Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftliche Einheit bei Stückländereien

 

Leitsatz (NV)

1. Grundsätzlich ist es möglich, mehrere Stückländereien desselben Eigentümers zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassen, u.zw. unabhängig davon, ob diese an eine oder mehrere Personen verpachtet sind. Dies bedeutet aber nicht, daß in besonders gelagerten Fällen unter Beachtung der Vorschrift des § 2 Abs. 1 BewG nicht auch mehrere wirtschaftliche Einheiten vorliegen können.

2. Auch aus § 34 Abs. 7 BewG ergibt sich nicht, daß Stückländereien in der Hand eines Eigentümers stets nur eine wirtschaftliche Einheit bilden können.

 

Normenkette

BewG § 2 Abs. 1, § 34 Abs. 4, 7, § 41 Abs. 3; AO 1977 § 174 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war Eigentümerin eines ca. 62 ha großen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, den sie im Jahre 1974 eingestellt hat. Danach hat die Klägerin die Ländereien einschließlich der Stallungen mit Ausnahme des Wohnhauses an den Landwirt A verpachtet. Dieser hatte eigene landwirtschaftlich genutzte Flächen mit Hofstelle und unterhielt in den auf den Pachtflächen gelegenen Ställen eine Putenmast. Im Jahre 1976 gab der Pächter A ca. 26 ha der Pachtflächen an die Klägerin zurück. Diese Flächen verpachtete sie - zunächst für 10 Jahre - ab 1. Januar 1976 an B. Gegenstand der Verpachtung war auch ein im Jahre 1976 erbauter Schweinestall. Hierin betrieb der Pächter, der keine eigenen landwirtschaftlichen Nutzflächen und keine eigenen Gebäude besaß, eine Schweinemast, aus der er pro Wirtschaftsjahr ca. 1600 Schweine verkaufte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) führte auf den 1. Januar 1978 für den landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin eine Wertfortschreibung durch. Diese beruhte ausschließlich auf einem Viehzuschlag gemäß § 41 Bewertungsgesetz (BewG) in Höhe von 75608 DM. Mit dem Viehzuschlag erfaßte das FA einen Überbestand an Schweinen des Pächters B. Diesem Viehbestand stellte das FA die gepachtete Fläche - das FA ging dabei von 28 ha aus - gegenüber und errechnete daraus einen Überbestand an Vieh von 116,32 Vieheinheiten. Dabei vertrat das FA die Auffassung, alle von der Klägerin verpachteten landwirtschaftlichen Flächen seien Stückländereien i.S. des § 34 Abs. 7 BewG. Diese seien zu einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zusammenzufassen. Dabei müßten gemäß § 34 Abs. 4 BewG die Mastschweine des Pächters B als Betriebsmittel bei dem Betrieb der Klägerin (Stückländereien) erfaßt werden. Wegen des Überbestandes an Schweinen sei hier ein Zuschlag nach § 41 Abs. 1 BewG zu machen. Bei der Ermittlung des Umfangs des Überbestandes könne nur die von dem Pächter B gepachtete Fläche, nicht jedoch die vom Landwirt A gepachtete berücksichtigt werden. Denn bei der Prüfung der Frage, ob beim Betrieb des Landwirts A die tatsächlichen Verhältnisse von den nach § 38 Abs. 2 BewG zu unterstellenden regelmäßigen Verhältnissen der Gegend abweichen, seien sowohl die von der Klägerin gepachteten, als auch die eigenen Flächen des Landwirts A zugrunde zu legen (vgl. Abschn. 1.19 Abs. 6, 7 der Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens - BewRL). Die vom Pächter A gepachteten Flächen seien deshalb bereits ,,verbraucht" und könnten nicht noch einmal bei der Frage eines eventuellen anderweitigen Überbestandes an Vieh herangezogen werden.

Der nach erfolglos gebliebenem Einspruch erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Das FA sei zu Unrecht davon ausgegangen, die Stückländereien der Klägerin bildeten eine wirtschaftliche Einheit i.S. des § 2 Abs. 1 BewG. Nach der Verkehrsanschauung gehörten die an die beiden Pächter jeweils verpachteten Flächen nicht zusammen. Beide Pächter betrieben jeweils selbständig und in unterschiedlicher Weise Landwirtschaft. Der Pächter B bewirtschafte darüber hinaus keine eigenen Flächen und habe auch keine eigenen Gebäude. Dieser habe einen selbständigen Betrieb von der Klägerin gepachtet. Die beiden landwirtschaftlichen Betriebe zeigten keine Gemeinsamkeiten, sehe man davon ab, daß alle Flächen im Eigentum der Klägerin stünden.

