Leitsatz (amtlich)

  1. Die Ausstellung der Lohnsteuerkarte und die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte sind ein Verwaltungsakt.
  2. Es ist nicht zu beanstanden, daß auf einer in Niedersachsen ausgestellten Lohnsteuerkarte die Signale "lt." und "fr." zum Ausweis der Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft (Religionsgesellschaft) im Sinne des § 9 Abs. 3 Ziff. 5 LStDV dienen.
 

Normenkette

EStG § 38; LStDV § 9; GG Art. 4

 

Streitjahr(e)

1964

 

Tatbestand

Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger - Stpfl. -) ist Steuerbeamter im Ruhestand. Er stammt aus dem Gebiet der evangelischen Kirchenprovinzen der Altpreußischen Union. Nach seiner Angabe ist er Angehöriger der evangelisch-unierten Kirche. In Baden-Württemberg, wo der Stpfl. früher wohnte, war auf seiner Lohnsteuerkarte die Bezeichnung "ev." (= evangelisch) eingetragen. Als der Stpfl. nach Niedersachsen umzog, trug die Gemeindebehörde nicht die Bezeichnung "ev.", sondern die Bezeichnung "lt." (evangelisch-lutherisch) ein. Der Stpfl. bat, wie bisher "ev." einzutragen. Die Gemeinde und das Finanzamt (FA) lehnten diesen Antrag ab. Auch die Oberfinanzdirektion (OFD), die eine Stellungnahme des Landeskirchenamtes der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers eingeholt hatte, gab ihm nicht recht und führte aus, die Abkürzung "ev." sei in Niedersachsen nicht zugelassen, weil es in Niedersachsen eine dieser Bezeichnung entsprechende steuerberechtigte Kirche nicht gebe. In dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 8. August 1961 (BStBl I 1961, 504) seien typische Bezeichnungen angeführt, die für die Angabe der steuerberechtigten Religionsgemeinschaft gedacht seien. Maßgebend sei das Kirchenrecht des jeweiligen Landes; es sei dem Land vorbehalten, welche Bezeichnungen zu wählen seien. In Niedersachsen gebe es keine die Bekenntnisse "ev.-luth." und "ev.-ref." zusammenfassende evangelische Landeskirche. Der Stpfl. gehöre, nachdem er umgezogen sei, entweder der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers oder der Evangelisch-lutherischen Kirche in Nordwestdeutschland an. Die evangelisch-unierte Kirche sei eine Kirche lutherischen Bekenntnisses. Der Stpfl. sei durch seinen Umzug in den Bereich der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers deren Mitglied geworden. Die Eintragung "lt.", wie sie für diesen Fall vorgesehen sei, entspreche also seiner Kirchenzugehörigkeit.

Mit der Berufung beanstandet der Stpfl. nicht die Einbehaltung der Kirchensteuer, wenngleich er auf die Gefahr hinweist, daß die Eintragung "lt." mit "kt." verwechselt werde und zu einer Einbehaltung der Kirchensteuer zugunsten der katholischen Kirche führen könne. Er hält sich aber durch die Eintragung "lt." für beschwert: Die evangelisch-unierte Kirche sei eine Vereinigung der evangelisch-lutherischen und der evangelisch-reformierten Kirche. Auf seiner Lohnsteuerkarte dürfe nicht eine Abkürzung eingetragen werden, die seiner tatsächlichen Kirchenzugehörigkeit nicht entspreche. In der Eintragung liege ein Verstoß gegen Art. 4 des Grundgesetzes (GG), der die Bekenntnisfreiheit schütze. Die Eintragung "ev." führe nicht zu technischen Schwierigkeiten, weil in Württemberg, wo seine Lohnkirchensteuer einbehalten werde, ohnehin nur die Bezeichnung "ev." verwendet werde.

Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1965 S. 80 veröffentlicht ist, führte aus: Der Stpfl. könne die Berichtigung seiner Lohnsteuerkarte im Rechtsweg gemäß § 228 AO a. F. durchsetzen, ohne daß es darauf ankomme, ob er durch die Besteuerungsmerkmale (Signale) auf seiner Lohnsteuerkarte beschwert sei. Die Berufung gegen die Beschwerdeentscheidung der OFD sei gemäß § 237 Abs. 1 und 2 AO a. F. zulässig. Sie müsse auch in der Sache Erfolg haben. Die Abkürzung "ev." sei nach den Verwaltungsanweisungen des BdF betreffend Ausschreibung der Lohnsteuerkarten vom 8. August 1961 (a. a. O.) und vom 26. Juli 1963 (BStBl I 1963, 573) ein gebräuchliches Signal. Es sei darum bedenklich, wenn das Land Niedersachsen (Hinweis auf den Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen - S 2230 - 99 - 31/4 - vom 20. August 1963) diese Abkürzung nicht verwende. Der Stpfl. sei weder der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers noch der Evangelisch-reformierten Kirche in Nordwestdeutschland beigetreten. Die Signale "lt." und "rf." träfen also für ihn nicht zu und dürften demgemäß auch nicht auf seiner Lohnsteuerkarte erscheinen. Die Abkürzung "lt." könne nicht etwa durch die Abkürzung "vd." (= verschiedene) ersetzt werden. Mit dieser Abkürzung werde ein Personenkreis bezeichnet, der keiner oder keiner steuerberechtigten Religionsgemeinschaft angehöre. Der Stpfl. gehöre dem evangelischen Bekenntnis an. Das Signal "ev." trage dem am besten Rechnung. Seine Lohnsteuerkarte sei gemäß § 17 Abs. 2 LStDV entsprechend zu berichtigen.

Mit ihrer - nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnden - Rechtsbeschwerde rügt die OFD unrichtige Anwendung des bestehenden Bundesrechts. Nach ihrer Auffassung bildet die Festsetzung der in die Lohnsteuerkarte einzutragenden Bekenntnisbezeichnung einen Teil des Kirchensteuererhebungsverfahrens, dessen Ausgestaltung durch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung den Ländern übertragen sei. In Niedersachsen gebe es keine evangelisch-unierte Kirche. Das Signal "ev." könne mithin nicht eingetragen werden. Die Eintragung "lt." sei nicht unrichtig, sondern gebe die Kirchenzugehörigkeit des Steuerpflichtigen zutreffend wieder. Von einer Verwechslung mit "kt." könne ernstlich keine Rede sein. Die Eintragung des Signals "lt." führe auch in Baden-Württemberg nicht zu Schwierigkeiten. Die Kirchensteuer werde zugunsten der Evangelischen Landeskirche in Württemberg einbehalten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Die Zulässigkeit der Revision ist noch nach altem Recht zu beurteilen (ß 184 FGO). Danach ist es nicht zu beanstanden, daß die Rechtsbeschwerde von der OFD und nicht vom FA eingelegt worden ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - IV 350/51 U vom 13. März 1952, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 56 S. 264 - BFH 56, 264 -, BStBl III 1952, 104). Dies ist übrigens auch nach den Vorschriften der FGO nicht anders (BFH-Urteil IV 178/65 vom 10. Februar 1966, BFH 84, 477, BStBl III 1966, 174).

