Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbergemeinschaft; Aufforderung zur Abgabe von Feststellungserklärungen

 

Leitsatz (NV)

Die Aufforderung zur Abgabe einer Feststellungserklärung, die das FA nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VO zu § 180 Abs. 2 AO 1977 an jede erklärungspflichtige Person richten kann, ist auch dann inhaltlich genügend bestimmt, wenn das FA Angaben zum vertraglichen Gesamtaufwand der Erwerber verlangt. Das gilt auch, wenn es sich um gebrauchte Eigentumswohnungen handelt.

 

Normenkette

AO 1977 § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VO zu § 180 Abs. 2; FGO § 69 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) war Treuhänder der Erwerber von Eigentumswohnungen einer Wohnanlage in A. Die im Jahr 1963 errichtete Wohnanlage wurde in Eigentumswohnungen aufgeteilt und verkauft. Die Kaufinteressenten schlossen mit dem Antragsteller gleichlautende, vorformulierte Geschäftsbesorgungsverträge. Darin wurde er beauftragt und bevollmächtigt, für die Erwerber eine Reihe von ebenfalls vorformulierten Verträgen abzuschließen, u. a. Kauf-, Darlehens-, Finanzierungsvermittlungs-, Mietbetreuungsverträge sowie Rechts- und Steuerberatungsverträge. Der Antragsteller als Treuhänder hatte den Zahlungsverkehr zu überwachen und dafür Sorge zu tragen, daß die steuerlichen Belange des Erwerbers gewahrt blieben, sowie nach Abschluß der Maßnahmen dem Erwerber eine Schlußabrechnung zu erteilen. Er war außerdem zur Vertretung der Erwerber im Feststellungs-, im Außenprüfungs- und im gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren bevollmächtigt und zum Empfangsbevollmächtigten bestellt. Aufgrund der umfassenden Vollmacht schloß er für die Erwerber gleichlautende Verträge über die Beratung in Rechts- und Steuerberatungsangelegenheiten mit Rechtsanwalt N. Der Auftrag zur Beratung umfaßt u. a. die laufende Beratung der Erwerber in Fragen der Verwaltung der Wohneigentumsanlage, in mietrechtlichen Angelegenheiten und die Beratung in den laufenden steuerlichen Angelegenheiten für das Jahr des Erwerbs.

Mit Verfügung vom 2. Oktober 1987 forderte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) den Antragsteller gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 (AO 1977 n. F.) auf, die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte für 1986 für das Erwerbermodell abzugeben. Die Erklärung sollte den vertraglichen Gesamtaufwand und bei einheitlicher Finanzierung auch das Disagio enthalten. Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er geltend machte, die Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 n. F. sei auf den Streitfall noch nicht anwendbar und die Aufforderung sei außerdem ermessenswidrig, blieb erfolglos. Die Anfechtungsklage ist noch beim Finanzgericht (FG) anhängig.

Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Aufforderung vom 2. Oktober 1987 gab das FG mit dem angefochtenen Beschluß statt, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufforderung bestünden. Es sei zweifelhaft, ob das FA bei der Aufforderung ein Auswahlermessen ausüben und begründen müsse. Neben dem Antragsteller als Treuhänder komme als Erklärungspflichtiger insbesondere der steuerliche Berater der Erwerber in Betracht. Die Aussetzung der Vollziehung sei außerdem geboten, weil in der sofortigen Vollziehung eine unbillige Härte liege. Der Antragsteller müsse mit erheblichem Aufwand vor der endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits eine Feststellungserklärung abgeben, so daß für ihn ein ungünstiges Ergebnis vorweggenommen werden würde.

Dagegen richtet sich die vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassene Beschwerde des FA, mit der es Verletzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verodnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 n. F. rügt. Der Antragsteller sei als Treuhänder erklärungspflichtig. Bei Inanspruchnahme des Treuhänders und Geschäftsbesorgers sei eine Darstellung und Begründung des grundsätzlich bestehenden Auswahlermessens hinsichtlich der Aufforderung nicht erforderlich. Es liege auch keine unbillige Härte vor, weil der Antragsteller aufgrund der mit den Erwerbern und dem steuerlichen Berater abgeschlossenen Verträge in der Lage sei, sich die für die Abgabe der Feststellungserklärung erforderlichen Unterlagen zu beschaffen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzuweisen.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufforderung zur Abgabe der Feststellung noch würde die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben (§ 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärungen bestehen nicht. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 7. August 1990 IX R 114/89 (BFHE 162, 197, BStBl II 1991, 119) entschieden, daß das FA von jeder nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 erklärungspflichtigen Person die Abgabe einer Feststellungserklärung verlangen kann, und zwar unabhängig davon, ob auch eine andere oder mehrere andere Personen aufgrund derselben oder anderer Vorschriften ebenfalls zur Abgabe der Erklärung verpflichtet sind oder sein können. Das FA braucht weder ein Auswahlermessen auszuüben noch es zu begründen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf dieses Urteil verwiesen. Der Senat hat außerdem im Urteil vom 17. August 1989 IX R 76/88 (BFHE 159, 398, BStBl II 1990, 411) ausgeführt, daß die für Bauherren- und Erwerbergemeinschaften handelnden Personen auch schon nach § 180 Abs. 2 AO 1977 in der Fassung vor Inkrafttreten des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 (AO 1977 a. F.) unter der Voraussetzung des § 58 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) i. V. m. § 34 Abs. 3 AO 1977 zur Abgabe von Feststellungserklärungen verpflichtet waren. Der Antragsteller gehört zu den erklärungspflichtigen Personen i. S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 n. F., die nach dem Urteil des Senats vom 1. Dezember 1987 IX R 90/86 (BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319) in anhängigen Fällen rückwirkend anzuwenden ist. Er war bei dem Erwerb und der Betreuung des Gesamtobjekts beteiligt. Er vertrat die Erwerber beim Abschluß der im Zusammenhang mit dem Erwerb stehenden Verträge.

Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel daran, daß der Verkauf der Eigentumswohnungen sich im Rahmen eines Gesamtobjekts i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 n. F. vollzog. Die Erwerber, vertreten durch den Antragsteller als Treuhänder, stellten gleichartige Rechtsbeziehungen zu Dritten her, nämlich u. a. zu dem Verkäufer der Eigentumswohnungen, dem steuerlichen Berater und den Darlehensgebern. Wie der erkennende Senat in dem Urteil in BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319, entschieden hat, können gesonderte und einheitliche Feststellungen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht nur für sog. Bauherrenmodelle, sondern auch für Erwerbermodelle durchgeführt werden (für die Rechtslage nach § 180 Abs. 2 AO 1977 a. F. vgl. das Urteil in BFHE 159, 398, BStBl II 1990, 411).

Es ist für die Erklärungspflicht ferner ohne Bedeutung, daß die Wohnanlage bereits 1963 fertiggestellt worden war und die Erwerber deshalb ,,gebrauchte" Eigentumswohnungen erwarben. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 n. F. stellt auf den Erwerb von Wirtschaftsgütern ohne Rücksicht darauf ab, ob es sich um neue oder gebrauchte Wirtschaftsgüter handelt. Auch der Umstand, daß dem Antragsteller nach seinem Vortrag die für die Abgabe der Feststellungserklärung erforderlichen Kenntnisse fehlen, berechtigt ihn bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht, der Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung nicht Folge zu leisten. Nach Abschn. III § 5 des Geschäftsbesorgungsvertrages hatte er den Erwerbern eine Schlußabrechnung über die für das Vorhaben verwendeten Mittel zu erteilen. Aus ihr müßten sich die vom FA geforderten Beträge ergeben. Sollte das nicht der Fall sein, ist dem Antragsteller zuzumuten, die Unterlagen von den einzelnen Erwerbern zu beschaffen. Diese sind nach Abschn. III § 6 des Vertrages verpflichtet, ihn in jeder Hinsicht zu unterstützen und alle Auskünfte und Erklärungen abzugeben, die zur Durchführung des Auftrags erforderlich erscheinen. Daß die Erwerber dieser Pflicht nicht nachkommen, hat der Antragsteller nicht vorgetragen.

Die Verfügung vom 2. Oktober 1987 war schließlich nicht deshalb rechtswidrig, weil sie dem Antragsteller aufgab, in der Erklärung den vertraglichen Gesamtaufwand auszuweisen. Der Begriff ,,vertraglicher Gesamtaufwand" ist bei summarischer Betrachtung für jemanden, der - wie der Antragsteller - mit den steuerlichen Besonderheiten auf dem Gebiet der Bauherren- und Erwerbermodelle vertraut ist, eindeutig. Er umfaßt alle Aufwendungen der Erwerber im Zusammenhang mit dem Kauf der Eigentumswohnung. Wenn der Antragsteller dennoch über den Umfang des in die Feststellungserklärung aufzunehmenden Gesamtaufwands Zweifel gehabt haben sollte, berechtigten ihn diese nicht, die Abgabe der Feststellungserklärung zu verweigern. Er hätte die Zweifel ohne besonderen Aufwand durch Rückfrage beim FA beseitigen können (vgl. das Senats-Urteil in BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319, Abschn. 5).

2. Die Vollziehung der Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung bedeutet auch keine unbillige Härte i. S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO. Eine unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn dem Antragsteller durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wirtschaftliche Nachteile drohen, die nicht oder nur schwer wiedergutzumachen sind oder seine wirtschaftliche Existenz gefährden (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 69 Anm. 106 m. w. N.). Der Antragsteller hat nicht dargelegt, daß ihm durch die Abgabe der Feststellungserklärung erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen.

Da an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufforderung keine ernstlichen Zweifel bestehen, kann in der Vollziehung der Aufforderung auch im übrigen keine unbillige Härte liegen (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 19. April 1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538).

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 287

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