Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftserwerb trotz starken Gewinnrückgangs keine Fehlmaßnahme

 

Leitsatz (NV)

Der Erwerb eines Geschäftsanteils stellt sich allein wegen eines schlagartigen Gewinnrückgangs ab dem Zeitpunkt der Geschäftsübernahme noch nicht als Fehlmaßnahme dar. In der Regel liegt eine Fehlmaßnahme nur dann vor, wenn bereits vor dem Geschäftserwerb durch bestimmte Umstände der Keim für eine Entwicklung des Geschäfts zum Schlechten gelegt war.

 

Normenkette

EStG 1980 § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1

 

Tatbestand

Der Kläger betrieb zusammen mit Z von 1972 bis zum 30. Juni 1977 ein Handwerksunternehmen in der Form einer BGB-Gesellschaft. Mit Wirkung vom 30. Juni 1977 schied Z aus der BGB-Gesellschaft aus. Der Kläger zahlte ihm (in Raten) für den Erwerb seiner Gesellschaftsanteile 600 000 DM. In der Eröffnungsbilanz seines Einzelunternehmens vom 1. Juli 1977 passivierte der Kläger die Kaufpreisverbindlichkeit. Er aktivierte die dafür übernommenen anteiligen Wirtschaftsgüter einschließlich der anteiligen aufgedeckten stillen Reserven und wies den dadurch nicht belegten Teil der Kaufpreisverbindlichkeit von 368 614,71 DM als Geschäftswert aus.

In der Bilanz zum 31. Dezember 1979 nahm der Kläger eine Teilwertabschreibung auf den Geschäftswert in Höhe von 368 614,71 DM vor. Er begründete dies damit, daß die beim Erwerb des Gesellschaftsanteils erwarteten Gewinne von jährlich 170 000 DM nicht erzielt worden seien. Mit solchen Gewinnen habe er aber rechnen können, weil die BGB-Gesellschaft in den fünf vorangegangenen Jahren durchschnittlich Gewinne von 232 960 DM erzielt habe. Der Erwerb des Gesellschaftsanteils für den gezahlten Kaufpreis sei eine Fehlmaßnahme gewesen, weil die Ertragskraft des Unternehmens überschätzt worden sei. Bei Anwendung der direkten Methode zur Ermittlung des Firmenwerts verbleibe auch kein Restgewinn, der durch Kapitalisierung zu einem Geschäftswert führe.

Die Gewinnentwicklung der BGB-Gesellschaft und - ab Mitte 1977 - des Einzelunternehmens des Klägers stellt sich wie folgt dar:

1973 256 495 DM

1974 197 263 DM

1975 286 240 DM

1976 172 635 DM

1977 (1. Halbjahr) 139 787 DM

1977 (2. Halbjahr) 57 872 DM

1978 90 379 DM

1979 1 177 DM

1980 94 913 DM.

In der Einkommensteuererklärung 1980 (Streitjahr) machte der Kläger einen Verlustabzug nach § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus dem Veranlagungszeitraum 1979 geltend, wodurch sich eine Einkommensteuer von 0 DM ergeben würde. Der Verlustabzug beruht ausschließlich auf der Teilwertabschreibung des Geschäftswerts.

