Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung der KG zum Klageverfahren der Kommanditisten; Antragsrecht des notwendig Beigeladenen

 

Leitsatz (NV)

1. Wird ein Gewinnfeststellungsbescheid, der sich gegen eine KG richtet, von den inzwischen aus der KG ausgeschiedenen Kommanditisten wegen der Höhe des Gesellschaftsgewinns angefochten, so ist die KG zum Klageverfahren notwendig beizuladen.

2. Handelt es sich bei der notwendig beizuladenden Gesellschaft um eine GmbH & Co. KG, so muß sich der Beiladungsbeschluß gegen die KG, vertreten durch die persönlich haftende GmbH, richten.

3. Der notwendig Beigeladene darf im Klageverfahren Sachanträge stellen, die sich gegen den (die) Kläger richten.

 

Normenkette

FGO § 60 Abs. 3, 6 S. 2

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren Kommanditisten der A-KG, die inzwischen als B-KG firmiert (KG). Sie beschäftigte sich in der Vergangenheit mit der Produktion von . . . Komplementärin war die C-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG (GmbH & Co. KG).

Zum 30. Juni 1972 veräußerten die Kommanditisten ihre Gesellschaftsanteile an den Kaufmann X; dieser erwarb auch die Anteile an der Komplementär-GmbH & Co. KG sowie die Anteile an der geschäftsführenden GmbH.

Aufgrund einer Fahndungsprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) Gewinnfeststellungsbescheide für die KG hinsichtlich der Jahre 1970 und 1971 sowie des ersten Halbjahres 1972. Hiergegen legten die KG und die ausgeschiedenen Gesellschafter erfolglos Einspruch ein. Danach erhoben die ehemaligen Gesellschafter Klage zum Finanzgericht (FG); dieses lud die GmbH & Co. KG gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Rechtsstreit bei, weil der Gewinn gegenüber allen Gesellschaftern nur einheitlich festgestellt werden könne.

Die Kläger erstrebten eine Reihe von Bilanzkorrekturen, weil von der Betriebsprüfung Aktiva zu hoch und Passiva zu niedrig angesetzt worden seien; die Beigeladene trat dem in verschiedenen Punkten entgegen oder beantragte eine Erhöhung der Aktiva bzw. eine Ermäßigung der Passiva, um hierdurch eine Gewinnermäßigung für die Zeit nach dem 30. Juni 1972 zu erreichen. Das FG hielt diese Anträge für zulässig. Aufgrund von Feststellungen zugunsten der Kläger und der Beigeladenen kam es für das Jahr 1970 und das erste Halbjahr 1972 zu einer Gewinnerhöhung, für das Jahr 1971 zu einer Gewinnermäßigung. Außerdem ergab sich eine Ermäßigung des Veräußerungsgewinns aus der Veräußerung der Kommanditbeteiligungen.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision muß das angefochtene Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben werden.

In den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheiden wurden in der Zeit vom 1. Januar 1970 bis zum 30. Juni 1972 von der KG erwirtschaftete Gewinne und zusätzlich der abschließende Veräußerungsgewinn der Gesellschafter festgestellt. Wie sich aus § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO ergibt, war in beiden Punkten die KG klagebefugt. Hinsichtlich des Veräußerungsgewinns stand den Kommanditisten das Klagerecht gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO zu; als ausgeschiedene Gesellschafter konnten sie darüber hinaus die Feststellungsbescheide auch hinsichtlich der für die KG ausgewiesenen Gesellschaftsgewinne angreifen, weil sie nunmehr von der Klagebeschränkung des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO befreit waren (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Mai 1973 I R 121/71, BFHE 110, 1, BStBl II 1973, 746, ständige Rechtsprechung).

