Leitsatz (amtlich)

Im Rechtsstreit über Investitionszulagen für mehrere verschiedene Wirtschaftsgüter können zu Unrecht gewährte Investitionszulagen nicht mit zu Unrecht versagten Investitionszulagen saldiert werden.

 

Normenkette

FGO §§ 43, 73

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt den Einzelhandel mit Textilien in mehreren Filialgeschäften in Berlin (West). Ihr Wirtschaftsjahr beginnt am 1. März und endet am 28. Februar des folgenden Kalenderjahres. Mit Schreiben von 20. Januar 1967 beantragte sie für im Wirtschaftsjahr 1965/66 angeschaffte Wirtschaftsgüter Investitionszulage. In einem beim FA am 1. April 1968 eingegangenen Schreiben beantragte die Klägerin für weitere im Wirtschaftsjahr 1965/66 angeschaffte Wirtschaftsgüter Investitionszulage. Aufgrund einer Sonderprüfung vertrat das FA die Ansicht, daß ein geringer Teil der im ersten Antrag bezeichneten Wirtschaftsgüter nicht zulagefähig und ein geringer Teil der im zweiten Antrag bezeichneten Wirtschaftsgüter zulagefähig seien, und setzte entsprechend die Investitionszulage endgültig fest, ohne eine Versäumung der Antragsfrist bei Stellung des zweiten Antrags in Betracht zu ziehen.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Klägerin habe die Antragsfrist bei Stellung des zweiten Antrags schuldhaft versäumt, so daß ihr Nachsicht nach § 19 Abs. 8 BHG 1964 i. V. m. § 86 der Reichsabgabenordnung (AO) nicht gewährt werden könne. Sie hätte sich der ihrem Antrag entgegenstehenden Ansicht der Finanzverwaltung nicht beugen dürfen, sondern ihren Antrag stellen und ihre Ansicht im Rechtsmittelverfahren durchzusetzen versuchen müssen. Das FA habe der Klägerin zu Unrecht Investitionszulage für die im zweiten, verspätet gestellten Antrag aufgeführten Güter gewährt. Die streitigen Investitionszulagen für die im ersten, rechtzeitig gestellten Antrag aufgeführten Wirtschaftsgüter von insgesamt 3 346,58 DM seien mit den zu Unrecht für die im zweiten, verspäteten Antrag aufgeführten Wirtschaftsgüter gewährten Investitionszulagen von insgesamt 2 658,07 DM zu kompensieren ...

 

Entscheidungsgründe

Das FG geht von der zutreffenden Ansicht aus, daß das FA der Klägerin für die im verspäteten Antrag aufgeführten Wirtschaftsgüter Investitionszulage nicht gewähren durfte. Dagegen ist die vom FG vertretene Ansicht, daß die zu Unrecht gewährten Investitionszulagen mit den zu Unrecht versagten Investitionszulagen saldiert werden könnten, rechtsirrig. Richtig ist lediglich, daß in einem Steuerstreit bei einheitlichem Streitgegenstand Fehler zugunsten des Steuerpflichtigen mit Fehlern zu seinen Lasten saldiert werden (vgl. hierzu Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Tz. 25 zu § 65 FGO). In dem vor dem FG und beim erkennenden Senat anhängigen Verfahren besteht aber kein einheitlicher Streitgegenstand. Im Investitionszulagestreitverfahren ist Streitgegenstand die für jedes einzelne Wirtschaftsgut beantragte Investitionszulage. Denn das FA hat die Zulage für jedes einzelne Wirtschaftsgut gesondert festzusetzen, wenn es auch die getrennt zu treffenden Entscheidungen in einem einzigen Bescheid zusammenfassen kann (vgl. Urteil des BFH vom 24. Mai 1968 VI R 305/67, BFHE 92, 402, BStBl II 1968, 572). Entsteht Streit, so betrifft der Streit jede einzeln festgesetzte oder verweigerte Investitionszulage, so daß Streitgegenstand jeweils nur die für das einzelne angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut gewährte oder versagte Investitionszulage ist. Die Zusammenfassung der Streitigkeiten über mehrere gesonderte festgesetzte oder versagte Investitionszulagen in einer Klage oder Revision ist eine Klagenhäufung i. S. des § 43 FGO, die den Streitgegenstand der einzelnen zusammengefaßten Klagen unberührt läßt. Auch die Entscheidung der Steuergerichte ergeht zwar einheitlich über sämtliche zusammengefaßte Rechtsmittel, wird jedoch über die strittige Investitionszulage für jedes einzelne Wirtschaftsgut getrennt getroffen. Bleibt aber bei einer Klagenhäufung (§ 43 FGO) oder bei einer Verbindung mehrerer Verfahren (§ 73 FGO) jeder Streitgegenstand für sich isoliert bestehen, so ist eine Saldierung der einzelnen Streitgegenstände miteinander nicht möglich.

 

Fundstellen

BStBl II 1975, 385

BFHE 1975, 8

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