Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbschaftsteuer. Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Einspruchsentscheidung kann nicht mit Wirkung für einen Erbbeteiligten ergehen, der den nach § 15 Abs. 1 ErbStDV erlassenen einheitlichen Erbschaftsteuerbescheid nicht mit einem Einspruch angefochten hat.

2. Hätte das FA den betreffenden Erben gemäß § 241 Abs. 2 AO als Beteiligten zum Einspruchsverfahren zugezogen oder wäre der Steuerbescheid an den Testamentsvollstrecker gerichtet worden und hätte dieser Einspruch eingelegt, wäre die Rechtslage anders.

 

Orientierungssatz

Beteiligter am Einspruchsverfahren bei mehreren Erben; keine Rechtsmittelbefugnis eines nicht am Einspruchsverfahren Beteiligten

 

Normenkette

ErbStDV 1952 § 15 Abs. 1, 3 S. 2; AO § 106 Abs. 2, §§ 232, 241 Abs. 2-3

 

Tatbestand

Die Bfin., Frau Anna A geb. B., ist Miterbin zu ⅛ ihres am 1. März 1951 verstorbenen Bruders Bruno B (Erblassers); weitere Miterben sind die Witwe des Erblassers zu ½ und die übrigen drei Schwestern des Erblassers, Frau Eva C, geb. B, Frau Ilse D, geb. B und Frau Gerda E, geb. B, zu je ⅛. Der Erblasser war persönlich haftender Gesellschafter der Firma B und F OHG. Dem der Witwe des Erblassers erteilten endgültigen ErbSt-Bescheid vom 31. Januar 1956 ist der Anteil des Erblassers an der OHG mit 696.465,83 DM zugrunde gelegt und die ErbSt für die Bfin. hiernach auf 34.857,60 DM festgesetzt worden. In seiner Einspruchsentscheidung vom 7. Mai 1956 hat das FA die Beteiligung des Erblassers an der OHG nur noch mit 409.091,26 DM bewertet und ErbSt für die Bfin. auf 25.389,60 DM festgesetzt.

Diese Steuerfestsetzung hat das FA am 7. Juni 1956 gemäß § 92 Abs. 3 AO auf 24.895,– DM berichtigt. Gegen die Einspruchsentscheidung hat die Bfin. Berufung eingelegt und sich gegen die von der Einspruchsentscheidung vorgenommene niedrigere Bewertung der Beteiligung des Erblassers an der UHG gewandt. Die Bfin. hat ausdrücklich eine gegenüber der Einspruchsentscheidung höhere Steuerfestsetzung begehrt. Eine Beschwer der Bfin. liege darin, daß nach dem zwischen den Gesellschaftern der OHG – dem Erblasser und seinem Mitgesellschafter F – geschlossenen Gesellschaftsvertrag der aus der OHG ausscheidende Erbe eines Gesellschafters seinen Erbanteil an der Gesellschafterbeteiligung des verstorbenen Gesellschafters mit dem Betrag zurückerhalte, wie er bei der ErbSt-Veranlagung für seinen Erbteil veranlagt sei. Aus dieser Bestimmung folge, daß die Finanzbehörden mit der Festsetzung der Steuer zugleich auch verbindlich über einen zivilrechtlichen Anspruch – nämlich über die Hohe des durch Erbgang übergegangenen Anteils am Betriebsvermögen der OHG – entscheiden. Das FG hat die Berufung der Bfin. als unzulässig verworfen. Steuerlich bedeute die mit der Berufung angegriffene Herabsetzung der auf den Erwerb der Bfin. entfallenden ErbSt einen Vorteil. Eine Sachentscheidung sei dem FA verwehrt, weil die Bfin. eine solche nur in einem außersteuerlichen Interesse begehre, eine Beschwer im Sinne des § 232 AO somit nicht vorliege. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb) begehrt die Bfin. unter Aufrechterhaltung ihres Standpunktes wie in der Berufung die Bewertung des Anteils des Erblassers an der OHG mit dem höheren Betrag von 696.465,83 DM und damit eine höhere Festsetzung der ErbSt …

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. muß, wenn auch aus anderen als den vorgebrachten Gründen, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen.

