Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensaussetzung; Verfassungsmäßigkeit des § 34 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002

 

Leitsatz (NV)

  1. Eine Aussetzung des Klageverfahrens wegen eines beim BFH anhängigen Musterverfahrens scheidet aus.
  2. Gegen die sog. Fünftel-Regelung in § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit ein Betrieb erst im Dezember 1999 veräußert worden ist. Eine Aussetzung des Klageverfahrens wegen des Vorlagebeschlusses des XI. Senats des BFH vom 6. November 2002 XI R 42/01 (BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257) kommt deshalb nicht in Betracht.
  3. Der Gesetzgeber war weder verpflichtet, an der Bestimmung über den halben Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG a.F. festzuhalten, noch die seit 2001 geltende Regelung des § 34 Abs. 3 EStG auf die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 zurückzubeziehen.
 

Normenkette

EStG 1997 § 34; FGO §§ 74, 155; ZPO § 251 Abs. 1; StEntlG 1999/2000/2002

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Beschluss vom 29.10.2003; Aktenzeichen 11 K 268/03)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2000) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie veräußerten am 16. Dezember 1999 ihr in Form einer Betriebsaufspaltung geführtes …unternehmen und erzielten daraus einen Veräußerungsgewinn in Höhe von insgesamt 3 579 898 DM. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) unterwarf diese Einkünfte dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung (sog. Fünftel-Regelung). Gegen den betreffenden Einkommensteuerbescheid vom 25. März 2002 erhoben die Kläger Einspruch und begehrten, die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn unter Anwendung des § 34 EStG in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung festzusetzen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Kläger erhoben Klage. Während des Verfahrens beantragten die Kläger unter Bezugnahme auf den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. November 2002 XI R 42/01 (BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257) und das beim BFH anhängige Revisionsverfahren XI R 26/03 die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Mit Beschluss vom 29. Oktober 2003 lehnte das Finanzgericht (FG) den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ab. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.

Die Kläger beantragen sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Verfahren auszusetzen.

Das FA hat von einer Äußerung abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist statthaft, aber nicht begründet. Das FG hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen für einen Verfahrensstillstand verneint.

1. Nach § 74 FGO kann das FG das Verfahren u.a. aussetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Eine solche Situation ist im Streitfall nicht gegeben.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist das Klageverfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen, wenn vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, den FG zahlreiche Parallelverfahren (Massenverfahren) vorliegen und keiner der Beteiligten des Klageverfahrens ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung des FG über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hat (vgl. Senatsentscheidung vom 7. August 1996 X R 147/94, BFH/NV 1997, 254). Die Aussetzung des Verfahrens nach diesen Maßstäben kommt nicht in Betracht, wenn lediglich vor dem BFH ein Musterverfahren anhängig ist (BFH-Urteil vom 6. Oktober 1995 III R 52/90, BFHE 178, 559, BStBl II 1996, 20; Senatsentscheidung vom 10. April 1997 X B 255/96, BFH/NV 1997, 785).

Danach kommt hier eine Aussetzung des Klageverfahrens weder wegen des beim BFH anhängigen Verfahrens XI R 26/03 noch wegen eines beim BVerfG anhängigen Musterverfahrens in Betracht. Der XI. Senat des BFH hat mit Beschluss in BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257 das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die ―höhere― Besteuerung einer Entlassungsentschädigung, die noch vor Zuleitung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) an den Bundesrat (20. November 1998) vereinbart, jedoch erst nach dem 31. Dezember 1998 ausgezahlt worden ist, nach der sog. Fünftel-Regelung verfassungsgemäß ist oder gegen das Verbot der Rückwirkung von Steuergesetzen verstößt. Hierum geht es vorliegend nicht. Denn die Kläger haben ihr Einzelunternehmen erst am 16. Dezember 1999 nach Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 24. März 1999 veräußert. Außerdem betrifft die Vorlage des XI. Senats des BFH keinen Veräußerungsgewinn, sondern eine Entlassungsentschädigung.

2. Das Ruhen des Klageverfahrens hat das FG bereits deshalb nicht gemäß § 251 Satz 1 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO anordnen können, weil das FA die Zustimmung dazu nicht erteilt hat. Der Senat teilt im Übrigen auch die Erwägung des FG, dass das Ruhen des Verfahrens nicht zweckmäßig ist. Der Senat hat bereits in seinen Beschlüssen vom 9. Dezember 2002 X B 28/02 (BFH/NV 2003, 471) und vom 21. Januar 2003 X B 106/02 (BFH/NV 2003, 618) ausgeführt, dass der Gesetzgeber weder verpflichtet war, an der Besteuerung mit dem halben Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG in der vor 1999 geltenden Fassung festzuhalten, noch die seit 2001 geltende Regelung des § 34 Abs. 3 EStG auf die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 zurückzubeziehen. Dies entspricht auch der Auffassung anderer Senate des BFH (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. März 2003 IV B 163/02, BFH/NV 2003, 777; vom 25. Februar 2003 III B 130/02, BFH/NV 2003, 773; vom 25. Februar 2003 VIII B 253/02, BFH/NV 2003, 624).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1143921

BFH/NV 2004, 956

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