Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Auslegung einer Klausel, wonach die Durchführung eines Kaufvertrages über Wohnungseigentum der Zustimmung des Verwalters bedarf; zu den Voraus setzungen über die Rückgängigmachung eines Erwerbs vorganges i. S. des § 16 Abs. 1 GrEStG, wenn die Käufer partei bereits eine andere Person als Käufer benannt hat

 

Leitsatz (NV)

1. Die in einem notariellen Kaufvertrag über die Veräußerung von Wohnungseigentum enthaltene Klausel, daß die Durchführung des Vertrages von der Erteilung der Genehmigung des Verwalters (vgl. § 12 WEG) abhängig sei, kann grundsätzlich nicht i. S. einer echten (Potestativ-)Bedingung (vgl. § 158 Abs. 1 BGB) ausgelegt werden.

2. Hat sich die Käuferin eines Grundstücks (= Kapitalgesellschaft) im Kaufvertrag vorbehalten, innerhalb einer bestimmten Frist an ihrer Stelle eine andere Gesellschaft (Tochtergesellschaft) als Käuferin zu benennen und macht die Käuferin von diesem Benennungsrecht Gebrauch, so liegt eine Rückgängigmachung des (ersten) Erwerbsvorgangs i. S. des § 16 Abs. 1 GrEStG nicht darin, daß die ursprünglichen Kaufvertragsparteien später (nach Ausübung des Benennungsrechts durch die Käuferin) vereinbaren, daß die Benennung "von Anfang an einen unmittelbaren Anspruch der benannten Person auf Eigentumsverschaffung gegen den Verkäufer begründet und ein eigener Erfüllungsanspruch der ursprünglichen Käuferin von Anfang an ausgeschlossen (sei)". Eine Rückgängigmachung des Kaufvertrages i. S. des § 16 Abs. 1 GrEStG kann auch nicht darin gesehen werden, daß die Parteien des ursprünglichen Kaufvertrages nach Ausübung des Benennungsrechts durch die Käuferin den Kaufvertrag, "soweit er noch besteht, vollen Umfangs" aufheben, wenn im übrigen alles beim alten bleibt, d. h. die von der ursprünglichen Käuferin (Kapitalgesellschaft) benannte Erwerberin (Tochtergesellschaft) ihre Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag behalten soll.

 

Normenkette

GrEStG § 16; BGB §§ 133, 157, 158 Abs. 1; WEG § 12 Abs. 1

 

Tatbestand

Durch notariellen Vertrag vom 31. März 1989 kaufte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine ausländische AG, zum Kaufpreis von 4 Mio. DM die im Grundbuch von ... eingetragenen Wohnungseigentumsrechte Nr. 1 bis 4. Die genannten Wohnungseigentumsrechte hatte der bisherige Eigentümer und Verkäufer im Wege der Vorratsteilung nach § 8 Abs. 1 des Wohnungs eigentumsgesetzes (WEG) gebildet. Die Wohnungsgrundbücher wurden am 9. Juli 1986 angelegt. Sie enthalten den Vermerk, daß die Veräußerung des Wohnungseigentums -- von bestimmten Ausnahmen abgesehen -- der Zustimmung des Verwalters (§ 12 WEG) bedarf.

Nach dem notariellen Kaufvertrag vom 31. März 1989 sollte die Klägerin von dem Kaufpreis 150 000 DM bis zum 31. März 1989 und die restlichen 3 850 000 DM bis zum 30. April 1989 auf ein Notaranderkonto zahlen. Die Übergabe sollte am 1. Mai 1989 erfolgen. In § 11 des genannten Vertrages heißt es:"

Die Durchführung dieses Vertrages ist abhängig von der Erteilung der Verwaltergenehmigung."

...

Teil IV der Urkunde enthält die folgenden Vereinbarungen:"

Der Käufer behält sich vor, an seiner Stelle eine andere Gesellschaft als Käufer bis zum 20. April 1989 zu benennen ...

Für alle Verpflichtungen des Käufers aus dem vorstehenden Kaufvertrag ... übernimmt der Erschienene zu 2 (meint: das Vorstandsmitglied der Klägerin, A) die persönliche Haftung."

Der Verkäufer wurde beim Abschluß des Kaufvertrages von O vertreten.