Mit der vom FG zugelassenen Revision wendet sich das FA gegen die Auffassung des FG, die Stückländereien der Klägerin seien als zwei getrennte wirtschaftliche Einheiten zu beurteilen. Dem stehe schon der Wortlaut des § 34 Abs. 7 Satz 1 BewG entgegen.

Diese Vorschrift beginne mit den Worten ,,Einen Betrieb. . .", wobei das Wort ,,Einen" als Numerale aufzufassen sei. Demnach seien Stückländereien in der Hand eines Eigentümers stets als eine wirtschaftliche Einheit zu bewerten. Dies entspreche auch der Absicht des Gesetzgebers, die Zahl der vorzunehmenden Einheitsbewertungen möglichst zu begrenzen.

Schließlich habe es das FG unterlassen, den Pächter B beizuladen. Diese Beiladung habe das FA unter Hinweis auf die nach § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) möglicherweise zu ziehenden Folgerungen ausdrücklich beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß es sich bei den an die beiden Pächter A und B verpachteten landwirtschaftlich genutzten Flächen um Stückländereien der Klägerin handelt. Gemäß § 34 Abs. 7 BewG bilden auch Stückländereien einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. Stückländereien sind einzelne land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, bei denen die Wirtschaftsgebäude oder die Betriebsmittel oder beide Arten von Wirtschaftsgütern nicht dem Eigentümer des Grund und Bodens gehören. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der Klägerin als Eigentümerin des Grund und Bodens die der Bewirtschaftung der Flächen dienenden Betriebsmittel, insbesondere der Viehbestand nicht gehören.

b) Entgegen der Auffassung des FA hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erkannt, daß die an die beiden Pächter verpachteten Flächen jeweils eine gesonderte wirtschaftliche Einheit bilden und deshalb gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BewG für sich zu bewerten sind.

Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit wurde als Typusbegriff in das Bewertungsrecht eingeführt, um den Bewertungsgegenstand abzugrenzen, d.h. die Bewertungseinheit zu bestimmen. Der Begriff ,,wirtschaftliche Einheit" bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 1 BewG nach der Verkehrsauffassung, mithin vornehmlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Dabei sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 4 BewG). Es sind also neben objektiven auch subjektive Merkmale maßgebend. Letztere müssen jedoch dann zurücktreten, wenn sie mit objektiven Merkmalen in Widerspruch stehen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Juni 1983 III R 40/82, BFHE 139, 201, BStBl II 1983, 752 und vom 23. Januar 1985 II R 35/82, BFHE 143, 152, BStBl II 1985, 336).

Im Streitfall bilden die Stückländereien der Klägerin zwei wirtschaftliche Einheiten. Die seit 1974 verpachteten Flächen gehörten zusammen mit der von der Klägerin noch benutzten Hofstelle einstmals zum landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin und damit ursprünglich zu einer einzigen wirtschaftlichen Einheit. Diese wirtschaftliche Einheit wurde durch die (Dauer-)Verpachtung der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen ohne Hofstelle aufgelöst, weil die Klägerin die eigentliche Hofstelle selbst weiter zu nichtlandwirtschaftlichen Zwecken nutzt und diese deshalb als eine selbständige wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens zu bewerten ist (vgl. Gorski in Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungs- und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., § 33 BewG Anm.10).

Auch hinsichtlich der bewertungsrechtlich als Stückländereien anzusehenden Pachtflächen wurde der ursprünglich bestehende objektive und subjektive Zusammenhang durch die Verpachtung an die beiden Pächter A und B unterbrochen, so daß zwei wirtschaftliche Einheiten entstanden sind. Zwar wird allgemein die Auffassung vertreten, daß es grunsätzlich möglich sei, mehrere Stückländereien desselben Eigentümers zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassen, und zwar unabhängig davon, ob diese an einen oder mehrere Personen verpachtet sind (Rössler/Troll, Kommentar zum Bewertungs- und Vermögensteuergesetz, 15. Aufl., § 33 Rdnr.19; Gorski in Gürsching/Stenger a.a.O., § 33 Anm.11; vgl. auch Abschn. 1.05 Abs. 4 BewRL). Dies schließt nicht aus, daß in besonders gelagerten Fällen unter Beachtung der Vorschrift des § 2 Abs. 1 BewG auch mehrere wirtschaftliche Einheiten vorliegen können. Denn bei der Bewertung von Stückländereien gelten keine anderen als die allgemeinen Regeln für die Bewertung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (vgl. Gorski in Gürsching/Stenger, a.a.O., § 34 Anm.21). Danach kommt es für die Frage der wirtschaftlichen Einheit zwar nicht - jedenfalls nicht entscheidend - auf die räumliche Lage oder eine möglicherweise unterschiedliche Nutzung der Flächen an. Die Zusammenbewirtschaftung muß aber objektiv wirtschaftlich sinnvoll sein und darf nicht in Widerspruch zur Verkehrsanschauung bzw. zur örtlichen Gewohnheit stehen (vgl. Gorski in Gürsching/Stenger, a.a.O., § 33 Anm.6).