Das Finanzamt (- FA -) versagte den Verlustabzug. Es erkannte die Teilwertabschreibung auf den Geschäftswert im Wirtschaftsjahr 1979 nicht an, weil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (u. a. Urteil vom 9. Februar 1977 I R 130/74, BFHE 121, 436, BStBl II 1977, 412) eine Teilwertabschreibung infolge einer Fehlmaßnahme nur am Ende desjenigen Geschäftsjahres, in dem die Zahlung geleistet wurde, vorgenommen werden könne. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) setzte die Einkommensteuer auf 0 DM herab. Zur Begründung führte es aus, der Erwerb des Gesellschaftsanteils zu einem so hohen Preis habe sich angesichts der später erzielten relativ geringen Gewinne als Fehlmaßnahme erwiesen. Der Kläger habe deshalb in 1979 eine Teilwertabschreibung auf den Geschäftswert vornehmen müssen. Der Rechtsprechung des BFH, wonach Teilwertabschreibungen auf den Geschäftswert unter dem Gesichtspunkt einer Fehlmaßnahme nur im Wirtschaftsjahr des Erwerbs vorgenommen werden dürften (BFHE 121, 436, BStBl II 1977, 412 m.w.N.), könne nicht gefolgt werden. Der Vertreter des FA habe selbst eingeräumt, daß das Amt einer Teilwertabschreibung - wäre sie in 1977 vorgenommen worden - nicht zugestimmt hätte. Ob die Teilwertabschreibung in voller Höhe berechtigt sei, ließ das FG offen. Es ging davon aus, daß zunächst ein Verlustrücktrag in 1978 in Höhe von . . . DM vorzunehmen sei. Im Veranlagungszeitraum 1979 würden zur Neutralisierung des Gesamtbetrags der Einkünfte nurmehr 10 195 DM benötigt. Zusammen seien dies 100 025 DM. Das Einkommen des Streitjahres belaufe sich lt. Einspruchsentscheidung (ohne Berücksichtigung der Teilwertabschreibung) auf 91 832 DM. Da eine Teilwertabschreibung jedenfalls - ohne daß es einer Einzelberechnung bedürfe - in Höhe von (100 025 DM + 91 832 DM =) 191 857 DM berechtigt sei, ergebe sich für das Streitjahr eine Einkommensteuer von 0 DM.

Mit der Revision macht das FA geltend, daß eine Fehlmaßnahme schon deshalb nicht vorliegen könne, weil der Kläger den Betrieb beim Erwerb des Anteils genau gekannt habe. Mit den Gewinnminderungen sei zu rechnen gewesen, weil der ausscheidende Gesellschafter durch eine betriebsfremde Fachkraft habe ersetzt werden müssen. Im übrigen habe das FG zu Unrecht außer acht gelassen, daß die Umsätze seit 1980 kontinuierlich angestiegen seien.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision. Er hält die Umsatzentwicklung ab 1980 schon deshalb für unerheblich, weil es entscheidend auf die Gewinne und nicht auf die Umsätze ankomme. Hinzu komme, daß sich die Umsätze nur deshalb erhöht hätten, weil viele Aufträge an Zulieferer vergeben worden seien. Die Kosten dieser Fremdarbeiten hätten sich auf die Erträge ausgewirkt. Der Gewinnrückgang in den Jahren 1977 bis 1980 sei auch nicht auf die Einstellung einer Fachkraft zurückzuführen. Er - der Kläger - habe keine Fachkraft eingestellt, sondern durch erhöhten Einsatz seiner eigenen Person die Tätigkeit des ausgeschiedenen Gesellschafters miterledigt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorentscheidung erweist sich - wenn auch aus anderen als den vom FG dargestellten Gründen - im Ergebnis als richtig (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Für eine Teilwertabschreibung unter dem Gesichtspunkt der Fehlmaßnahme lagen im Veranlagungszeitraum 1979 nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Auf den Geschäftswert ist indes im Wirtschaftsjahr 1980 eine Teilwertabschreibung mindestens in einer Höhe vorzunehmen, deren rechnerische Auswirkung zu einer Einkommensteuer von 0 DM führt.

1. Ein erworbener Geschäftswert kann nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben werden. Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut - hier den Geschäftswert - ansetzen würde, wenn er den Betrieb fortführen wollte (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Dabei gilt zunächst die Vermutung, daß sich der Teilwert von Wirtschaftsgütern, die nicht der Abnutzung unterliegen, mit den tatsächlichen Anschaffungskosten deckt. Diese Vermutung ist aber durch den Nachweis widerlegbar, daß sich entweder die Zahlung als eine Fehlmaßnahme erwiesen hat oder der Wert des betreffenden Wirtschaftsgutes unter den seinerzeit gezahlten und aktivierten Betrag gesunken oder das Wirtschaftsgut überhaupt nicht mehr vorhanden ist (Urteile des BFH vom 18. Januar 1967 I 77/64, BFHE 88, 198, BStBl III 1967, 334; vom 2. Februar 1972 I R 96/70, BFHE 104, 442, BStBl II 1972, 381; vom 28. Oktober 1976 IV R 76/72, BFHE 120, 245, BStBl II 1977, 73 und in BFHE 121, 436, BStBl II 1977, 412).