Durch notarielle Erklärung vom 10. April 1989 benannte die Klägerin unter Hinweis auf Teil IV des Kaufvertrages vom 31. März 1989 die damals in Gründung befindliche A- GmbH (GmbH) als "endgültige Käuferin". Diese GmbH war durch notariellen Gesellschaftsvertrag vom selben Tag errichtet worden und wurde am 19. Juli 1989 in das Handelsregister eingetragen. Ihr Stammkapital betrug 1,5 Mio. DM, von dem 1 499 500 DM von der Klägerin und 500 DM von Herrn A gehalten wurden.

In notarieller Urkunde vom 26. April 1989 erklärten der Verkäufer und die Klägerin, letztere sei nur deshalb Vertragspartei geworden, um gegenüber dem Verkäufer vorübergehend einen Schuldner für die erste Kaufpreisrate zu stellen. Die GmbH sei im Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufvertrages noch nicht gegründet gewesen und habe daher keine Zahlungsverpflichtungen übernehmen können. Es sei nie beabsichtigt gewesen, für die Klägerin einen Anspruch auf Verschaffung des Eigentums zu begründen. Teil IV Abs. 1 des Kaufvertrages vom 31. März 1989 wurde zugleich "zur weiteren Klarstellung" wie folgt ergänzt:"

Die Firma ... (= Klägerin) behält sich vor, eine andere Gesellschaft als Käufer bis zum 20. April 1989 zu benennen mit der Folge, daß die Benennung von Anfang an einen direkten unmittelbaren Anspruch der benannten Gesellschaft auf Eigentumsverschaffung gegen den Verkäufer begründet und ein eigener Erfüllungsanspruch der Firma ... (Klägerin) von Anfang an ausgeschlossen ist".

Mit notariell beurkundeten Erklärungen vom 9. Mai 1989 hoben der Verkäufer und die Klägerin den zwischen ihnen geschlossenen Kaufvertrag "-- soweit er noch besteht -- vollen Umfangs auf". Am 3. Juli 1989 gab O, der Verwalter des Anwesens war, die folgende, als "Verwalterzustimmung" bezeichnete Erklärung ab:"

... stimme ich hiermit dem Kaufvertrag vom 31. März 1989 ... nebst Nachtragsverhandlung vom 10. April 1989 ... -- ... betreffend die ... Wohnungseigentumsrechte Nr. 1 bis 4 in meiner Eigenschaft als Verwalter voll inhaltlich zu.

Erwerber: A-GmbH."

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. September 1989 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gegen die Klägerin für den durch den notariellen Kaufvertrag vom 31. März 1989 verwirklichten Erwerbsvorgang Grunderwerbsteuer in Höhe von 80 000 DM fest.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage im weitaus überwiegenden Umfang stattgegeben und die Grunderwerbsteuer auf 3 000 DM herabgesetzt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß) die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit der Klage stattgegeben wurde, und zur Abweisung der Klage in vollem Umfang (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die vom FG vorgenommene Auslegung des in § 11 des Kaufvertrages vom 31. März 1989 enthaltenen Passus "Die Durchführung dieses Vertrages ist ab hängig von der Erteilung der Verwalter zustimmung" im Sinne einer (echten) aufschiebenden Bedingung gemäß § 158 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verstößt gegen die gesetzlichen Auslegungs regeln (§§ 133, 157 BGB).

1. Dem FG ist zunächst darin zu folgen, daß der streitige Erwerbsvorgang (Kaufvertrag vom 31. März 1989) nicht gemäß § 12 Abs. 1 WEG der Zustimmung des Verwalters bedurfte. Der Sinn und Zweck einer gemäß § 12 Abs. 1 WEG als Inhalt des Sondereigentums vereinbarten (statuierten) Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten (z. B. des Verwalters) zur Veräußerung eines Wohnungseigentums liegt darin, das Eindringen unerwünschter Personen in die Gemeinschaft oder eine sonstige unerwünschte Veränderung im Personenkreis der Gemeinschafter zu verhindern (vgl. Röll in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch -- MünchKomm --, 2. Aufl., § 12 WEG Rdnr. 1; Weitnauer, Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl., § 12 WEG Rdnr. 1). Dieser Schutzzweck ist -- für jedermann ohne weiteres erkennbar -- von vornherein dann nicht beeinträchtigt, wenn sich -- wie hier -- alle Eigentumswohnungen im Eigentum einer einzigen Person befinden und diese Person sämtliche Wohnungen gleichzeitig an denselben Erwerber veräußert. In einem solchen Fall ist deshalb nach -- soweit ersichtlich -- einhelliger zivilrechtlicher Auffassung eine gemäß § 12 Abs. 1 WEG statuierte Zustimmung des Verwalters zur Veräußerung nicht erforderlich (vgl. z. B. Palandt/Bassenge, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 54. Aufl., § 12 WEG Rdnr. 3; Röll, a. a. O., § 12 WEG Rdnr. 3 m. w. N.; Soergel/Stürner, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., § 12 WEG Rdnr. 6 m. w. N.; Erman/Ganten, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 12 WEG Rdnr. 2; Weitnauer, a. a. O., § 12 WEG Rdnr. 6 c; Pick in Bärmann/Pick/Merle, Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz, 6. Aufl., § 12 WEG Rdnr. 6 und 26). Es kommt deshalb im Streitfall nicht darauf an, ob im Falle der Erstveräußerung von Eigentumswohnungen oder Teileigentum durch den Vorratsteiler (vgl. § 8 WEG) generell die gemäß § 12 Abs. 1 WEG statuierte Verwalterzustimmung entbehrlich ist, also etwa auch dann, wenn der Vorratsteiler einzelne Eigentumswohnungen zu einem Zeitpunkt veräußert, in dem -- weil er bereits vorher zumindest eine Eigentumswohnung oder ein Teileigentum veräußert hatte -- bereits eine Eigentümergemeinschaft bestanden hat (zu dieser Streitfrage vgl. den Beschluß des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 21. Feburar 1991 V ZB 13/90, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1991, 1613 m. w. N. pro und contra).