Das FG hat unter Beachtung dieser Grundsätze den von ihm festgestellten und mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Sachverhalt in nicht zu beanstandender Weise dahin gewürdigt, daß beide Pachtbereiche den Charakter selbständiger landwirtschaftlicher Einheiten haben. Nach den Umständen des Streitfalls muß (zumindest wirtschaftlich) davon ausgegangen werden, daß der Pächter B von der Klägerin einen selbständigen, in sich voll funktionsfähigen landwirtschaftlichen Betrieb gepachtet hat. Denn die dem Pächter B überlassenen Flächen und Stallungen bildeten die (alleinige) Grundlage seines selbständigen landwirtschaftlichen Betriebes (Schweinemästerei), weil dieser keine eigenen Flächen und Wirtschaftsgebäude besitzt. Diese Besonderheit, nämlich die einem landwirtschaftlichen Betrieb gleichkommende Zusammenfassung von Stückländereien und Wirtschaftsgebäuden, rechtfertigt es, im Streitfall eine eigene wirt- schaftliche Einheit in bezug auf die an B verpachteten Flächen anzunehmen. Dies führt dazu, daß die übrigen Stückländereien der Klägerin, die an den Landwirt A verpachteten Flächen, als eine weitere wirtschaftliche Einheit angesehen werden müssen.

Entgegen der Auffassung des FA vermag der Umstand, daß die Flächen nach deren Verpachtung der Klägerin einheitlich der Erzielung von Einkünften, und zwar aus der Verpachtung zur landwirtschaftlichen Nutzung durch Dritte (Pächter) dienten, es nicht zu rechtfertigen, nur eine wirtschaftliche Einheit ,,Stückländereien" anzunehmen. Zwar ist für die Frage, welchem Zweck bestimmte Wirtschaftsgüter dienen sollen - gerade auch bei der Land- und Forstwirtschaft (vgl. Gorski in Gürsching/Stenger, a.a.O., § 33 Anm.6) - auf die Zweckbestimmung, d.h. in erster Linie auf die Absichten von deren Eigentümer abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Februar 1979 III R 73/77, BFHE 128, 83, BStBl II 1979, 547, 548). Die Abgrenzung nach der Zweckbestimmung durch den Eigentümer findet allerdings auch beim land- und forstwirtschaftlichen Vermögen ihre Grenzen dort, wo diese - wie im Streitfall - im Widerspruch zu objektiven Abgrenzungskriterien - insbesondere zu der Verkehrsanschauung und der örtlichen Gewohnheit steht.

Diesem Ergebnis widerspricht - entgegen der Auffassung des FA - auch nicht der Wortlaut des § 34 Abs. 7 BewG. Denn hieraus ergibt sich nicht, daß Stückländereien in der Hand eines Eigentümers stets nur eine wirtschaftliche Einheit bilden können. Es ist kein Anhaltspunkt ersichtlich, die ersten Worte dieser Vorschrift ,,Einen Betrieb" in diesem Sinne zu verstehen. Vielmehr ist die Frage der wirtschaftlichen Einheit nach § 2 Abs. 1 BewG zu beantworten.

2. Da es sich bei den an die beiden Pächter verpachteten Flächen um zwei getrennte wirtschaftliche Einheiten handelt, kann das FA nunmehr gemäß § 174 Abs. 4 AO 1977 gegenüber der Klägerin zwei neue Einheitswertbescheide erlassen, einen hinsichtlich der Pachtflächen des Landwirts A sowie einen weiteren die Pachtflächen des B betreffend. Bezüglich der an B verpachteten Stückländereien kann das FA auch einen Zuschlag nach § 41 BewG wegen eines Überbestandes an Vieh machen. Dies ergibt sich aus § 34 Abs. 4, § 41 Abs. 3 BewG. Wegen des Vorliegens von zwei wirtschaftlichen Einheiten scheidet eine Zusammenfassung aller Stückländereien für die Beurteilung der Frage des Viehzuschlags aus. Der Zuschlag ist ausschließlich bezogen auf die an B verpachtete Fläche zu berechnen.

3. Den vom FA gerügten Verfahrensmangel hält der Senat nicht für durchgreifend. Gemäß Art.1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs wird insoweit auf eine Begründung verzichtet.

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 584

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