Steuerfreiheit für den Kauf eines unbebauten, inzwischen bebauten Grundstücks sich nicht erstreckt auf den sechs Jahre später vorgenommenen "Nachkauf des Hausgartens".

Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Die gemeinschaftliche Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Steuerbescheide vom 12. Mai 1966 sind rechtmäßig. Der Kaufvertrag vom 19. Juni 1963 unterlag der Grunderwerbsteuer, denn er begründete für die Kläger den Anspruch gegen die Verkäuferin auf Übereignung des bezeichneten Grundstücks (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1940). Er war aus den dargelegten Gründen nicht gemäß § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG 1958 steuerfrei.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72667

BStBl II 1978, 202

BFHE 1978, 242

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