Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung auf den Einzelrichter; Änderung nach § 173 AO 1977
Leitsatz (NV)
- Die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter gemäß § 6 Abs. 1 FGO bedarf nicht der Zustimmung der Beteiligten.
- Es bedarf keiner weiteren Klärung, ob sich die ESt-Veranlagungsstelle die Vorkenntnis der Grunderwerbsteuerstelle zurechnen lassen muss.
- Die Äderung eines Bescheides gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre, soweit der Steuerpflichtige seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat.
Normenkette
FGO § 6 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1
Gründe
1. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Entgegen der Auffassung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) bedarf es zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter gemäß § 6 Abs. 1 FGO nicht der Zustimmung der Beteiligten. Die Entscheidung durch den Einzelrichter, dem der Rechtsstreit durch Beschluss zur Entscheidung übertragen worden ist, stellt keinen Verfahrensmangel dar.
2. Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Sache grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 1. August 2002 XI B 138/01, BFH/NV 2002, 1455).
Es bedarf keiner weiteren Klärung, ob sich die Einkommensteuer-Veranlagungsstelle die Vorkenntnis der Grunderwerbsteuerstelle zurechnen lassen muss. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung zu § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) entschieden, dass die Tatsachen oder Beweismittel denjenigen Personen nachträglich bekannt geworden sein müssen, die innerhalb der zuständigen Finanzbehörde dazu berufen sind, den betreffenden Steuerfall zu bearbeiten (BFH-Beschluss vom 16. Januar 2002 VIII B 96/01, BFH/NV 2002, 621, m.w.N.).
3. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert. Dieses (neue) gesetzliche Tatbestandsmerkmal erfasst die sog. Divergenzrevision nach altem Recht, aber auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der Finanzgerichte ―FG― (BFH-Beschluss vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51). Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung "erfordert" dann eine Entscheidung des BFH, wenn ein FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der BFH, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG.
Auch diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Das FG hat nicht die Vorgaben des BFH verkannt. Die Änderung eines Bescheides gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem Finanzamt (FA) die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (BFH-Urteil vom 3. Juli 2002 XI R 27/01, BFH/NV 2003, 19).
4. Die Entscheidung ergeht im Übrigen gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 1049382 |
BFH/NV 2003, 1541 |