Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Grundsatz, daß nach § 216 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Ziff. 2 AO die Ergänzung eines rechtskräftigen Feststellungsbescheids nur die Zurechnung der Einkünfte und ihre Verteilung auf die Beteiligten, nicht die Höhe des festgestellten Gewinns zum Gegenstand haben kann (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs III 142/52 U vom 30. Juli 1954, BStBl 1954 III S. 258, Slg. Bd. 59 S. 125), tritt zurück, wenn nach der zu § 26 Abs. 1 EStG 1957 ergangenen Rechtsprechung die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses zwischen einer Personengesellschaft und dem Ehegatten eines Mitunternehmers (mit der Folge der Herabsetzung des Gesamtgewinns) erforderlich ist.

 

Normenkette

AO § 216 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2

 

Tatbestand

An der KG, einem Familienunternehmen, waren in den Streitjahren der Vater als persönlich haftender Gesellschafter und vier Kinder als Kommanditisten beteiligt. Der Ehemann der einen Kommanditistin erhielt eine vertragliche Arbeitsvergütung.

Bei der Berichtigung der einheitlichen Gewinnfeststellungen für 1953 und 1954 und bei der erstmaligen Feststellung für 1955 wurde die Arbeitsvergütung des Ehemanns zum Gewinnanteil der Ehefrau hinzugerechnet; unter "Mitunternehmern und Beteiligten" wurden beide Ehegatten genannt. Auf den Antrag des Ehemanns, die jedem Ehegatten zustehenden Teile der Einkünfte durch Ergänzung der Feststellungsbescheide festzustellen, erließ das Finanzamt einen Ergänzungsbescheid, in dem es die Gewinnanteile für 1952 bis 1955 voll der Ehefrau zurechnete, weil der Ehemann nicht als Mitunternehmer anzusehen sei.

Nach erfolglosem Einspruch wurde die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Ergänzungsbescheid aufgehoben wurde. Das Finanzgericht hielt die Ergänzung der rechtskräftigen Gewinnfeststellungen für 1953 und 1954 nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs I 44/59 U vom 19. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 91, Slg. Bd. 70 S. 247) für unzulässig und verneinte für 1955 das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft des Ehemannes. Es führte aus, daß die Anerkennung der Vergütungen des Ehemanns als Betriebsausgaben nicht möglich sei, weil die Höhe des gewerblichen Gewinns (unter Hinzurechnung der Vergütungen) durch die Feststellungsbescheide rechtskräftig festgestellt worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der KG führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

Prüft man (zunächst unter Zurückstellung der sich aus § 26 Abs. 2 EStG 1957 und § 216 Abs. 2 AO ergebenden Fragen) die steuerliche Qualifikation des Rechtsverhältnisses zwischen dem Ehemann einerseits und der Beschwerdeführerin bzw. der Ehefrau-Gesellschafterin andererseits, so gelangt man zur Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses. ... Hiernach kam auf den Ergänzungsantrag Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses in Betracht, wenn dem nicht § 26 Abs. 2 EStG 1957 oder § 216 Abs. 2 AO entgegenstand.

Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1953 und 1954 waren nach § 26 Abs. 2 Ziff. 2 EStG 1957, bei der Feststellung 1955 nach Ziff. 3 a. a. O. die Vorschriften des § 26 Abs. 1 EStG 1957 anzuwenden, also die getrennte Veranlagung der Eheleute vorzunehmen. ...

Es bleibt zu prüfen, ob die Bezüge des Ehemanns im Ergänzungsbescheid als Betriebsausgaben anerkannt werden durften. Nach § 216 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Ziff. 2 AO kann der Ergänzungsbescheid nur die Zurechnung der Einkünfte und ihre Verteilung auf die Beteiligten zum Gegenstand haben, während im übrigen, insbesondere hinsichtlich der Höhe des festgestellten Gewinns, die Rechtskraft des Feststellungsbescheids unberührt bleibt (Urteil des Bundesfinanzhofs III 142/52 U vom 30. Juli 1954, BStBl 1954 III S. 258, Slg. Bd. 59 S. 125). Es ist aber zu bedenken, daß es sich hier um die Anwendung der Vorschrift des § 26 Abs. 1 EStG 1957 (über die getrennte Veranlagung von Ehegatten) auf die Veranlagungszeiträume 1953 bis 1955 handelt. Mit dieser Vorschrift steht die Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs I 231/56 S vom 3. Dezember 1957, BStBl 1958 III S. 27, Slg. Bd. 66 S. 66), die in Abweichung von der früheren Judikatur die Anerkennung von Arbeitsverhältnissen zwischen Personengesellschaften und den Ehegatten von Mitunternehmern zuläßt, in engem Zusammenhang. Die nach § 26 Abs. 2 EStG 1957 zulässige Anwendung der Vorschriften des Abs. 1 schließt daher auch die Anerkennung von Arbeitsverhältnissen im Sinne der Rechtsprechung - mit der Folge einer Herabsetzung der Höhe des Gewinns - in sich. Diesem Grundsatz gegenüber müssen nach der Auffassung des Senats bei der Durchführung der dem Einkommensteuerverfahren vorgeschalteten Feststellungsergänzung die sich aus § 216 AO ergebenden Beschränkungen (Nachholung von Feststellungen) nur hinsichtlich Zurechnung und Gewinnverteilung zurücktreten. Im Streitfall ist im Feststellungsbescheid auch der Ehemann als Bezieher von Einkünften aus der KG aufgeführt. Daß sie hiernach als gewerbliche Einkünfte erscheinen, ist in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zur Haushaltsbesteuerung begründet (siehe hierzu z. B. Urteile VI A 996/30 vom 10. Juli 1930 und VI A 67/30 vom 7. Mai 1930, RStBl 1930 S. 676 und 671, Slg. Bd. 27 S. 22). Unter den gegebenen Umständen, wie sie durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtswirksamkeit des § 26 EStG eingetreten sind, erscheint es gerechtfertigt, im Rahmen der Ergänzung des Gewinnfeststellungsbescheids die Einkünfte des Ehemanns entsprechend der heutigen Rechtsauffassung in die Einkunftsarten einzureihen.

Da die Vorentscheidungen diesen Grundsätzen nicht entsprechen, waren sie aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410340

BStBl III 1962, 202

BFHE 1962, 544

BFHE 74, 544

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