Das FG hat verkannt, daß der endgültige Steuerbescheid vom 31. Januar 1956 der Bfin. gegenüber rechtskräftig geworden ist. Gegen diesen Bescheid hat nur die Witwe des Erblassers Einspruch eingelegt, der Rechtsnachfolger der Miterbin Gerda E geb. B., ihr Ehemann, hat sich dem Einspruch der Witwe des Erblassers angeschlossen. Das FA hat unter Hinweis auf § 247 AO der Bfin. durch Schreiben vom 27. Februar bzw. 8. März 1956 anheimgestellt bzw. bei ihr angefragt, ob sie gleichfalls gegen den endgültigen Steuerbescheid das Rechtsmittel einlege. Die Bfin. hat sich in ihrem Antwortschreiben … nicht zur Frage der Einlegung des Einspruchs auch durch sie geäußert. Dagegen hat die Tochter der Miterbin Frau Eva C, Frau Hertha G, die ihre Mutter zu ¾ beerbt hat, dem FA durch Schreiben vom 9. März 1956 mitgeteilt, daß die Miterbin Frau Anna A (die jetzige Bfin.) nicht beabsichtige, Einspruch einzulegen bzw. sich dem Einspruch der Witwe des Erblassers anzuschließen. Auch die Einspruchsentscheidung geht davon aus, daß nur seitens der Witwe des Erblassers Einspruch eingelegt und seitens des Rechtsnachfolgers der Miterbin Gerda E Anschluß an diesen Einspruch erklärt worden ist. Mithin hat die Bfin. keinen Einspruch gegen den endgültigen Steuerbescheid eingelegt. Daraus ergibt sich seine Rechtskraft gegenüber der Bfin. Wenn die Witwe des Erblassers ihren Einspruch „auf die ganze Erbschaftsteuerberechnung” bezogen hat, so folgt daraus, abgesehen von der Mehrdeutigkeit dieser Ausdrucksweise, nichts Gegenteiliges, weil die Witwe nicht berechtigt gewesen ist, die Interessen der Bfin. wahrzunehmen. Eine Wirksamkeit der Einspruchsentscheidung auch gegenüber der Bfin. hätte infolgedessen nur dann eintreten können, wenn das FA sie gemäß § 241 Abs. 2 AO als Beteiligte zum Verfahren zugezogen hätte (vgl. § 241 Abs. 3 AO). Eine solche Zuziehung ist aber seitens des FA nicht erfolgt. Unrichtig ist die im Schreiben des FA an die Bfin. vom 7. Juni 1956 geäußerte Ansicht, die Einspruchsentscheidung richte sich gegen alle Beteiligten und erstrecke sich in ihren erbschaftsteuerlichen Auswirkungen somit auch gegen die Bfin. Hierbei handelt es sich um eine irrige Auslegung des § 15 Abs. 1 und 3 Satz 2 ErbStDV. Abs. 1 a.a.O. bezieht sich nur auf den einheitlichen Steuerbescheid bei Erbfällen, nicht aber auf Rechtsmittelentscheidungen. Abs. 3 Satz 2 a.a.O. hingegen besagt lediglich, daß die Finanzbehörden Rechtsmittelentscheidungen einem der Erben mit Wirkung für und gegen alle Erbbeteiligten bekanntgeben können. Damit ist aber nicht die Frage geregelt, gegen wen bzw. mit Wirkung für wen überhaupt eine Rechtsmittelentscheidung ergehen kann. Dies beantwortet sich allein nach den Vorschriften der AO. Die Einspruchsentscheidung durfte also hinsichtlich des Erwerbs der Bfin. nach dem oben Dargelegten gar nicht erlassen werden. Hätte das FA den endgültigen Steuerbescheid an den vorliegendenfalls bestellten Testamentsvollstrecker gerichtet, dann hätte dessen etwaiger Einspruch allerdings zu einer abweichenden Steuerfestsetzung auch für den Erwerb der Bfin. führen können, weil alsdann der Testamentsvollstrecker als Steuerpflichtiger in Betracht gekommen wäre (§ 106 Abs. 2 AO). Mithin mußte die angefochtene Entscheidung wegen Rechtsirrtums aufgehoben werden. Gleichzeitig war auch die Einspruchsentscheidung insoweit ersatzlos aufzuheben, als sie unzulässigerweise die rechtskräftig festgesetzte ErbSt für die Bfin. herabgesetzt hat. Für die Bfin. bleibt es bei der Steuerfestsetzung durch den endgültigen ErbSt-Bescheid vom 31. Januar 1956. Die vom FA am 7. Juni 1956 gemäß § 92 Abs. 3 AO vorgenommene Berichtigung der Steuerfestsetzung für die Bfin. ist infolge des Wegfalls der Einspruchsentscheidung gegenüber der Bfin. gegenstandslos.

Da die Bfin. ihr Rechtsmittelziel erreicht hat, bedarf es keines Eingehens mehr auf die Frage, ob eine zivilrechtliche Beschwer als eine solche im Sinne des § 232 AO anzusehen ist.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1201294

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