Entscheidungsstichwort (Thema)

Unberechtigter Steuerausweis; tatsächliche Verständigung;

 

Leitsatz (NV)

Mitwirkung bei Sachverhaltsaufklärung

1. Der betragsmäßige Ausweis von Umsatzsteuer in einem Mietvertrag i.V.m. monatlichen Zahlungsaufforderungen oder -belegen reicht für eine Steuerfestsetzung nach § 14 Abs. 2, 3 UStG 1980 aus, ohne daß es noch auf die Ausstellung gesonderter Rechnungen ankäme.

2. Eine ,,tatsächliche Verständigung" kann sich nur auf tatsächliche Umstände, nicht aber auf die rechtliche Würdigung von Tatsachen beziehen.

3. Bei der Aufklärung des Sachverhalts kann das FG davon ausgehen, daß die Beteiligten selbst auf die Wahrung ihrer Interessen bedacht sind und sich mit ihrem Prozeßverhalten (Vorbringen von Tatsachen und Beweismitteln) auf die Verfahrenslage einstellen.

UStG 1980 § 14 Abs. 2, 3; AO 1977 § 85; FGO § 76, § 115 Abs. 2, Abs. 3 Satz 3; ZPO § 295, § 531, § 558

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) errichtete in den Jahren 1982 bis 1984 unter Inanspruchnahme von Aufwendungsdarlehen und Aufwendungszuschüssen gemäß den Richtlinien über die Förderung des steuerbegünstigten Wohnungsbaus in Berlin ein Gebäude mit . . . Wohnungen, das er an einen Zwischenmieter für eine Monatsmiete von . . . DM zuzüglich Nebenkosten zur Weitervermietung vermietete. In einem Nachtrag vom 15. Oktober 1983 zum Mietvertrag hielten die Parteien fest, daß im Gesamtmietpreis 14 v.H. Umsatzsteuer = . . . DM enthalten seien. Die Endmieter nutzten die Wohnungen zu Wohnzwecken.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) stimmte den Steuererklärungen für die Streitjahre (1982 bis 1986), in denen der Kläger die mit den Kosten des Gebäudes zusammenhängenden Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuerberäge geltend machte und für die Jahre ab 1984 steuerpflichtige Mietumsätze angab, zunächst nach § 168 der Abgabenordnung (AO 1977) zu. Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung ließ das FA die Vorsteuerbeträge nicht mehr zum Abzug zu und setzte für die Jahre 1984 bis 1986 Umsatzsteuerbeträge von . . . DM, . . . DM und . . . DM mit der Begründung fest, es handele sich hierbei um in Rechnungen unberechtigt ausgewiesene Steuerbeträge.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage berief sich der Kläger darauf, daß der Änderung der Bescheide § 176 Abs. 2 AO 1977 entgegenstehe. Das Finanzgericht (FG) forderte den Kläger mehrfach auf, u.a. darzutun, daß und ggf. welche außersteuerlichen Gründe für die Einschaltung eines Zwischenmieters maßgeblich gewesen seien. Im Schreiben vom 24. Oktober 1989 legte der Kläger dar, daß der Grund hierfür sein Ziel gewesen sei, den Vorsteuerabzug zu erlangen, um die Errichtung und Nutzung des Miethauses wirtschaftlich möglichst zweckmäßig zu gestalten. Zu der Steuerfestsetzung wegen unberechtigten Steuerausweises nahm der Kläger, soweit aus den Akten des FG ersichtlich, im Klageverfahren nicht Stellung.

Das FG wies die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. November 1991 als unbegründet ab. Es führte im wesentlichen aus: Das FA habe Vorsteuerbeträge zu Recht nicht berücksichtigt. Die Zwischenvermietung sei mißbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977, weil für die Einschaltung des Zwischenmieters - abgesehen von dem Ziel der Vorsteuererstattung - wirtchaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlten. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragen habe, die Zwischenvermietung sei auch erfolgt, um das Mietausfallrisiko auszuschalten und sich von Verwaltungsaufgaben zu befreien, habe er nicht dargetan, daß zum Zeitpunkt des Abschlusses des Zwischenmietvertrages konkrete Gründe vorgelegen hätten, die bei vernünftiger Vorausschau Mietausfälle hätten erwarten lassen, und daß er durch Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit einem Verwalter nicht in gleicher Weise von Verwaltungsaufgaben hätte entlastet werden können.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht der Kläger einen Verfahrensmangel, grundsätzliche Bedeutung und Divergenz geltend.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist, soweit sie überhaupt zulässig ist, jedenfalls unbegründet.