2. Nicht beizupflichten vermag der Senat der Vorinstanz indessen darin, daß § 11 des Kaufvertrages vom 31. März 1989 als eine echte (Potestativ-)Bedingung i. S. des § 158 Abs. 1 BGB aufzufassen sei. Die vom FA insoweit erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts ist begründet. Mit seiner Auslegung des in § 11 des Kaufvertrages vom 31. März 1989 enthaltenen Passus als "echte" Bedingung hat das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt. Nach zutreffender Deutung hat dieser Passus lediglich deklaratorischen Charakter und enthält einen (überflüssigen) Hinweis auf das vermeintliche (wie unter 1. dargelegt: nicht wirklich bestehende) Erfordernis einer Verwaltergenehmigung i. S. des § 12 Abs. 1 WEG.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann das Revisionsgericht die Würdigung einer Willenserklärung oder eines Vertrages daraufhin überprüfen, ob das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. § 118 Rdnr. 17). Zur nachprüfbaren Rechtsanwendung gehört auch die Frage, ob das FG die für die Auslegung bedeutsamen Begleitumstände, insbesondere auch die Interessenlage der Beteiligten, erforscht hat (vgl. z. B. auch BFH-Urteil vom 4. Dezember 1979 VII R 29/77, BFHE 130, 226, BStBl II 1980, 488; Gräber/Ruban, a. a. O.). Hat das FG die gebotene Auslegung unterlassen oder rechtsfehlerhaft vorgenommen, so kann das Revisionsgericht sie selbst vornehmen oder korrigieren, wenn die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen hierfür ausreichen; dies gilt auch dann, wenn mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen (Gräber/Ruban, a. a. O., § 118 Rdnr. 17 m. w. N.).

