Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgeblichkeit der Ertragsbesteuerung für den Umfang des Betriebsvermögens auch bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
Leitsatz (NV)
- Auch bei Gewerbetreibenden, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, ist die Eigenschaft eines bestimmten Wirtschaftsguts als Betriebsvermögen nicht im Verfahren über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zu klären, sondern aus der ertragsteuerrechtlichen Behandlung abzulesen.
- Liegt bereits eine bestandskräftige Einkommensteuerfestsetzung oder Gewinnfeststellung vor, ist die dabei zugrunde gelegte Beurteilung über die Betriebsvermögenseigenschaft einzelner Wirtschaftsgüter, die sich daraus ergeben kann, ob und in welchem Umfang eine AfA gewährt worden ist, für die Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens zu übernehmen. Ist das ertragsteuerliche Verfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen, ist die Klärung der Betriebsvermögenseigenschaft in dem Steuerfestsetzungs- bzw. Gewinnfeststellungsverfahren herbeizuführen.
Normenkette
BewG § 95 Abs. 1, §§ 96, 109 Abs. 2, § 109a; EStG § 4 Abs. 3
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die aus zwei freiberuflich tätigen Gesellschaftern besteht. Die Gewinnermittlung erfolgt gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Kosten der von den Gesellschaftern selbst gefahrenen Kfz sind nach dem Gesellschaftsvertrag jeweils von ihnen zu tragen. Der Gesellschafter M nutzt seinen PKW zu 30 v.H. für private Fahrten, zu 50 v.H. für Fahrten zwischen Wohnung und Stätte der Berufsausübung und zu 20 v.H. für (sonstige) berufliche Fahrten. Nach einer Außenprüfung, die u.a. die Gewinnfeststellung 1993 sowie den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1994 betraf, erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) einen Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1994, bei dem das von M gefahrene Fahrzeug als Sonderbetriebsvermögen mit den um die Absetzung für Abnutzung (AfA) gekürzten Anschaffungskosten berücksichtigt und vorab dem M zugerechnet worden war.
Einspruch und Klage, mit denen sich die Klägerin dagegen wandte, das Fahrzeug des M als Sonderbetriebsvermögen zu erfassen, blieben, nach Beiladung des M zum Klageverfahren, erfolglos.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wegen der Frage geltend, ob bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens das Fahrzeug, das ein Gesellschafter/Mitunternehmer zu 30 v.H. privat, zu 50 v.H. für Fahrten zwischen Wohnung und Stätte der Berufsausübung sowie zu 20 v.H. zu (sonstigen) beruflichen Fahrten nutze, als Sonderbetriebsvermögen zu erfassen ist. Nach Ansicht der Klägerin sind die Fahrten zwischen Wohnung und Stätte der Berufsausübung nicht der beruflichen Nutzung zuzurechnen, woraus sich im Streitfall ergebe, dass das Fahrzeug überwiegend privat genutzt werde und daher dem Privatvermögen zuzurechnen sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Dies richtet sich gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) noch nach § 115 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), da die Vorentscheidung vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes zugestellt worden ist. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung ist im Streitfall nicht klärungsfähig.
1. Mit Urteil vom 25. Oktober 2000 II R 58/98 (BStBl II 2001, 92) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass für die Stichtage 1. Januar 1993 bis 1. Januar 1997 für den Ansatz der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter in der Vermögensaufstellung die Steuerbilanzansätze dem Grunde und der Höhe nach maßgebend sind, sofern es sich um einen bilanzierenden Gewerbetreibenden handelt, und dass insoweit ―sofern das Gesetz nicht etwas anderes vorschreibt― eine für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens geltende Bindung der Vermögensaufstellung an die Steuerbilanz besteht. Diese Bindung ergibt sich aus den §§ 95 Abs. 1, 103 Abs. 1, 109 und 109a des Bewertungsgesetzes (BewG) in der zu den genannten Stichtagen geltenden Fassung und gilt gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG auch für solche Gewerbebetriebe, die einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 EStG gehören. Dem Gewerbebetrieb steht gemäß § 96 BewG die Ausübung eines freien Berufs i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gleich.
Die Bindung bedeutet, dass im Rahmen der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens für die genannten Stichtage insoweit, als eine Steuerbilanz vorliegt, keine eigenständige bewertungsrechtliche Prüfung stattfindet, ob und in welchem Umfang Betriebsvermögen vorliegt und mit welchem Wert dieses anzusetzen ist, und dass derjenige, der sich gegen das Vorliegen von Betriebsvermögen oder die Berücksichtigung einzelner Wirtschaftsgüter als Betriebsvermögen wenden will, zunächst gegen die entsprechende Einkommensteuerfestsetzung bzw. gesonderte Gewinnfeststellung vorgehen muss, der die maßgebliche Steuerbilanz zugrunde liegt. Ist dies aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr möglich, weil der entsprechende Bescheid bereits bestandskräftig und nicht mehr aufhebbar oder änderbar ist, können die Einwände auch im Verfahren der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht mehr geltend gemacht werden.
2. Die Tatsache, dass die Ausführungen des BFH in der eingangs zitierten Entscheidung auf bilanzierende Gewerbetreibende und auf die Steuerbilanzansätze abstellen, ist darin begründet, dass es sich im damals zu entscheidenden Fall um einen bilanzierenden Gewerbetreibenden gehandelt hat. Das BewG beschränkt jedoch die Maßgeblichkeit der ertragsteuerlichen Beurteilung nicht auf bilanzierende Gewerbetreibende, sondern erstreckt sie im Umfang des § 109 Abs. 2 BewG auch auf solche Gewerbetreibende, die, wie die Klägerin, den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln.
Gemäß § 109 Abs. 2 BewG werden nämlich bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nicht nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermitteln, die Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens mit den ertragsteuerlichen Werten angesetzt. Nach Abschn. 50 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1993/95 sollen die ertragsteuerlichen Werte für abnutzbares Anlagevermögen insbesondere solche sein, die in einem Anlageverzeichnis ausgewiesen sind. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG ist ein laufend geführtes Verzeichnis allerdings nur für nichtabnutzbares Anlagevermögen vorgeschrieben. Ob darüber hinaus aus Gründen der praktischen Durchführbarkeit auch ein Verzeichnis der Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens zum Nachweis der AfA zu führen ist (vgl. dazu Weber/Grellet in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 11 Rdnr. D 171), kann auf sich beruhen. Auch ohne Aufzeichnung ist der jeweiligen Einkommensteuerfestsetzung bzw. Gewinnfeststellung zu entnehmen, ob und in welchem Umfang ein abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens zum Betriebsvermögen gerechnet worden ist oder nicht, indem geprüft wird, ob und in welcher Höhe eine AfA auf das betroffene Wirtschaftsgut als Betriebsausgabe abgezogen worden ist und damit den Gewinn gemindert hat.
Demzufolge ist auch bei Gewerbetreibenden, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, die Eigenschaft eines bestimmten Wirtschaftsguts als Betriebsvermögen nicht im Verfahren über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zu klären, sondern aus der ertragsteuerlichen Behandlung abzulesen. Liegt bereits eine bestandskräftige Einkommensteuerfestsetzung oder Gewinnfeststellung vor, ist die dabei zugrunde gelegte Beurteilung über die Betriebsvermögenseigenschaft des betroffenen Wirtschaftsguts zu übernehmen. Steht sie noch aus, ist die Klärung in dem noch ausstehenden Steuerfestsetzungs- bzw. Gewinnfeststellungsverfahren herbeizuführen.
Fundstellen
Haufe-Index 605898 |
BFH/NV 2001, 1230 |