1. Verfahrensmangel

a) Der Kläger rügt, das FG habe den Sachverhalt nicht hinreichend erforscht (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Es hätte aufklären müssen, inwiefern ,,in Rechnungen unberechtigt ausgewiesene Steuerbeträge" gegeben seien. Es fehle an einem derartigen Steuerausweis. Auf diese Frage hätte er - der Kläger - im Klageverfahren nicht einzugehen brauchen, weil er von der Richtigkeit seiner Rechtsauffassung, wonach das Zwischenmietverhältnis der Besteuerung zugrunde zu legen sei, habe ausgehen können.

b) Mit diesen Ausführungen ist kein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr.3 FGO dargetan. Es war Sache des Klägers, spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem FG darauf hinzuwirken, den der Steuerfestsetzung für die Jahre 1984 bis 1986 zugrunde liegenden Sachverhalt aufzuklären (§ 155 FGO i.V.m. §§ 295, 531, 558 der Zivilprozeßordnung - ZPO -; vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66; BFH-Beschluß vom 5. Juni 1991 II B 180/90, BFH/NV 1992, 397). Angesichts der Auffassung des FA und der Aufforderung des FG darzutun, daß und ggf. welche außersteuerlichen Gründe für die Einschaltung des Zwischenmieters maßgeblich gewesen seien, mußte der Kläger damit rechnen, daß das FG seine Meinung zur steuerlichen Berücksichtigungsfähigkeit des Zwischenmietverhältnisses nicht teilen würde, und sich mit seinem Prozeßverhalten darauf einstellen. Es oblag dem Kläger, Tatsachen und Beweismittel zur Frage des unberechtigten Steuerausweises in das Verfahren einzuführen; denn das FG kann davon ausgehen, daß die Beteiligten selbst auf die Wahrung ihrer Interessen bedacht sind (BFH-Urteil vom 6. Februar 1991 II R 87/88, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459, unter 2. b, m.w.N.). Zu entsprechenden Darlegungen bestand für den Kläger insbesondere auch deshalb Anlaß, weil der betragsmäßige Ausweis der Umsatzsteuer im Nachtrag vom 15. Oktober 1983 i.V.m. monatlichen Zahlungsaufforderungen oder -belegen für eine Steuerfestsetzung nach § 14 Abs. 2, 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 ausreicht, ohne daß es noch auf die Ausstellung gesonderter Rechnungen ankäme (Senatsbeschluß vom 7. Juli 1988 V B 72/86, BFHE 154, 197, BStBl II 1988, 913), und bei Fehlen gegenteiligen Vortrags vom Vorliegen solcher Unterlagen regelmäßig ausgegangen werden kann.

2. Grundsätzliche Bedeutung

a) Zur Begründung der seiner Ansicht nach gegebenen grundsätzlichen Bedeutung führt der Kläger aus: Das FA habe das Zwischenmietverhältnis der Besteuerung deshalb nicht mehr zugrunde gelegt, weil das Gebäude im sozialen Wohnungsbau unter Gewährung von Mietbeihilfen errichtet worden sei. Bei der Umsatzsteuer-Sonderprüfung sei nicht bezweifelt worden, daß im übrigen keine Gründe für die Außerachtlassung der Zwischenvermietung vorlägen. Das FA habe hiermit gegen § 176 Abs. 2 AO 1977 verstoßen. Soweit das FG demgegenüber annehme, daß die Zwischenvermietung eine mißbräuchliche Gestaltung i.S. des § 42 AO 1977 sei, und zwar ohne Berücksichtigung der in Anspruch genommenen Aufwendungsdarlehen und Aufwendungszuschüsse, stelle es den Rechtssatz auf, daß Feststellungen tatsächlicher Art, die das FA aufgrund einer Außenprüfung gewonnen habe und denen der Kläger nicht widerspreche, für das FG unbeachtlich seien; das FG könne demnach aufgrund eigener Erhebungen den Tatsachen eine andere Bedeutung zumessen, als es die Parteien getan hätten.

b) Mit diesem Vortrag ist grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr.1 FGO) nicht dargelegt (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Einer Rechtssache ist grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BFH-Beschluß vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148; ständige Rechtsprechung).

Dies ist hier nicht der Fall. Das FG hat weder ausdrücklich noch incident den Rechtssatz aufgestellt, daß Feststellungen tatsächlicher Art des FA, denen der Steuerpflichtige nicht widersprochen hat, für das FG nicht bindend seien. Die Frage, ob die Zwischenvermietung von Wohnraum mißbräuchlich oder durch bestimmte Gründe gerechtfertigt ist, hat es zutreffend als Rechtsfrage behandelt, die aufgrund von Tatsachenfeststellungen zu entscheiden ist. Daß das FG im Rahmen der ihm obliegenden rechtlichen Würdigung unstreitige Tatsachen außer acht gelassen hätte, hat der Kläger nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.

3. Divergenz

Hierzu macht der Kläger geltend, das FG weiche von im einzelnen bezeichneten BFH-Entscheidungen zur ,,tatsächlichen Verständigung" über schwierig zu ermittelnde tatsächliche Umstände ab. Hiermit ist Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr.3 FGO) nicht dargetan (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Wie bereits oben unter 2. b) ausgeführt, hat das FG nicht zwischen Kläger und FA unstreitige Tatsachen außer acht gelassen, sondern diese lediglich in einer bestimmten Weise rechtlich gewürdigt. Auf die rechtliche Würdigung von Tatsachen bezieht sich die ,,tatsächliche Verständigung" nicht (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1990 III R 19/88, BFHE 162, 211, BStBl II 1991, 45). Es braucht daher nicht mehr der Frage nachgegangen zu werden, ob überhaupt die Voraussetzungen einer tatsächlichen Verständigung, wie sie in der vorbezeichneten BFH-Entscheidung dargelegt sind, vorliegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418698

BFH/NV 1993, 393

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