Sachlich ist mit dem FG davon auszugehen, daß der angefochtene Bescheid (Ablehnung des Antrags auf Eintragung eines anderen Signals) ebenso wie die Ausstellung der Lohnsteuerkarte selbst einen Verwaltungsakt - eine Verfügung der Finanzverwaltung - darstellt. Zum Begriff "Verwaltungsakt" sei auf Loose (Der Betriebs-Berater 1966 S. 243), Tipke-Kruse (Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 2. Aufl., 1965, § 91 Anm. 1), Woerner (Die Zurücknahme, Änderung und Ersetzung von Verfügungen der Steuerverwaltungsbehörden S. 2) und Barske-Woerner (Kommentar zur Finanzgerichtsordnung S. 39) hingewiesen. Die Ausstellung der Lohnsteuerkarte und die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte regeln einen konkreten Sachverhalt und legen nicht bloß für den Arbeitgeber, sondern auch für den Arbeitnehmer selbst die Merkmale fest, die für die Einbehaltung der Lohnsteuer und der Kirchensteuer maßgebend sind. Daß auch der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse an der Richtigkeit der Eintragungen hat, ist offensichtlich, wenn die unrichtigen Eintragungen zur Einbehaltung einer zu hohen Steuer führen. Zu den in die Lohnsteuerkarte einzutragenden Merkmalen gehört nach § 9 Abs. 3 Ziff. 5 LStDV die "Zugehörigkeit des Stpfl. und seines Ehegatten zu einer Religionsgemeinschaft (Religionsgesellschaft)".

Es geht dem Stpfl. nicht um die Einbehaltung der Kirchensteuer, die der Arbeitgeber in Baden-Württemberg auch nach dem Signal "lt." richtig einbehält. Der Stpfl. ist auch weiterhin bereit, die Kirchensteuer zu entrichten. Gleichwohl ist sein Antrag nicht von vornherein unzulässig; denn wenn die Eintragung der Religionszugehörigkeit seine Bekenntnisfreiheit verletzt so ist der Stpfl. dadurch beschwert.

Diese Voraussetzung ist aber nicht erfüllt. Die Klage gegen die Beschwerdeentscheidung der OFD ist unbegründet.

Wie das FG ausführt, ist der Stpfl. "nach seinem Umzug in das Gebiet der früheren Provinz Hannover" nicht "Angehöriger der unierten Kirche innerhalb der Altpreußischen Union oder der ebenfalls als uniert anzusehenden Evangelischen Landeskirche in Württemberg geblieben". Übereinstimmend mit den Stellungnahmen des Landeskirchenamtes legt das FG dar, daß es in Niedersachsen zwei steuerberechtigte evangelische Kirchen gibt, nämlich die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers und die Evangelisch-reformierte Kirche in Nordwestdeutschland, und daß nach dem in evangelischem Kirchenrecht geltenden Territorialprinzip der Stpfl. einer der beiden Kirchen angehört (vgl. Urteil des Senats VI 270/60 U vom 23. Februar 1962, BFH 75, 29, BStBl III 1962, 280). Es mag zwar Bedenken unterliegen, heute noch von einem reinen Territorialprinzip zu sprechen (Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - 1 BvR 413 und 416/60 vom 14. Dezember 1965, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1966 S. 147). Ein Mitgliedschaftswechsel auf Grund des Umzugs ist aber jedenfalls zu bejahen, wenn ein Mitglied einer evangelischen Landeskirche in das Gebiet einer anderen evangelischen Landeskirche umzieht und lediglich über die Einbehaltung der Kirchensteuer zu entscheiden ist.

In § 9 Abs. 3 Ziff. 5 LStDV geht es nicht um die persönliche Entscheidung des religiösen Bekenntnisses des Stpfl., sondern um die objektiv zu bestimmende "Zugehörigkeit" zu einer Religionsgemeinschaft. Die Eintragung will nicht feststellen, was der Stpfl. "bekennt", sondern welche Religionsgemeinschaft steuerberechtigt ist. Diesem Ziel werden in Niedersachsen die Signale "lt." und "rf." gerecht. In Württemberg wird das Signal "ev." benutzt, das auf die hier allein in Betracht kommende evangelische Kirche, nämlich die Evangelische Kirche in Württemberg, hinweist.

Dem Stpfl. ist darin beizutreten, daß bei Zweifeln über die Religionszugehörigkeit nicht einfach eine der möglichen Religionsgemeinschaften eingetragen werden kann. Darum geht es aber hier nicht. Der Stpfl. hat selbst ein bestimmtes Bekenntnis erklärt. Es ist Sache der Behörden, danach das entsprechende Signal zu bestimmen.