Im Streitfall ist die Klage von den ausgeschiedenen Kommanditisten erhoben worden. Dies hatte zur Folge, daß die klagebefugte KG gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig beigeladen werden mußte, da die Entscheidung nur einheitlich ergehen konnte. Da eine Klage der KG durch die vertretungsberechtigten Gesellschafter erhoben wird (BFH-Urteil vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672), war auch ein für die KG wirkender Beiladungsbeschluß gegen sie als Vertreter der KG zu richten. Demgemäß hätte sich der Beiladungsbeschluß gegen die KG, vertreten durch die in diesem Zeitpunkt vorhandene persönlich haftende Gesellschafterin, wahrscheinlich die D-GmbH, richten müssen. Das FG hat statt dessen die inzwischen liquidierte und im Handelsregister gelöschte C-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG beigeladen, und auch dies nicht in ihrer Eigenschaft als (vormalige) Komplementärin und Vertreterin der beizuladenden KG, sondern als Gesellschafterin der KG, weil der Gesellschaftsgewinn gegenüber allen Gesellschaftern nur einheitlich festgestellt werden könne; dabei ist aber übersehen worden, daß die Interessen der nicht am Klageverfahren beteiligten Gesellschafter von der klagebefugten und beizuladenden Gesellschaft wahrgenommen werden. Der Beschluß des FG kann auch nicht dahin umgedeutet werden, daß in Wahrheit die KG und nicht die Komplementärin als Gesellschafterin beigeladen worden sei; denn die im Beiladungsbeschluß des FG erwähnte GmbH & Co. KG war im Beiladungszeitpunkt ersichtlich nicht mehr Komplementärin und Vertreterin der KG.

Der Beiladungsmangel ist zwar im Revisionsverfahren nicht gerügt worden; er ist als Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens jedoch von Amts wegen vom Revisionsgericht zu berücksichtigen.

2. In der Sache weist der Senat aus prozeßökonomischen Gründen, jedoch ohne Bindung für das FG, auf folgendes hin:

a) Nach § 60 Abs. 6 Satz 1 FGO kann der Beigeladene Verfahrenshandlungen grundsätzlich nur innerhalb des durch die Anträge des Klägers abgesteckten Rahmens vornehmen. Anderes gilt aber nach § 60 Abs. 6 Satz 2 FGO für den notwendig Beigeladenen; er darf auch abweichende Sachanträge stellen, d. h. eine von den Vorstellungen des Klägers abweichende Sachentscheidung anstreben.

Dies bedeutet, daß er auch Klageanträge stellen darf, die sich ggf. gegen den Kläger richten können (vgl. BFH-Urteil vom 25. August 1987 IX R 98/82, BFHE 151, 506, BStBl II 1988, 344).

Die beizuladende KG kann deshalb im anhängigen Verfahren auch die Feststellung eines höheren Gesellschaftsgewinns beantragen, als ihn die Kläger erstreben. Sie würde damit auch nicht den durch die Klage und die Klagerhebung bestimmten Streitgegenstand überschreiten. Im steuergerichtlichen Verfahren ist Streitgegenstand die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Steuerbescheids, wobei die Sachentscheidung im Rahmen der von den Prozeßbeteiligten gestellten Anträge bleiben muß (BFH-Beschluß vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344). Entsprechendes gilt für Feststellungsbescheide über Besteuerungsgrundlagen. Soweit dem Beigeladenen ein eigenes Antragsrecht zukommt, kann er daher unabhängig von dem Hauptbeteiligten auf die Sachentscheidung Einfluß nehmen.

Die gegenwärtig erörterte Frage, ob ein einmal gestellter Antrag nach Ablauf der Klagefrist des § 47 Abs. 2 FGO noch erweitert werden kann (vgl. BFH-Beschluß vom 22. September 1987 IX R 101/82, BFHE 152, 304, BStBl II 1988, 541), hat deshalb für den Fall des notwendig Beigeladenen keine Bedeutung. Zwar haben die Hauptbeteiligten auch dann die Dispositionsbefugnis über den Rechtsstreit; diese Befugnis kann jedoch nur in der Weise ausgeübt werden, daß der Kläger seine Klage zurücknimmt oder das FA ihn klaglos stellt und der Kläger seine Klage für erledigt erklärt.

Diese Überlegungen gelten auch im Streitfall, soweit es um die Gewinne der KG im angegebenen Zeitraum geht; die Beigeladene ist rechtlich in der Lage, ihre Vorstellungen zur Höhe des Gewinns durch Formulierung eigener, von denjenigen der Kläger abweichenden Klageanträge zu verfolgen.

b) Ob dem FG in der Frage der Rückstellungsbildung für die Gewerbesteuer zugestimmt werden kann, brauchte der Senat im gegenwärtigen Verfahrensabschnitt nicht zu prüfen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1990, 782

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