b) Die vom FG vorgenommene Auslegung entspricht erkennbar nicht dem (übereinstimmenden) Willen der Kaufvertragspartner. Sie widerstreitet insbesondere den offenkundigen Interessen der Käuferseite. Demgemäß hat denn die Klägerin selbst zu keiner Zeit auch nur angedeutet, daß der besagte Passus in § 11 des Kaufvertrages im Sinne einer echten (Potestativ-)Bedingung zu verstehen sei. Das FG hat sein Auslegungsergebnis einzig und allzu einseitig mit dem Interesse des Verkäufers begründet, sich gegen die evtl. Nichtzahlung des Kaufpreises zu sichern. Es hat dabei über sehen bzw. vernachlässigt, daß dem Sicherungsinteresse des Verkäufers bereits dadurch hinreichend Genüge getan war, daß die Käuferin nach dem Kaufvertrag zur Vorleistung des Kaufpreises verpflichtet war: Auflassung und Übergabe der Kaufobjekte sollten nämlich erst bei vollständiger Zahlung des Kaufpreises auf ein Notaranderkonto erfolgen. Eine zusätzliche Sicherheit erhielt der Verkäufer überdies dadurch, daß ein Vorstandsmitglied der Klägerin für alle Verpflichtungen der Käuferin aus dem Kaufvertrag die persönliche Haftung übernahm. Das Auslegungsergebnis des FG war daher entgegen seiner Ansicht gerade nicht durch die Interessenlage der Kaufvertragspartner geboten. Denn es vernachlässigt einseitig die erkennbaren Interessen der Käuferseite. Die Auslegung des § 11 des Kaufvertrages im Sinne einer "echten" (Potestativ-)Bedingung liefe zumindest faktisch auf ein "freies", an keinerlei Voraussetzungen gebundenes und unbefristetes Rücktrittsrecht zugunsten der Verkäuferseite hinaus, zu welcher der vom Verkäufer als Allein eigentümer sämtlicher Eigentumswohnungen eingesetzte Verwalter, der den Verkäufer auch beim Abschluß des Kaufvertrages mit der Klägerin vertrat, augenscheinlich gehörte. Auf eine Klausel solchen Inhalts wird sich ein Käufer -- zumal wenn er, wie hier, auch noch das gekaufte Gebäude umzubauen beabsichtigt -- kaum je einlassen, liefe er doch Gefahr, das Grundstück jederzeit trotz eigener Vertragstreue (insbesondere vollständiger Zahlung des Kaufpreises) wieder zu verlieren. Unter diesen Umständen kann der Vertragspassus "Die Durchführung dieses Vertrages ist abhängig von der Verwaltergenehmigung" bei verständiger Würdigung der beiderseitigen Interessen der Kaufvertragspartner nur in dem Sinne ausgelegt werden, daß ein Hinweis auf die gemäß § 12 Abs. 1 WEG als Inhalt des Sondereigentums statuierte Veräußerungsbeschränkung erfolgen sollte. Dafür spricht nicht zuletzt auch der Umstand, daß die Genehmigung des Kaufvertrages durch den "Verwalter" des gemeinschaftlichen Eigentums erfolgen sollte. Mit Recht hat das FA in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß es nicht zum Aufgabenbereich des Verwalters im Sinne des WEG gehöre, das Insolvenzrisiko bei einem Verkauf des Gesamtobjekts zu prüfen.

3. Da nach den vorstehenden Ausführungen die Wirksamkeit des Kaufvertrages vom 31. März 1989 weder von einer Genehmigung i. S. des § 12 Abs. 1 WEG (vgl. oben 1.) noch von einer solchen im Sinne einer echten (Potestativ-)Bedingung (vgl. oben 2.) abhing war die Grunderwerbsteuer bereits mit Abschluß des Kaufvertrages vom 31. März 1989 entstanden (vgl. § 38 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Die Sonderregelung des § 14 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) griff entgegen der vom FG und von der Klägerin vertretenen Ansicht nicht ein. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid wäre folglich nur dann rechtswidrig, wenn (spätestens bei Erlaß der Einspruchsentscheidung) die Voraussetzungen des § 16 GrEStG für eine Nichtfestsetzung der Steuer vorgelegen hätten. Dies ist indessen zu verneinen. Die Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG würde voraussetzen, daß die Kaufvertragsparteien den Erwerbsvorgang (den Kaufvertrag vom 31. März 1989) vor dem Übergang des Eigentums auf den Erwerber rückgängig gemacht hätten.

a) Eine Rückgängigmachung dieses Erwerbsvorgangs liegt zunächst nicht darin, daß die Kaufvertragsparteien (Verkäufer und Klägerin) in der notariellen Urkunde vom 26. April 1989 den in Teil IV des notariellen Kaufvertrages vom 31. März 1989 für die Klägerin als Käuferin statuierten Vorbehalt, eine andere Gesellschaft als Käuferin zu benennen, dahin "klargestellt" haben, daß die Benennung "von Anfang an einen unmittelbaren Anspruch der benannten Gesellschaft auf Eigentumsverschaffung gegen den Verkäufer begründet und ein eigener Erfüllungsanspruch der ... (Klägerin) ... von Anfang an ausgeschlossen ist". Durch diese "Klarstellung" konnte der durch den Kaufvertrag vom 31. März 1989 begründete Übereignungsanspruch der Klägerin nicht rückwirkend ungeschehen gemacht werden. Abgesehen davon wurde durch die "klarstellende" Vereinbarung vom 26. April 1989 der ursprüngliche Kaufvertrag auch nicht etwa aufgehoben, sondern dessen Wirksamkeit (insbesondere auch die Wirksamkeit des darin begründeten Benennungsrechts) geradezu vorausgesetzt. Denn in der "Klarstellung" bzw. "Modifizierung" der Klausel über das Benennungsrecht offenbarte sich die übereinstimmende Vorstellung der Vertragspartner, daß der ursprüngliche Kaufvertrag mit dem nunmehr "klargestellten" oder "präzisierten" Inhalt fortgelte.

