Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnungsgrund bei Vollstreckung

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Anordnungsgrund für die beantragte einstweilige Einstellung der Vollstreckung ist im allgemeinen nur gegeben, wenn durch die Vollstreckung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen bedroht wird.

2. Für einen Antrag auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung fehlt im allgemeinen das Rechtsschutzbedürfnis.

 

Normenkette

FGO § 114; ZPO § 920 Abs. 2; AO 1977 § 284

 

Gründe

Die Beschwerde, mit der die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ihr Antragsbegehren weiter verfolgt, ist unbegründet. Das Finanzgericht (FG) hat es zu Recht abgelehnt, die von der Antragstellerin beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen.

Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, daß nicht nur ein Anordnungsanspruch, sondern auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wird (§ 114 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO). Die Vorentscheidung ist jedenfalls deshalb zutreffend, weil die Antragstellerin für die begehrte einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung keinen Anordnungsgrund dargelegt und glaubhaft gemacht hat.

Die Antragstellerin begehrt eine Regelungsanordnung i. S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO. Diese Vorschrift räumt dem Gericht keine schrankenlose Befugnis zum Erlaß einer einstweiligen Anordnung ein. Die in § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO ausdrücklich genannten Gründe (,,wesentliche Nachteile" und ,,drohende Gewalt") setzen Maßstäbe auch für die ,,anderen Gründe" im Sinne dieser Bestimmung. ,,Andere Gründe" rechtfertigen eine einstweilige Anordnung nur dann, wenn sie für die begehrte Regelungsanordnung ähnlich gewichtig und bedeutsam sind, wie ,,wesentliche Nachteile" oder ,,drohende Gewalt"; sie müssen so schwerwiegend sein, daß sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Januar 1983 I B 48/80, BFHE 137, 235, BStBl II 1983, 233, 236). Solche Anordnungsgründe sind im allgemeinen nur gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Umstände, wie die Bezahlung von Steuern, auch wenn sie möglicherweise nach einem Obsiegen im Hauptsacheverfahren zu erstatten wären, eine zur Bezahlung von Steuern notwendige Kreditaufnahme, ein Zurückstellen betrieblicher Investitionen oder eine Einschränkung des gewohnten Lebensstandards, sind - für sich allein gesehen - keine Anordnungsgründe (BFH-Beschluß vom 12. April 1984 VIII B 115/82, BFHE 140, 430, BStBl II 1984, 492). Der Steuerschuldner muß deshalb die Vollstreckung aus Steuerbescheiden grundsätzlich dulden. Er kann allenfalls mit der Geltendmachung von Beeinträchtigungen gehört werden, die über den allgemeinen Nachteil einer Steuerzahlung oder einer Zwangsvollstreckung hinausgehen (BFH-Beschluß vom 25. November 1986 VII B 123/86, BFH/NV 1987, 522).

Die Antragstellerin hat derartige wesentliche Nachteile, die den Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung unabweisbar machen würden, weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Sie wendet sich lediglich gegen die im Auftrag des Finanzamts (FA) von den italienischen Steuerbehörden gegen sie betriebenen Vollstreckungsmaßnahmen, ohne darzulegen, ob und ggf. in welchem Maße sie dadurch in ihrer wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz bedroht wird. Die üblicherweise mit einer Vollstreckung verbundenen Nachteile muß die Antragstellerin - wie ausgeführt - aber hinnehmen.

An dieser Beurteilung vermag auch die inzwischen ergangene Ladung der Antragstellerin zu dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) nichts zu ändern. Es kann dahinstehen, wie der von der Antragstellerin hiergegen gestellte Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollziehung verfahrensrechtlich einzuordnen ist. Vom BFH kann die Antragstellerin jedenfalls im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens keinen einstweiligen Rechtsschutz gegen die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erlangen. Wie der Senat im Beschluß vom 10. Dezember 1984 VII B 41/84 (BFHE 142, 423, BStBl II 1985, 197) entschieden hat, kann der Vollstreckungsschuldner die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zur Bekräftigung eines Vermögensverzeichnisses mit der Beschwerde anfechten, über die die betreibende Vollstreckungsbehörde entscheidet. Schon eine solche Beschwerde im Verwaltungsverfahren hat aufschiebende Wirkung (§ 284 Abs. 5 Satz 3 AO 1977), mit der Folge, daß für einen Antrag auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz zumindest im Regelfall das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Besonderheiten, die im Streitfall ein Rechtsschutzbedürfnis und außerdem sogleich eine Entscheidung durch den BFH rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 321

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