2. Eine Teilwertabschreibung unter dem Gesichtspunkt der Fehlmaßnahme war im Veranlagungszeitraum 1979 selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn man mit dem FG und entgegen den BFH-Urteilen in BFHE 88, 198, BStBl III 1967, 334 und in BFHE 121, 436, BStBl II 1977, 412 eine solche Abschreibung auch noch in einem späteren als dem Anschaffungsjahr grundsätzlich für zulässig erachten wollte. Denn der Kläger begründet seine Auffassung, daß eine Fehlmaßnahme vorgelegen habe, lediglich mit dem Absinken der Gewinne ab dem Zeitpunkt des Anteilserwerbs durch ihn. Dies allein reicht indes bei der gegebenen Sachlage nicht aus, um eine Fehlmaßnahme deutlich werden zu lassen. Der nahezu schlagartige Rückgang der Gewinne ab dem Zeitpunkt der Übernahme der alleinigen Betriebsführung durch den Kläger spricht dafür, daß die Ursachen in der Geschäftsübernahme selbst zu suchen sind. Offenbar hat der Kläger nach der Übernahme die Geschäftspolitik umgestellt, wofür auch sein Vorbringen in der Revisionserwiderung spricht, daß er zunehmend Fremdarbeiten vergeben habe. Angesichts dieses Zusammenhangs hätte es zum Beleg einer Fehlmaßnahme der Feststellung bedurft, daß bereits unmittelbar vor dem Erwerb des Anteils seitens des Klägers durch bestimmte Umstände (z. B. Ansiedlung eines Konkurrenzbetriebes in der Nähe) der Keim für eine Entwicklung des Geschäfts zum Schlechten gelegt war und der Kläger diesen Keim nur nicht erkannt hat. Eine solche Feststellung hat das FG nicht getroffen. Es kann offenbleiben, ob dies deshalb nicht geschah, weil keine einschlägigen Anhaltspunkte erkennbar waren oder ob das FG insoweit seiner Ermittlungspflicht nicht hinreichend nachgekommen ist. Denn eine Zurückverweisung an das FG zur weiteren Sachverhaltsaufklärung kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil das Klagebegehren auf Herabsetzung der Einkommensteuer auf 0 DM aus anderen rechtlichen Erwägungen zum Erfolg führt.

3. Eine Teilwertabschreibung auf den Geschäftswert ist im Hinblick auf die nach Anteilsübernahme rapid gesunkenen Gewinne nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zum Ende des Wirtschaftsjahres 1980 jedenfalls in Höhe von 100 000 DM geboten.

Das Wirtschaftsjahr 1980 war - vom Rumpfwirtschaftsjahr 1977 abgesehen - das dritte Wirtschaftsjahr nach dem Anteilserwerb durch den Kläger. Erstmals zum Ende dieses Wirtschaftsjahres war angesichts des Durchschnitts der seit Geschäftsübernahme erzielten Gewinne zweifelsfrei erkennbar, daß ein Geschäftswert in der bis dahin ausgewiesenen Höhe nicht vorhanden war. Erstmals in der Bilanz zum 31. Dezember 1980 durfte deshalb der Geschäftswert in der bisherigen Höhe nicht mehr ausgewiesen werden.

Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, um welchen genauen Betrag sich der Geschäftswert zu diesem Stichtag ermäßigt hatte. Denn bei einer Teilwertabschreibung um 100 000 DM ergibt sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte des Klägers im Streitjahr in Höhe von 4 400 DM, was zu einer - vom Kläger begehrten - Einkommensteuer von 0 DM führt. Einer Einzelberechnung zur Schätzung des genauen Geschäftswerts bedarf es nicht. Denn der Wert hat zum 31. Dezember 1980 offensichtlich nicht mehr als (368 614 DM - 100 000 DM =) 268 614 DM betragen. Eine Abschreibung auf diesen Betrag reicht aus, um das der Klage stattgebende Urteil des FG zu rechtfertigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417073

BFH/NV 1991, 226

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