b) Eine Rückgängigmachung des Vertrages i. S. des § 16 Abs. 1 GrEStG kann zum anderen aber auch nicht darin gesehen werden, daß die Parteien des ursprünglichen Kaufvertrages vom 31. März 1989 diesen mit notarieller Abrede vom 9. Mai 1989 "soweit er noch besteht" ausdrücklich "vollen Umfangs" aufgehoben haben.

aa) Dabei kann dahinstehen, ob diese "Vertragsaufhebung" bereits bürgerlich-rechtlich jeder Wirkung deswegen entbehrte, weil sie ein Scheingeschäft (vgl. § 117 Abs. 1 BGB) darstellte. Auf ein Scheingeschäft, das auch steuerlich unbeachtlich wäre (vgl. § 41 Abs. 2 AO 1977), könnte der Umstand hindeuten, daß die Vertragspartner offenbar keinerlei rechtliche und tatsächliche Konsequenzen aus der "Vertragsaufhebung" ziehen wollten und gezogen haben.

bb) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, daß die Vertragspartner die Aufhebung des Kaufvertrages vom 31. März 1989 ernsthaft vereinbarten, ging diese Aufhebungsvereinbarung bürgerlich- rechtlich ins Leere. Denn im Zeitpunkt der Aufhebungsvereinbarung (9. Mai 1989) war die Klägerin -- was auch der Verkäufer wußte -- zu einem Verfügungsgeschäft über den ursprünglichen Kaufvertrag nicht mehr befugt, weil sie ihr Recht zur Benennung eines anderen Käufers bereits am 10. April 1989 mit der Folge ausgeübt hatte, daß fortan die als Käuferin benannte GmbH sämtliche Rechte und Pflichten der Klägerin aus dem ursprünglichen Kaufvertrag übernommen hatte. Daß die GmbH als neue Vertragspartnerin des Verkäufers (Verfügungsberechtigte) der Vertragsaufhebung durch die Klägerin zugestimmt habe, ist weder von der Klägerin behauptet worden noch sonst aus den tatsächlichen Feststellungen des FG ersichtlich.

cc) Schließlich könnte von einer Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges i. S. des § 16 Abs. 1 GrEStG aber auch selbst dann nicht ausgegangen werden, wenn die Kaufvertragsparteien entgegen der oben (unter bb) dargelegten Rechtslage den Vertrag vom 31. März 1989 zivilrechtlich wirksam aufgehoben hätten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats genügt es zur Verwirklichung des § 16 Abs. 1 GrEStG nicht, wenn lediglich das den Steuertatbestand erfüllende Rechtsgeschäft (hier: der Kaufvertrag vom 31. März 1989) -- zivilrechtlich wirksam -- aufgehoben wird. Eine (begünstigte) Rückgängigmachung liegt vielmehr nur dann vor, wenn die Vertragspartner vollständig aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen werden, wenn daher die Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers über das Grundstück beseitigt wird und der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtstellung in bezug auf das Grundstück wiedererlangt (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 6. Oktober 1976 II R 131/74, BFHE 120, 557, BStBl II 1977, 253, und vom 7. Oktober 1987 II R 123/85, BFHE 152, 193, BStBl II 1988, 296; Sack in Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl., § 16 Rdnr. 61 m. w. N.).

Daran fehlt es im Streitfall: Im Zeitpunkt der "Aufhebung" des Kaufvertrages vom 31. März 1989 hatte die Klägerin über den ihr zustehenden Übereignungsanspruch bereits zugunsten ihrer zwischenzeitlich gegründeten Tochter-Gesellschaft (GmbH), deren Stammkapital sie zu über 99,9 v. H. hielt, i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 7 (i. V. m. Nr. 5) GrEStG (weiter-)verfügt. Eine Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs i. S. des § 16 Abs. 1 (oder 2) GrEStG hätte unter diesen Umständen erfordert, daß auch die GmbH -- ggf. auf eine entsprechende gesellschaftsrechtliche Einflußnahme der sie beherrschenden Klägerin -- der Vertragsaufhebung zugestimmt hätte und überdies die Vertragsbeteiligten (Klägerin, GmbH und Verkäufer) einander die gegenseitigen Leistungen, soweit bereits ausgetauscht waren, zurückgewährt hätten (vgl. auch Sack in Boruttau/Egly/Sigloch, a. a. O., § 16 Rdnr. 75 und 76 m. w. N. aus der Rechtsprechung). Daß derartiges geschehen sei, hat weder die Klägerin behauptet, noch das FG festgestellt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 924

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