Die Evangelische Kirche in Württemberg ist Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gliedkirchen sind auch die Evangelisch-lutherische Kirche Hannovers und die Evangelisch-reformierte Kirche in Nordwestdeutschland. Während die Evangelische Kirche in Württemberg eine unierte Kirche ist, stehen die Evangelisch-lutherische Kirche Hannovers und die Evangelisch-reformierte Kirche in Nordwestdeutschland, weil hier eine Union nicht vollzogen ist, nebeneinander.

Mit dem FG ist davon auszugehen, daß ein Steuerpflichtiger, der zur Evangelischen Kirche in Württemberg gehört hat und nach Niedersachsen umzieht, Mitglied der Evangelisch-lutherischen Kirche Hannovers oder der Evangelisch-reformierten Kirche in Nordwestdeutschland wird. Dem FG ist aber nicht auch darin beizutreten, daß der Stpfl., sofern er nicht sein Bekenntnis ändert, eine Art Wahlrecht hat. Entscheidend ist vielmehr, ob sein Bekenntnis der dem einen oder der anderen der beiden Kirchen entspricht. Je nachdem ist der Stpfl. Mitglied der einen oder der anderen Kirche.

Danach scheidet - entgegen der Auffassung des FG - das Signal "ev." von vornherein aus. In Betracht kommen nur die Signale "lt." und "rf.", weil nur diese die Zugehörigkeit zu den in Niedersachsen steuerberechtigten evangelischen Kirchen angeben.

In der Nichteintragung des "ev." und der Eintragung des "lt." oder "rf." liegt keine Beschränkung der in Kart. 4 Abs. 1 GG garantierten Glaubensfreiheit, wie der Stpfl. annimmt. Er betrachtet sich, wie er vorträgt, immer noch als Mitglied der Evangelischen Kirche in Württemberg. Wenn die in der Evangelischen Kirche in Deutschland zusammengeschlossenen Gliedkirchen für die Zugehörigkeit zu einer Gliedkirche den Wohnsitz entscheidend sein lassen, so ist damit nicht die Glaubens- oder Bekenntnisfreiheit in Frage gestellt. Im Gegenteil dient diese Regelung der religiösen Betreuung, weil der Gläubige, gleichviel wo er wohnt, einer seinem Bekenntnis entsprechenden Kirche angehört.

Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben. Ein Anspruch auf Eintragung des Signals "ev." besteht nicht.

Die Frage, ob der Stpfl. nach seinem Bekenntnis der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers oder aber der Evangelisch-reformierten Kirche in Nordwestdeutschland angehört und ob demnach das Signal "lt." oder aber das Signal "rf." einzutragen ist, läßt sich, wenngleich der Stpfl. kein Wahlrecht hat, sondern allein sein Bekenntnis entscheidet, nur im Einvernehmen mit den beiden Kirchen beantworten, wenn man es nicht überhaupt als Sache des Stpfl. betrachtet, für eine außersteuerliche Klärung dieser Frage selbst zu sorgen. Einer Zurückverweisung der Sache an das FG bedarf es dafür nicht. Die Sache ist vielmehr spruchreif. Der Stpfl. trägt selbst vor, es gehe ihm allein um die Eintragung des Signals "ev.". Ob das Signal "lt." oder das Signal "rf." eingetragen wird, ist ihm gleichgültig; denn seine Kirchensteuer wird in Württemberg "richtig" einbehalten, nämlich zugunsten der Evangelischen Kirche in Württemberg. Von einer Verwechslung zwischen den Signalen "lt." und "kt.", wie sie der Stpfl. für wahrscheinlich hält, kann ernstlich keine Rede sein. Unter diesen Umständen besteht kein Bedürfnis, in diesem Verfahren noch zu klären, ob statt des Signals "lt." richtig das Signal "rf." einzutragen gewesen wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425778

BFHE 1967, 524

BFHE 87, 524

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